Sonntag, 5. Januar 2014

Die Deutschen begegnen sich wieder mit mehr Zutrauen.

Das berichtete neulich das „Handelsblatt“ im Ergebnis einer Untersuchung der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Wenn dem wirklich so wäre, könnte man sich darüber freuen. Im Alltagsleben allerdings habe ich davon in jüngerer Zeit nichts gemerkt. Vielleicht muss sich das aber erst langsam durchsetzen.

Ich musste vorhin daran denken, als ich in der „WELT“ zur Unfallproblematik Michael Schumachers las, dass eine meinungsprägende Mehrheit der Deutschen dem Ex-Rennfahrer aus Kerpen offensiv die Solidarität. verweigert. Mehr noch, sie legt Wert darauf, dass dieser Schumi nicht "unser Schumi" sei. Gegen Ende einer Woche, in der der siebenfache Formel-1-Weltmeister mit dem Leben rang, musste sich die "Tagesschau" auf ihrer Homepage dafür rechtfertigen, dass sie über den Unfall von Schumacher berichtet hat. Und das – so wird in dem Bericht argumentiert – würde viel über Deutschland sagen.

Nun hatte ich nach der bisherigen Berichterstattung der Medien den Eindruck, dass es in den vergangenen Tagen buchstäblich auf der Welt nichts wichtigeres gab als den Unfall und das Schicksal Michael Schuhmachers. Und die Anteilnahme der Menschen dieser Welt ungeteilt sei. Mit unterschiedlicher Intensität allenfalls. Dass es auch negatives Echo gab, entnahm ich überhaupt erst dem Bericht der „Welt“. Und auch den nur aufgrund der spektakulären Titelzeile „Die Ressentiments der Deutschen gegen Schuhmacher“. Nachdem ja die „Welt“ entsprechend ihres Bezahlmodells nur zehn Berichte monatlich frei stellt. Und die allgemeine Berichterstattung der sonstigen Medien hinreichend erschöpfend schien.

Und in diesem „Welt“-Bericht heißt es nun u.a. (Auszug): „Die Keule, mit der auf die "Tagesschau" eingeprügelt wurde, hieß "Boulevard", gemeint war aber die Tatsache, dass der Ski-Unfall eines einzelnen "Promis" derart wichtig genommen wurde. Es rührt an das egalitäre, antiindividualistische Grundgesetz des Landes. Deswegen musste der "Tagesschau"-Blog grundsätzlich werden: "Wenn zwei Menschen das Gleiche tun, ist es nicht das Gleiche – dieser Satz gilt auch bei Nachrichten."(Ende des Auszugs).

Nun will ich ja die Richtigkeit gerade der letzten Feststellung nicht bestreiten. Was aber in diesen Tagen vor der Universitätsklinik in Grenoble und teilweise auch innerhalb an Medien- und journalistischen Rummel veranstaltet wurde, sprengt ja wohl jede „normale“ Vorstellung. Und lässt die Frage aufkommen, was denn wohl an medialen Spektakel für einen einzelnen Menschen überhaupt zu rechtfertigen ist, sei er auch noch so prominent? Und was kann den Medienkonsumenten zugemutet werden, ohne dass sie dessen überdrüssig werden? Und wenn es in dem „WELT“-Bericht weiter heißt (Auszug): „ Hinter dieser Wut einer meist akademisch und gebildeten zivilreligiösen Gemeinde, die den Bundesrepublikanismus in eine Art Mittelschichtfundamentalismus umdeutet, lauern viele Motive. Der existenzielle Kern des Ressentiments gegen Schumacher ist das Misstrauen dem gegenüber, der ein sicheres Leben in bekannten Bahnen ausschlägt, um mit halsbrecherischem Tempo über teuflische Rennstrecken zu fegen.“ (Ende des Auszugs), dann bin ich der (ganz unmaßgeblichen) Meinung, dass man die Problematik gar nicht so hoch hängen müsste. Man hat einfach die Grenze dessen überschritten, was man den Medienkonsumenten zumuten kann, ohne dass der eben auf seine Weise reagiert.


Umso mehr – finde ich – als da ja noch ein anderer, die Medien betreffender, Gesichtspunkt eine Rolle spielt, der im Falle Schuhmacher besonders deutlich wird. Während nämlich die Ärzte in der Klinik um das Leben von Michael Schuhmacher kämpfen, tobt vor ihren Türen ein Kampf um die letzte neue Information, tunlichst noch als vermeintliche Exklusiv-Einschätzung. Es gehört ja vielfach, und nicht nur bei solch spektakulären Vorgängen, oft genug zum medialen Geschäft, mehr zu sagen als zu wissen. Um später, wenn es belastbare Fakten gibt, vieles von dem Hinausposaunten leise einzusammeln. In der Hoffnung, dass es im stets neuen News-Trubel beim Konsumenten alsbald in Vergessenheit gerät. (Was schert mich der Schmarrn von gestern?) Hier wurde meines Erachtens der Bogen überspannt. Anstatt aber in vernünftiger Weise zurückzurudern, werden in der „WELT“ noch alle Argumente zusammengetragen, um die Ressentiments der Öffentlichkeit gegen Schuhmacher zusätzlich zu untermauern. Eine weniger emotional verbrämte, sachbezogenere Berichterstattung wäre dem Menschen und 7-fachen Formel 1-Weltmeister Michael Schuhmacher angemessener als das, was man als Medienkonsument bisher zugemutet bekam.

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