BAMF-Forschungszentrum: Umzugsgründe von Geflüchteten werden zunehmend individueller
Jochen Hövekenmeier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Wohin, warum und wie oft sind Geflüchtete seit ihrer Einreise nach Deutschland umgezogen? Und wie lange dauert es, bis sie ein eigenes Zuhause haben? Über das Umzugsverhalten geflüchteter Menschen ist wenig bekannt. Mit der Kurzanalyse „Die Wohnhistorie Geflüchteter in Deutschland“ analysiert das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) empirische Erkenntnisse auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten und berücksichtigt aktuell geltende gesetzliche Regelungen. Die Analyse zeigt: Die Mehrheit der Befragten ist bereits mehr als einmal umgezogen. Viele ziehen bald nach der Ankunft aus der Erstunterkunft um, andere verweilen länger als 18 Monate.
Wenn es um die Integration von Geflüchteten geht, spielen die ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Der Wohnsitz definiert für jede Person den Lebensmittelpunkt im privaten Bereich. Für den Grad der Integration Schutzsuchender ist somit insbesondere auch der Wohnort ausschlaggebend. Geflüchtete können über ihren Wohnort in Deutschland allerdings zunächst nicht selbst entscheiden. „Da die gesetzlichen Regelungen zur Wohnsitznahme komplex sind, war es uns ein besonderes Anliegen, diese in einer komprimierten und verständlichen Weise aufzubereiten“, so Dr. Kerstin Tanis, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BAMF-Forschungszentrum. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer und nach Zuerkennung eines Schutzstatus werden die Wohnsitzbeschränkungen jedoch gelockert und die Wohnsituation spiegelt zunehmend individuelle Bedürfnisse wider.
Die Kurzanalyse 1|2022 des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) basiert auf der 4.Welle der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus dem Jahr 2019, bei der eine Zusatzbefragung zur Wohnhistorie durchgeführt wurde. 2019 nahmen an der IAB-BAMF-SOEP-Erhebung insgesamt 4.300 Personen teil, die in den Jahren 2013 bis 2016 nach Deutschland eingereist sind, zum Einreisezeitpunkt volljährig waren und einen Asylantrag gestellt haben. Den zusätzlichen Fragebogen zur Wohnhistorie haben rund 3.750 Personen beantwortet, die in den Jahren 2013 bis einschließlich 2016 nach Deutschland eingereist sind. Darin wurden alle bisherigen und der aktuelle Wohnort inklusive der jeweiligen Verweildauern, der Unterkunftsart und dem Umzugsgrund seit der Ankunft in Deutschland erfragt.
Im Zentrum der Kurzanalyse zur Wohnhistorie stehen insbesondere die Umzugshäufigkeit sowie die jeweiligen Umzugsgründe. Diese erlauben Aussagen über den Stellenwert behördlicher Zuweisung. Darüber hinaus wird der Zusammenhang zwischen der Verweildauer in Gemeinschaftsunterkünften bis zum Umzug in private Wohnungen und soziodemographischen Merkmalen untersucht.
Großteil ist bereits mehrfach umgezogen
Die Auswertung und Analyse der Befragung ergab: Die große Mehrheit der zwischen 2013 und 2016 eingereisten Geflüchteten ist im Befragungsjahr 2019 bereits mehrfach umgezogen. Dies gilt insbesondere für Personen, die vor 2016 eingereist sind und zum Befragungszeitpunkt einen Schutzstatus innehaben. Hinsichtlich des Zeitpunkts des ersten Umzugs lässt sich eine Polarisierung erkennen: Viele Personen verlassen die erste Unterkunft, bei der es sich häufig um eine Aufnahmeeinrichtung handelt, bereits nach weniger als drei Monaten, andere verweilen indes länger als 18 Monate.
Asylsuchende, Geduldete und Geflüchtete mit Schutzstatus unterliegen in Deutschland verschiedenen gesetzlichen Wohnsitzbeschränkungen. Dies wird auch bei der Analyse der Umzugsgründe deutlich: Rund die Hälfte der Geflüchteten gibt auch mindestens drei Jahre nach ihrer Ankunft an, aufgrund behördlicher Anordnung umgezogen zu sein. „Mit Anerkennung und längerer Aufenthaltsdauer werden die Umzugsgründe jedoch individueller: So geben zunehmend mehr Personen an, umgezogen zu sein, weil sich Freunde oder Bekannte in der Nähe befinden oder weil die Wohnlage praktisch ist“, erklärt Dr. Kerstin Tanis.
Übergang von Gemeinschafts- in Privatunterkunft gelingt Geflüchteten mit Kindern und Älteren schneller
Die Analyse der Umzüge von Gemeinschafts- in Privatunterkünfte zeigt, dass der Mehrheit der befragten Geflüchteten mit Schutzstatus dieser Übergang im Jahr 2019 bereits gelungen ist. Jedoch gibt knapp ein Viertel der mindestens drei Jahre in Deutschland lebenden anerkannten Geflüchteten an, noch immer in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen. „Unsere Analysen zeigen, dass es sich hierbei vor allem um Personen handelt, deren Asylantrag nach 2016 entschieden wurde, und die eher jünger und kinderlos sind. Demgegenüber gelingt es Geflüchteten mit Kindern und älteren Geflüchteten schneller, in eine Privatunterkunft umzuziehen“, sagt Dr. Kerstin Tanis.
Etwa die Hälfte der Geflüchteten ist innerhalb eines Jahres in Privatwohnungen umgezogen
Beim Übergang in eine private Wohnung ist die Wohndauer in Gemeinschaftsunterkünften von besonderem Analyseinteresse: Rund jeder zehnte Geflüchtete mit Schutzstatus zieht noch im selben oder spätestens nach einem Monat von der Gemeinschaftsunterkunft in eine Privatunterkunft. Insgesamt verlässt jede dritte Person mit Schutzstatus die Gemeinschaftsunterkünfte innerhalb der ersten sechs Monate. Knapp die Hälfte aller Geflüchteten, die in Privatunterkünfte gezogen ist, hat dies innerhalb eines Jahres getan.
70 Prozent wechselt beim Umzug den Wohnort
Bei der Betrachtung der Umzugsdistanz wird deutlich, dass Geflüchtete überwiegend nicht nur die Unterkunft, sondern in rund 70 Prozent der Fälle auch den Wohnort wechseln. Diese Umzüge geschehen mehrheitlich durch behördliche Zuweisung. Umzüge, die aufgrund von Familienangehörigen oder niedrigen Mieten stattfinden, finden meist im gleichen Ort statt.
Je nach Entfernung zwischen altem und neuem Wohnort wandeln sich Wohnumgebung und Infrastruktur. Welche Konsequenzen dies hat, beschreibt Dr. Kerstin Tanis so: „Viele Ortswechsel und kurze Wohndauern können beispielsweise dazu führen, dass Personen nicht in der Lage sind, sich lokale soziale Netzwerke aufzubauen. Zudem wird auch die Möglichkeit eingeschränkt, kontinuierlich an integrationsförderlichen Maßnahmen teilzunehmen, z. B. an einem Integrationskurs. Diese Überlegungen möchte ich in folgenden Studien näher untersuchen.“
Die Publikation finden Sie hier: https://www.bamf.de/kurzanalyse1-2022-wohnhistorie
Weiterführende Informationen zum Projekt IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten:
https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/iab-b...
Über das BAMF-Forschungszentrum:
Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Weitere Informationen unter: https://www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html
Ansprechpartner für Medienanfragen:
Jochen Hövekenmeier
Pressestelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Telefon: +49 911 943 17799
E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de
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