Freitag, 31. Januar 2014

Nordhausen im 2. Weltkrieg

Das war Thema eines Vortrags, den Dr. Wolfgang Pientka, Vorsitzender des Fördervereins Kunsthaus Meyenburg e.V am Mittwoch vor Teilnehmern der Nordhäuser Stadt- und Gästeführergilde in deren Versammlungsraum in der Erfurter Straße hielt. Der Hinweis auf den Kunsthaus-Förderverein ist deshalb von Bedeutung, weil dessen Vorsitzender diesen Vortrag schon im Rahmen einer Kunstkeller- Veranstaltung gehalten hatte. Und dort auch von der Gilde-Organisatorin Dorothee Schwarz gebeten worden war, sein Wissen zu diesem Thema den Mitgliedern der Gilde zu vermitteln. Und als Interessent an der Nordhäuser Stadtgeschichte freute ich mich, an der Veranstaltung teilnehmen zu können.
Die Literatur zur Geschichte der Stadt Nordhausen ist außerordentlich umfangreich und eigentlich bis ins Detail erforscht. Das gilt natürlich auch für die Zeit des Dritten Reiches und damit für die unmittelbare Vorgeschichte der Katastrophe durch die Bombenangriffe am 3. und 4. April 1945, verursacht durch britischer Flugzeuggeschwader. Warum aber Nordhausen noch sechs Tage vor der Einnahme der Stadt durch amerikanische Truppen derart vernichtend bombardiert wurde, das blieb bisher im wesentlichen unbeantwortet. Und auch Dr. Pientka konnte darauf keine schlüssige Antwort geben. Obwohl er dazu alles erreichbare Material gesichtet und in seinen Vortrag verarbeitet hatte, wie sich zeigte.
Sein Vortrag bestand im wesentlichen aus gebeamten Bildern, die der Vortragende erläuternd offerierte. Wodurch die Bedeutung der Stadt Nordhausen im 2. Weltkrieg im Rahmen der Rüstung des 3. Reiches und der Kriegführung insbesondere für den Luftkrieg offenkundig wurde. Dabei zeigte sich, dass Nordhausen zumindest bis 1943 vermutlich zwar keine herausragende Rolle spielte – die ergab sich erst, nachdem ein britischer Bombenangriff 1943 die Heeresversuchsanstalt Peenemünde getroffen hatte und in den Südharz verlegt wurde – aber doch schon relativ frühzeitig zu den Zielen der britische Luftaufklärung gehörte.
Grund dafür war vor allem der Flugplatz in Nordhausen und ebenso die Verwirklichung eines „Mistralprogramms“ bestehend aus Bombenflugzeugen, an denen die Kanzel entfernt und durch einen Sprengkopf ersetzt wurde. Das Bombenflugzeug (JU 88) sollte von einem Jagdflugzeug (ME 109) „Huckepack“ in Zielnähe geführt und dort „ausgeklinkt“ werden, worauf der Bomber ins Ziel .stürzen sollte. Sinnvoll war dieses Projekt u.a. deshalb, als der betankte, unbemannte Bomber zunächst das Jagdflugzeug trug, das dann erst nach dem Ausklinken im Zielgebiet mit eigenem Kraftstoff den Rückflug antreten konnte. Die Reichweite betrug dadurch das Mehrfache der normalen
Reichweite eines Jägers. Während das eigentliche Entwicklungsprogramm in Burg bei Magdeburg lief, fand die Pilotenausbildung in Nordhausen statt. Zur Ablenkung der britischen Luftaufklärung wurde dazu u.a. sogar - mit mäßigem Erfolg - bei Auleben ein Scheinflugplatz eingerichtet
Nordhausen hatte zunächst aber auch strategische Bedeutung durch den Bahnverkehr als direkte Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und der Front im Osten des Reiches, ebenso wie als Verschiebebahnhof. Er war nach der britischen Luftaufklärung 1944 auch Ziel der Royal
Airforce, die ihn durch gezielte Bombenangriffe lahm legte. Und die deutsche Heeresführung im weiteren Verlauf zu beträchtlichen Umwegen nötigte.
Nordhausen gehörte also schon frühzeitig zu den Aufklärungsobjekten der britischen Luftwaffe. Und die Angriffe auf Ziele in und um Nordhausen (etwa dem Bahnhof) beweisen wohl auch, dass man die militärische Bedeutung der Stadt am Südharz unter Kontrolle halten wollte. Die Aufklärung erhöhte sich noch mit der Verlegung der Raketenproduktion von V1 und V2 von Peenemünde in das Stollensytem des Kohnstein..Es kann nur vermutet
werden, dass die unmittelbare Nähe des KZ Mittelbau-Dora und der dort lebenden und mit der Produktion dieser „Wunderwaffen“ beschäftigten Häftlinge die britische Kriegführung davon abhielt, diese Produktionsstätte schon in ihrer Entstehung gezielt anzugreifen. Bekannt ist jedenfalls, dass man in England an der Entwicklung besonderer Bomben (Rollbomben) arbeitete, um damit dem Stollensystem „zu Leibe“ rücken zu können. Schlimm genug dass bei der Produktion der V-2-Rakete etwa 20 000 Häftlinge ohne fremde Einwirkung ums Leben kamen. Und damit weit mehr Menschen, als beim Einsatz der Raketen getötet wurden. Deren Zahl mit etwa 8000 angegeben wird.
War also das Kriegs- und militärische Geschehen um Nordhausen seitens der Alliierten bis zu deren Einnahme im April 1945 sehr gut bekannt, bleibt die Frage offen, warum die Stadt noch so kurz vor ihrer Einnahme derart verheerend bombardiert wurde. Und der Vortrag Dr. Pientkas bestätigte eigentlich nur, dass diese Angriffe am 3. und 4.April 45 konzentriert auf Nordhausen erfolgten. Und nicht etwa nur ersatzweise, wie eine zeitlang immer wieder behauptet wurde. Es bleiben auch Zweifel, ob die Angriffe gewollt eine breite Schneise der Vernichtung durch Nordhausen verursachen sollten, wie das ja tatsächlich der Fall war. Auch das angebliche Ziel der Kasernen muss als
unbewiesen angesehen werden. Es heißt zwar bei „Wikipedia“ zu den Luftangriffen auf Nordhausen (Auszug): „Durch britische Bomberangriffe am 3. und 4. April 1945 auf Nordhausen wurde zum Teil auch die Boelckekaserne zerstört, wobei 1.700 KZ-Häftlinge zu Tode kamen. Anschließend verließ die Lager-SS die Boelcke-Kaserne. Mehreren Häftlingen gelang es während der Bombardierung zu fliehen und sich in der näheren Umgebung zu verstecken. Viele von ihnen wurden jedoch aufgespürt und durch Angehörige der örtlichen Polizei und der Wehrmacht erschossen.“ (Ende des Auszugs). Dem steht allerdings u.a. eine Darstellung des „Bündnisses gegen
Rechtsextremismus“ aus dem Jahr 2009 entgegen, in der es heißt (Auszug): „
Die Mehrheit der KZ-Insassen in der Boelcke-Kaserne starb jedoch nicht durch die Luftangriffe, sondern an den Folgen von Hunger und Entkräftung. Dies belegen die während der Befreiung von den Amerikanern angefertigten Dokumentaraufnahmen von Leichen der KZ-Häftlinge, die nur noch aus Haut und Knochen bestanden und keinerlei erkennbare äußere Verletzungen aufwiesen.“ (Ende des Auszugs).
Mit letzteren Einschüben bin ich etwas vom eigentlichen Inhalt des Vortrags Dr. Pientkas abgekommen, der aber
selbst seinen Zuhörern empfohlen hatte, sich übers Internet weitere Informationen zu holen. Im Vortrag selbst streifte Dr. Pientka noch etwas ausführlicher das Stollensystem des Kohnstein und die dortige Raketenfertigung, die offenbar bis zur Befreiung des KZ Mittelbau-Dora durch amerikanische Truppen am 11. April lief. Und unversehrt vorgefunden wurde. Der Vortragende verwies hier zur weiteren Information auf die Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Wie der in Niedersachswerfen geborene und in Ellrich wohnende Dr. Pientka schon zu Beginn seines Vortrags betont hatte, sich sein Wissen aus eigenem Interesse erarbeitet zu haben, ohne Historiker zu sein. Und an verschiedenen Positionen
seiner Ausführungen seinen qualifizierten Zuhörern anheim stellte, sich im Rahmen ihrer Aufgabenstellung als Stadtführer noch gezielter zu informieren.


Die während des Vortrags und danach gestellte Fragen aus der Zuhörerschaft betrafen dann auch mehr die das Inferno über Nordhausen betreffende Problematik. Konkrete Antworten auf Fragen nach dem „warum“ wusste aber auch Dr. Pientka nicht. Gildemeister Winfried Werhan dankte ihm für den ansonsten außerordentlich sachlich gehaltenen aufschlussreichen Vortrag.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen