Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 2. Mai 2022)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Der
CDU-Verteidigungsexperte Johann Wadephul spricht sich für die Lieferung
von Leopard 1-Kampfpanzern, gepanzerten Mannschaftstransportern oder
Artillerie an die Ukraine aus. „Die Lieferung der Geparden kann
definitiv nur der erste Schritt sein, dem weitere folgen sollten“,
sagte der Bundestagsabgeordnete im Interview mit der Wochenzeitung „Das
Parlament“ (Erscheinungstag 2. Mai 2022). Es gebe umfangreiche Bestände
im Besitz der Industrie, die zügig geliefert werden könnten und für die
es keine langwierige Ausbildung brauche.
Der Flugabwehrpanzer
Gepard, der jetzt geliefert werde, sei bis zu seiner Ausmusterung das
komplexeste System im Bestand des deutschen Heeres gewesen, betonte
Wadephul. Da es mindestens sechs Monate dauere, bis Besatzungen auf
diesem System ausgebildet seien, werde er in der Ukraine nicht sofort
voll einsatzfähig sein.
Zu dem von der Bundesregierung geplanten
Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sagte
der CDU-Politiker, dem werde seine Fraktion nur zustimmen, wenn die
Koalition zusichere, dass es ausschließlich für die Bundeswehr bestimmt
sei. Auch müsse klar sein, wie die Schulden getilgt werden sollen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse zudem sein Versprechen einlösen,
wonach die Ausgaben für Verteidigung auch nach Verbrauch des
Sondervermögens mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung betragen
sollen.
Das Interview im Wortlaut:
Das Parlament:
Herr Wadephul, als Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg will die
Bundesregierung 100 Milliarden Euro in eine bessere Ausstattung der
Bundeswehr investieren und dieses Vorhaben im Grundgesetz absichern. Ihr
Fraktionschef Friedrich Merz mag die Stimmen für die notwendige
Zweidrittel-Mehrheit allerdings nicht beisteuern. Warum? Waren mehr
Mittel für die Bundeswehr nicht immer das, was CDU und CSU wollten?
Wadephul:
Ja, das stimmt, die CDU/CSU-Fraktion kämpft schon seit Jahren für
deutlich mehr Investitionen für die Bundeswehr. Meist stand sie da
relativ allein, denn die anderen Fraktionen waren sehr zurückhaltend.
Deswegen begrüßen wir grundsätzlich den Vorschlag eines Sondervermögens.
Doch es kommt darauf an, wie dieses Programm ausgestaltet wird. Davon
machen wir als Fraktion abhängig, ob wir zustimmen können.
Das Parlament: Was sehen Sie besonders kritisch an den Regierungsvorschlägen?
Wadephul:
Bis dato ist nicht sicher, wofür die Gelder eigentlich bestimmt sind.
Für die Bundeswehr oder auch für andere Aufgaben? Weder sind die Texte
eindeutig, noch liegt uns bis dato ein Wirtschaftsplan vor, obwohl
dieser konstitutiver Bestandteil des Gesetzes sein sollte.
Das Parlament: Unter welchen Bedingungen würde Ihre Fraktion zustimmen?
Wadephul:
Es gibt für uns drei zentrale Punkte: Erstens muss das Sondervermögen
ausschließlich für die Bundeswehr bestimmt sein. Zweitens muss klar
sein, wie die Schulden getilgt werden. Drittens muss festgelegt werden,
dass auch nach Verbrauch des Sondervermögens die Ausgaben für
Verteidigung weiterhin über zwei Prozent der Wirtschaftsleistung
betragen, so wie Deutschland es der Nato zugesagt hat und wie es die
Bundeswehr braucht. Das hat der Bundeskanzler in seiner Rede am 27.
Februar im Bundestag so versprochen, und wir erwarten, dass er Wort
hält.
Das Parlament: Was sollte und muss Ihrer Meinung nach mit den 100 Milliarden vorrangig finanziert werden?
Wadephul: Es geht darum, zügig zentrale Fähigkeitslücken zu schließen und die volle Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wiederherzustellen.
Das Parlament:
Im Gesetzentwurf für das Sondervermögen steht, die Vorhaben würden
„auch Maßnahmen zur Stärkung im Cyber- und Informationsraum sowie zur
Ausstattung und Ertüchtigung der Sicherheitskräfte von Partnern“,
umfassen. Könnten damit also auch Waffenlieferungen an die Ukraine
finanziert werden?
Wadephul:
Grundsätzlich haben wir Bauchschmerzen mit dieser Formulierung, denn
damit sind Ausgaben in anderen Bereichen Tür und Tor geöffnet. Wir
wollen, dass das Sondervermögen, so wie es auch der Bundeskanzler
angekündigt hat, als er von einem „Sondervermögen Bundeswehr“ sprach,
ausschließlich der Bundeswehr zukommt.
Das Parlament:
Die Bundesregierung hat vergangene Woche ihr Nein zur Lieferung
schwerer Waffen an die Ukraine aufgegeben und schickt jetzt rund 50
Flugabwehr-Panzer vom Typ „Gepard“. Außerdem will sie ukrainische
Soldaten auf deutschem Boden ausbilden lassen. Hat die Ampel damit jetzt
„geliefert“?
Wadephul:
Die Entscheidung ist richtig und sie ist politisch überfällig – die
Bundesregierung hat sich aus meiner Sicht reichlich spät bewegt. Die
Anfragen der Ukraine und der Industrien lagen zum Teil seit Wochen vor
und nichts ist passiert. Es war der Druck der Öffentlichkeit und der
CDU/CSU-Fraktion, der hier gewirkt hat. Gleichzeitig ist diese Lieferung
technisch sehr anspruchsvoll.
Das Parlament: Inwiefern?
Wadephul:
Der Flugabwehrpanzer Gepard war bis zur Ausmusterung 2012 das
komplexeste System im Bestand des deutschen Heeres. Da braucht es
mindestens sechs Monate, bis Besatzungen auf diesem System ausgebildet
sind.
Das Parlament: Das heißt, der Gepard hilft in der aktuellen Situation gar nicht?
Wadephul:
Waffensysteme wie der Gepard sind heutzutage so komplex, dass jeder
Soldat der Welt eine gewisse, manchmal mehrmonatige Ausbildung braucht.
Also wird es dauern, bis er in der Ukraine voll einsatzfähig ist.
Insgesamt geht es bei vielen aktuellen Lieferungen aber meist um
Waffensysteme, die schon älterer Bauart und weniger komplex sind. In der
Diskussion wird auch gerne übersehen, dass die ukrainischen Soldaten
schon Erfahrung mit modernen Waffensystemen haben. Die fangen daher
nicht bei Null an, sondern müssen vielfach nur umgeschult werden.
Das Parlament: Sie haben sich neben dem Gepard für weitere Lieferungen ausgesprochen. An welche denken Sie konkret?
Wadephul:
Die Lieferung der Geparden kann definitiv nur der erste Schritt sein,
dem weitere folgen sollten. Ich meine zum Beispiel Leopard
1-Kampfpanzer, gepanzerte Mannschaftstransporter oder Artillerie. Da
gibt es umfangreiche Bestände im Besitz der Industrie, die zügig
geliefert werden können und für die es keine langwierige Ausbildung
braucht. Darum sollten sie auch geliefert werden, so wie die Ukraine es
dringend wünscht.
Das Parlament:
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sein Zögern mit der Sorge
begründet, Russlands Präsident Putin könnte die Lieferung schwerer
Waffen als Kriegseintritt betrachten mit der Folge eines Dritten,
möglicherweise nuklearen Weltkrieges. Teilen Sie diese Sorge nicht?
Wadephul:
Ich halte die Aussage des Bundeskanzlers für problematisch. Erstens,
weil er damit unseren Bündnispartnern wie Estland, Slowenien und
Tschechien vorwirft, sie würden einen Atomkrieg provozieren, denn sie
haben weit vor Deutschland schwere Waffen wie Schützenpanzer und
Artillerie geliefert. Und zweitens – und das wiegt schwerer – macht er
sich und Deutschland erpressbar, denn augenscheinlich braucht Russland
nur mit Aussagen zu Nuklearwaffen zu provozieren und Deutschland zuckt
politisch zurück.
Das Parlament: Ist das nicht verständlich? Vor einem Atomkrieg haben hierzulande viele Menschen Angst.
Wadephul:
Nein, denn diese Zurückhaltung konterkariert auf gefährliche Weise
unsere Bündnissolidarität und widerspricht unserer Beteiligung an der
nuklearen Abschreckung der Nato.
Das Parlament:
Als Erpressungsversuch wird auch die jüngste Entscheidung Russlands
gedeutet, Polen und Bulgarien den Gashahn zuzudrehen. Ist ein
Gas-Lieferstopp nach dem Ja der Bundesregierung zu schweren Waffen auch
für Deutschland näher gerückt?
Wadephul:
Auch hier gilt, dass wir nicht erpressbar sein dürfen. Das Risiko ist
da, doch die Frage ist, ob Russland selbst sich einen solchen Boykott im
wahrsten Sinne des Wortes leisten kann. Da habe ich meine Zweifel. Und
deswegen sollten wir da fest in unserer Politik bleiben.
Das Parlament:
CDU, CSU und SPD haben die Russland-Politik der vergangenen Jahre
maßgeblich mitgestaltet. Sie, Herr Wadephul, haben sich kürzlich für
eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dieser Politik in Form einer
Enquete-Kommission ausgesprochen. Wie ist dieser Vorstoß aufgenommen
worden? Gibt es erste Schritte in diese Richtung?
Wadephul:
Ich höre aus verschiedenen politischen Richtungen Unterstützung für
diese Idee, zuletzt auch von Kollegen aus der SPD- und der FDP-Fraktion.
Da geht es, meine ich, um ein „Lessons-learned“. Deswegen muss
wohlüberlegt sein, wie man das macht. Derzeit ist aus meiner Sicht aber
nicht die Zeit dafür. Wir stehen noch immer voll im Bann dieses
schrecklichen Krieges in der Ukraine, von dem wir nicht wissen, wie er
enden wird. Wenn er zu Ende ist, sollten wir aber fraktionsübergreifend
die Köpfe zusammenstecken und eine Aufarbeitung auf die Spur bringen.
Das Gespräch führte Johanna Metz.
Johann
Wadephul (CDU) sitzt seit Oktober 2009 im Bundestag und ist als
stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion zuständig für
Verteidigung und Auswärtiges.