Wischenhofen liegt ein wenig versteckt auf einem
Hügel am Rand des Naabtals. Eine kurvige Straße durch den Wald führt
hinauf zum Gasthaus Hummel, wo seit einhundert Jahren Gäste bewirtet
werden. Michael Brettner, heute 25 Jahre alt, wuchs im Nachbarort
Dallackenried auf, praktisch in Sichtweite zu dem Wirtshaus, das später
zu seiner Bühne werden sollte. "Ich habe als Kind immer gern gekocht,
aber viele haben mir davon abgeraten, in die Gastronomie zu gehen",
erinnert er sich. So begann er nach seinem Realschulabschluss 2013 eine
Ausbildung im Metallbereich.
Es war für ihn
eine Lehre ohne Leidenschaft. Nach einem halben Jahr gab der
passionierte Hobbykoch auf und entschloss sich, seiner Passion zu
folgen. Er klopfte bei Stefan Hummel an. "Der hat mir gesagt: ‚Wir
brauchen immer jemanden‘", erzählt Michael. Er absolvierte ein
Praktikum, begann im September 2014 seine Ausbildung zum Koch, die er im
Januar 2017 erfolgreich
abschloss. Parallel dazu baute Stefan Hummel während dieser Zeit das
Wirtshaus um, baute einen Teil der Gastwirtschaft zur Gourmetstube um.
"Über den Tellerrand blicken" bei Sternekoch Anton Schmaus
Nach
dem Abschluss seiner Kochlehre sammelt Michael Brettner derweil
Erfahrungen beim Regensburger Sternekoch Anton Schmaus, 2018 kehrt er
zurück ins Gasthaus Hummel, an den Ort, an dem alles begonnen hatte und
an dem die Verantwortlichen von Anfang an an ihn geglaubt hatten: "Ich
wusste, dass ich mehr will und dass ich es hier erreichen kann",
erinnert er sich.
Michi, wie ihn Küchenchef
und Sternekoch Stefan Hummel stets freundschaftlich nennt, entscheidet
sich, eine Weiterbildung zum Küchenmeister absolvieren zu wollen. In der
Branche gilt dieser als besonders anspruchsvoller Königsweg des
Gastro-Aufstiegs: In komprimierter Form bündeln die Lehrgänge Wissen aus
Gastronomie und
Kulinarik, aus Management und Betriebswirtschaft, Recht und Steuern
sowie vielem mehr. "Ich wollte einfach wissen, ob ich das kann, wenn ich
mich richtig reinhänge", berichtet Michael, der seine Weiterbildung zum
Küchenmeister an der Hotelfachschule der Eckert Schulen in Regenstauf
absolvierte, eine der renommiertesten Talenteschmieden ihrer Art in
Süddeutschland.
Küchenmeister in Fernlehre parallel zum Job in der Küche
Der
Koch absolviert seinen Küchenmeister ab März 2020 berufsbegleitend im
Fernlehre-Modell, weil er in der kleinen Küche im Gasthaus Hummel kein
halbes Jahr fehlen kann und will. Seit seinem Abschluss steht er -
frisch examiniert als "Geprüfter Küchenmeister" - wieder in Vollzeit als
Sous-Chef in der kleinen Wirtshausküche, in der gleichzeitig
bayerisch-rustikal für den großen Saal und edel-elegant für die
Gourmetstube gekocht wird.
Seitdem arbeitet
Michael Brettner
gemeinsam mit Stefan Hummel insgeheim am Projekt "Stern", auch wenn sich
das die beiden nie so offiziell zum Ziel gesetzt hatten. Im Oktober
letzten Jahres kam der große Moment. "Ein Alleinreisender, der
kurzfristig reserviert hatte, und dann mit einem Kennzeichen aus
Norddeutschland kam", erinnert sich Michael. "Wir vermuteten gleich,
dass das der Tester sein könnte."
Der Weg in den Kocholymp führte über
Schweinebauch mit Kimchi und Frischkäse mit Yuzu
Der
junge Sous-Chef war an diesem Abend für die Vorspeise und das Dessert
im Gourmetmenü verantwortlich. "Schweinebauch mit Kimchi und Ananas"
servierten die beiden Sterne-Aspiranten dem Gast der Gourmetbibel zur
Eröffnung des Gaumenschmauses. "Asiatisch angehaucht und mit etwas
Scharfem, etwas Süßem, etwas Knusprigem, etwas Saurem und etwas
Salzigem", beschreibt der 25-jährige Küchenmeister. Als süße Abrundung
stand an diesem
Abend "Frischkäse mit Apfel und Yuzu", einer asiatischen Zitrusfrucht,
auf der Karte.
"Michi, mach einfach", hatte
Stefan Hummel damals zu ihm gesagt. Und es ist dieser Satz, der die
Symbiose der beiden am besten beschreibt: "Diese Freiheit, eigene Ideen
einzubringen, hat mich immer beflügelt", weiß Michael Brettner.
"Asiatisch inspiriert - so koche ich am liebsten", sagt der Absolvent
der Eckert Schulen über seinen Stil. Chefkoch Stefan Hummel hingegen
gilt als "Bratengott", die Gourmetstube prägt er mit eher
französisch-klassischen Kreationen. Das Menü überzeugte den Tester - und
der Rest ist Geschichte: Seit diesem Frühjahr leuchtet der
Michelinstern über dem Gasthaus Hummel. Und für Stefan Hummel ist es
ganz selbstverständlich, dass das Küchenmeister-Zeugnis Michael
Brettners gleichberechtigt neben seinen eigenen Urkunden an der
Gasthaus-Wand hängt.
Das Wischenhofener Dream-Team will den Stern
verteidigen
"Michi, unser Azubi 1.0, frisch geprüfter
Küchenmeister, stets kreativ und mit vollem Herzen bei uns, ohne dich
wäre diese Auszeichnung nicht möglich. Ein ganz großer Teil vom Stern
gehört ganz dir", sagt der Chefkoch. Er und auch Michi Brettner sehen
ihren Weg als auch "Stern gewordenen" Beleg dafür, wie viel Spaß
Gastronomie auch im Jahr 2022 machen kann: "Es ist nicht wichtig,
welchen Schulabschluss oder welchen Werdegang du hast, du kannst alles
erreichen", sagt der 25-jährige Oberpfälzer. "Die Gastronomie von heute
steht für Teamgeist und Zusammenhalt und dafür, dass man alles schaffen
kann, wenn man sich richtig reinhängt." Sich richtig reinhängen: Das
haben sich Stefan Hummel und Michael Brettner für die kommenden Monate
fest vorgenommen. "Denn jetzt, wo wir den Stern einmal haben", sagen
sie, "wollen wir ihn natürlich auch verteidigen."
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