Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz
28.09.2021
Sende-Sperrfrist: Dienstag, 28. September 2021, 20.00 Uhr!
„Rehabilitierung des Tanzes im kirchlichen Kontext“
Brasilianische Tanzchoreografin Lia Rodrigues erhält Kunst- und Kulturpreis
der deutschen Katholiken
Die
brasilianische Tanzchoreografin und Sozialarbeiterin Lia Rodrigues (65)
hat am Dienstag (28. September 2021) in Solingen den mit 25.000 Euro
dotierten „Kunst- und
Kulturpreis der deutschen Katholiken“ entgegengenommen, der zum zehnten
Mal vergeben wurde. Die Verleihung fand im Theater und Konzerthaus
Solingen im Pina-Bausch-Saal statt – die Preisträgerin kannte die
gebürtige Solingerin Pina Bausch persönlich und ist
von ihr bis heute beeinflusst. Der Preis wird gemeinsam von der
Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen
Katholiken (ZdK) ausgelobt.
Vor
rund 300 geladenen Gästen aus Kultur, Kirche, Politik und Medien
würdigte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr.
Georg Bätzing, die Preisträgerin
für deren mutige Haltung des Widerstands, die sich im Tanz ausdrückt,
und sagte: „Lia Rodrigues und ihre Kompagnie stellen die vom globalen
Norden diktierten (…) Denkschemata auf den Kopf. Sie tun das mit nichts
anderem als mit ihren eigenen Körpern, (…) verletzlich
und stark zugleich.“ Zugleich bedauerte Bischof Bätzing, dass das
großartige Ausdruckspotenzial der Tanzkünste im kirchlichen Kontext zu
lange nicht angemessen wahrgenommen worden sei. „Somit will die heutige
Preisverleihung als kirchen- und kulturpolitisches
Statement für die längst überfällige Rehabilitierung des Tanzes im
kirchlichen Kontext verstanden werden“, so Bischof Bätzing. „Im
Tanztheater begegnen uns essenzielle Themen wie ‚Anfang und Tod‘,
‚Schmerz und Erlösung‘, ‚Hoffnung und Verzweiflung‘, ‚Identität
und das Andere‘ als ästhetisch-dringliche Pro-Vokation, also im
Wortsinn als ‚Auf-Ruf‘, sich berühren und verändern zu lassen.“
Der
Intendant der „Deutschen Welle“, Peter Limbourg, würdigte Lia Rodrigues
in seiner Laudatio: „Das soziale Engagement der Preisträgerin ist
wirklich herausragend! (…)
2004 traf sie eine Entscheidung, die mich sehr beeindruckt hat: Sie
verlagerte ihre Tanz-Kompagnie in eine Favela. Maré heißt das Viertel im
Norden Rios. 140.000 Menschen leben dort in teils großer Not, meist
vollkommen unverschuldet Opfer organisierter Kriminalität,
staatlicher Repression und gewaltsamer Übergriffe. (…) Lia Rodrigues
will, dass Kultur für alle da ist, nicht nur für die Eliten. Das ist
umso wichtiger, je polarisierter die Gesellschaften sind. Teilhabe und
Integration, das ist es, was in diesen Zeiten mehr
denn je gefragt ist.“ Peter Limbourg betonte, dass die Preisträgerin
dafür plädiere, offen zu sein, zuzuhören. Ihr Ziel sei es, „Mauern
einzureißen, und stattdessen gemeinsam Projekte zu verwirklichen, um die
Welt ein Stückchen besser zu machen.“
Bei
der Übergabe der Preisurkunde betonte Prof. Dr. Sternberg, Präsident
des ZdK: „Mich hat (…) sehr beeindruckt, wie Frau Rodrigues sagte, sie
sei mit ihrem Tanztheater-Programm
nicht als Lehrende, sondern als Lernende in die Favela Maré gegangen.
Vor diesem Hintergrund ist es absolut authentisch und berechtigt, dass
Rodrigues – wie es auch unser Papst aus Argentinien immer wieder fordert
– für die katholische Kirche die Vision hat,
sie solle eine hörende Kirche sein, die nicht zuletzt auf die Stimme
der Armen hört.“ Der Tanz habe viel mit Liturgie zu tun, so Prof.
Sternberg: „Es geht um die Bewegung und Personen-Arrangements im Raum,
um Ortswechsel, Schreiten, Knien, Stehen, gar am Boden
liegen, Knie beugen, Hände falten oder erheben. Manchmal täte es
unseren liturgisch Beteiligten gut, sich die Bedeutung der Gestaltung
solcher Performances deutlicher zu machen. Aber natürlich geht es beim
Tanztheater um eine extrem viel komplexere Kunst des
Einsatzes der Körper und ihrer Bewegungen als Ausdrucksmittel.“
Lia
Rodrigues dankte der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK für den
Preis: „Es ist wirklich wunderbar, eine solche Auszeichnung zu erhalten,
besonders in diesen
Zeiten großer Herausforderungen. Ich fühle mich sehr geehrt, zu den
Empfängern zu gehören.“ Sie hoffe, in bescheidener Weise zur weiteren
Entwicklung der Kunst in der Geschichte der Menschheit beizutragen. „Ich
glaube, dass die Freiheit des künstlerischen
Ausdrucks der Schlüssel zur Begegnung mit der Transzendenz ist. Ich
schätze es also, dass Sie meine Arbeit als eine dieser Möglichkeiten
betrachten. Ich glaube, dass jeder von uns, der einen privilegierten
Platz in der Gesellschaft einnimmt, die Pflicht hat,
dazu beizutragen, dass wir in einer weniger ungleichen Welt leben
können“, so Lia Rodriguez. Bei dem Festakt führte die ebenfalls aus
Brasilien stammende Tänzerin Ruth Amarante – bekannt aus dem Kinofilm
„Pina“ – auf Wunsch der Preisträgerin eine „getanzte
Laudatio“ auf.
Die
Jury unter Vorsitz der Tanz- und Theaterwissenschaftlerin Gabriele
Brandstetter (Berlin) betonte, dass Lia Rodrigues Tanztheater „aus der
Gemeinschaft mit den durch
Rassismus und Diskriminierung Ausgeschlossenen“ heraus entstehe.
Rodrigues verstehe „Tanz als eine Grundform menschlicher Bildung, die
für alle da ist“.
Der
Kunst- und Kulturpreis wird seit 1990 abwechselnd alle zwei bis vier
Jahre in den Sparten Literatur, Architektur, Musik, Film, Bildende Kunst
und Theater verliehen;
2021 erfolgt die zehnte Vergabe. Unter den bisherigen Preisträgern
waren Peter Zumthor (2011), Ralf Rothmann (2014) und Mark Andre (2017).
Hinweise:
Die
Ansprachen von Bischof Dr. Georg Bätzing und Prof. Dr. Thomas Sternberg
sowie die Laudatio von Peter Limbourg bei der Preisverleihung finden
Sie in der Anlage sowie
nach Ablauf der Sperrfrist auf www.dbk.de
und www.zdk.de.
Fotos der Preisverleihung stehen während und nach der Veranstaltung unterhalb der Pressemitteilung auf
www.dbk.de
zum Herunterladen bereit und können kostenfrei für die
Berichterstattung verwendet werden. Bitte geben Sie bei Veröffentlichung
den Bildnachweis an: © KNA/Julia Steinbrecht.
Weitere Informationen über den Preis, die Preisträgerin und die Jury stehen unter
www.dbk.de
auf der Themenseite Kunst-
und Kulturpreis der deutschen Katholiken bereit.
Diese
Pressemitteilung wird von den Pressestellen der Deutschen
Bischofskonferenz und des ZdK zeitgleich verschickt. Mehrfachzusendungen
bitten wir zu
entschuldigen.
Die Deutsche Bischofskonferenz
ist
ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller (Erz-)Bistümer in
Deutschland. Derzeit gehören ihr 69 Mitglieder (Stand: September 2021)
aus den 27 deutschen (Erz-)Bistümern
an. Sie wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler
Aufgaben, zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen
Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen
Bischofskonferenzen. Oberstes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz
ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und
Herbst für mehrere Tage zusammentrifft.