Das
war Thema eines Vortrags, den Dr. Wolfgang Pientka, Vorsitzender des
Fördervereins Kunsthaus Meyenburg e.V am Mittwoch vor Teilnehmern
der Nordhäuser Stadt- und Gästeführergilde in deren
Versammlungsraum in der Erfurter Straße hielt. Der Hinweis auf den
Kunsthaus-Förderverein ist deshalb von Bedeutung, weil dessen
Vorsitzender diesen Vortrag schon im Rahmen einer Kunstkeller-
Veranstaltung gehalten hatte. Und dort auch von der
Gilde-Organisatorin Dorothee Schwarz gebeten worden war, sein Wissen
zu diesem Thema den Mitgliedern der Gilde zu vermitteln. Und als
Interessent an der Nordhäuser Stadtgeschichte freute ich mich, an
der Veranstaltung teilnehmen zu können.
Die
Literatur zur Geschichte der Stadt Nordhausen ist außerordentlich
umfangreich und eigentlich bis ins Detail erforscht. Das gilt
natürlich auch für die Zeit des Dritten Reiches und damit für die
unmittelbare Vorgeschichte der Katastrophe durch die Bombenangriffe
am 3. und 4. April 1945, verursacht durch britischer
Flugzeuggeschwader. Warum aber Nordhausen noch sechs Tage vor der
Einnahme der Stadt durch amerikanische Truppen derart vernichtend
bombardiert wurde, das blieb bisher im wesentlichen unbeantwortet.
Und auch Dr. Pientka konnte darauf keine schlüssige Antwort geben.
Obwohl er dazu alles erreichbare Material gesichtet und in seinen
Vortrag verarbeitet hatte, wie sich zeigte.
Sein
Vortrag bestand im wesentlichen aus gebeamten Bildern, die der
Vortragende erläuternd offerierte. Wodurch die Bedeutung der Stadt
Nordhausen im 2. Weltkrieg im Rahmen der Rüstung des 3. Reiches und
der Kriegführung insbesondere für den Luftkrieg offenkundig wurde.
Dabei zeigte sich, dass Nordhausen zumindest bis 1943 vermutlich zwar
keine herausragende Rolle spielte – die ergab sich erst, nachdem
ein britischer Bombenangriff 1943 die Heeresversuchsanstalt
Peenemünde getroffen hatte und in den Südharz verlegt wurde –
aber doch schon relativ frühzeitig zu den Zielen der britische
Luftaufklärung gehörte.
Grund
dafür war vor allem der Flugplatz in Nordhausen und ebenso die
Verwirklichung eines „Mistralprogramms“ bestehend aus
Bombenflugzeugen, an denen die Kanzel entfernt und durch einen
Sprengkopf ersetzt wurde. Das Bombenflugzeug (JU 88) sollte von einem
Jagdflugzeug (ME 109) „Huckepack“ in Zielnähe geführt und dort
„ausgeklinkt“ werden, worauf der Bomber ins Ziel .stürzen
sollte. Sinnvoll war dieses Projekt u.a. deshalb, als der betankte,
unbemannte Bomber zunächst das Jagdflugzeug trug, das dann erst nach
dem Ausklinken im Zielgebiet mit eigenem Kraftstoff den Rückflug
antreten konnte. Die Reichweite betrug dadurch das Mehrfache der
normalen
Reichweite eines Jägers. Während das eigentliche
Entwicklungsprogramm in Burg bei Magdeburg lief, fand die
Pilotenausbildung in Nordhausen statt. Zur Ablenkung der britischen
Luftaufklärung wurde dazu u.a. sogar - mit mäßigem Erfolg - bei
Auleben ein Scheinflugplatz eingerichtet
Nordhausen
hatte zunächst aber auch strategische Bedeutung durch den
Bahnverkehr als direkte Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und der
Front im Osten des Reiches, ebenso wie als Verschiebebahnhof. Er war
nach der britischen Luftaufklärung 1944 auch Ziel der Royal
Airforce, die ihn durch gezielte Bombenangriffe lahm legte. Und die
deutsche Heeresführung im weiteren Verlauf zu beträchtlichen
Umwegen nötigte.
Nordhausen
gehörte also schon frühzeitig zu den Aufklärungsobjekten der
britischen Luftwaffe. Und die Angriffe auf Ziele in und um Nordhausen
(etwa dem Bahnhof) beweisen wohl auch, dass man die militärische
Bedeutung der Stadt am Südharz unter Kontrolle halten wollte. Die
Aufklärung erhöhte sich noch mit der Verlegung der
Raketenproduktion von V1 und V2 von Peenemünde in das Stollensytem
des Kohnstein..Es kann nur vermutet
werden, dass die unmittelbare
Nähe des KZ Mittelbau-Dora und der dort lebenden und mit der
Produktion dieser „Wunderwaffen“ beschäftigten Häftlinge die
britische Kriegführung davon abhielt, diese Produktionsstätte schon
in ihrer Entstehung gezielt anzugreifen. Bekannt ist jedenfalls, dass
man in England an der Entwicklung besonderer Bomben (Rollbomben)
arbeitete, um damit dem Stollensystem „zu Leibe“ rücken zu
können. Schlimm genug dass bei der Produktion der V-2-Rakete etwa 20
000 Häftlinge ohne fremde Einwirkung ums Leben kamen. Und damit weit
mehr Menschen, als beim Einsatz der Raketen getötet wurden. Deren
Zahl mit etwa 8000 angegeben wird.
War
also das Kriegs- und militärische Geschehen um Nordhausen seitens
der Alliierten bis zu deren Einnahme im April 1945 sehr gut bekannt,
bleibt die Frage offen, warum die Stadt noch so kurz vor ihrer
Einnahme derart verheerend bombardiert wurde. Und der Vortrag Dr.
Pientkas bestätigte eigentlich nur, dass diese Angriffe am 3. und
4.April 45 konzentriert auf Nordhausen erfolgten. Und nicht etwa nur
ersatzweise, wie eine zeitlang immer wieder behauptet wurde. Es
bleiben auch Zweifel, ob die Angriffe gewollt eine breite Schneise
der Vernichtung durch Nordhausen verursachen sollten, wie das ja
tatsächlich der Fall war. Auch das angebliche Ziel der Kasernen muss
als
unbewiesen angesehen werden. Es heißt zwar bei „Wikipedia“
zu den Luftangriffen auf Nordhausen (Auszug): „Durch
britische Bomberangriffe am 3. und 4. April 1945 auf Nordhausen wurde
zum Teil auch die Boelckekaserne zerstört, wobei 1.700 KZ-Häftlinge
zu Tode kamen. Anschließend verließ die Lager-SS die
Boelcke-Kaserne. Mehreren Häftlingen gelang es während der
Bombardierung zu fliehen und sich in der näheren Umgebung zu
verstecken. Viele von ihnen wurden jedoch aufgespürt und durch
Angehörige der örtlichen Polizei und der Wehrmacht
erschossen.“
(Ende des Auszugs). Dem steht allerdings u.a. eine Darstellung
des „Bündnisses gegen
Rechtsextremismus“ aus dem Jahr 2009
entgegen, in der es heißt (Auszug): „Die
Mehrheit der KZ-Insassen in der Boelcke-Kaserne starb jedoch nicht
durch die Luftangriffe, sondern an den Folgen von Hunger und
Entkräftung. Dies belegen die während der Befreiung von den
Amerikanern angefertigten Dokumentaraufnahmen von Leichen der
KZ-Häftlinge, die nur noch aus Haut und Knochen bestanden und
keinerlei erkennbare äußere Verletzungen aufwiesen.“ (Ende des
Auszugs).
Mit
letzteren Einschüben bin ich etwas vom eigentlichen Inhalt des
Vortrags Dr. Pientkas abgekommen, der aber
selbst seinen Zuhörern
empfohlen hatte, sich übers Internet weitere Informationen zu holen.
Im Vortrag selbst streifte Dr. Pientka noch etwas ausführlicher das
Stollensystem des Kohnstein und die dortige Raketenfertigung, die
offenbar bis zur Befreiung des KZ Mittelbau-Dora durch amerikanische
Truppen am 11. April lief. Und unversehrt vorgefunden wurde. Der
Vortragende verwies hier zur weiteren Information auf die
Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Wie der in Niedersachswerfen geborene
und in Ellrich wohnende Dr. Pientka schon zu Beginn seines Vortrags
betont hatte, sich sein Wissen aus eigenem Interesse erarbeitet zu
haben, ohne Historiker zu sein. Und an verschiedenen Positionen
seiner Ausführungen seinen qualifizierten Zuhörern anheim stellte,
sich im Rahmen ihrer Aufgabenstellung als Stadtführer noch gezielter
zu informieren.
Die
während des Vortrags und danach gestellte Fragen aus der
Zuhörerschaft betrafen dann auch mehr die das Inferno über
Nordhausen betreffende Problematik. Konkrete Antworten auf Fragen
nach dem „warum“ wusste aber auch Dr. Pientka nicht. Gildemeister
Winfried Werhan dankte ihm für den ansonsten außerordentlich
sachlich gehaltenen aufschlussreichen Vortrag.
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