Pressemitteilung
Der SPD-Gesundheitspolitiker Pantazis sieht weiter Chancen für
einen Kompromiss bei der Impfpflicht und warnt vor einer neuen
Corona-Welle im Herbst
Meldung zu einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 11. April 2022)
-bei Nennung der Quelle frei zur Veröffentlichung-
Der SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis befürchtet nach der gescheiterten Corona-Impflicht im Bundestag eine neue Infektionswelle im kommenden Herbst. „Das kann dann auch eine Deltakron-Variante sein – also mit hoher Krankheitslast und hoher Infektiösität“, sagte Pantazis der Wochenzeitung „Das Parlament“. Er fügte hinzu: „Wir kommen nur aus der pandemischen Wellenbewegung in eine endemische Lage, wenn wir die Impflücke signifikant schließen.“
Einen weiteren Anlauf zur Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht hält Pantazis für grundsätzlich möglich. Er sagte dazu: „Im Augenblick überwiegt die Enttäuschung über das Verhalten der Unionsfraktion. Aber im Interesse der Sache sind wir weiterhin für einen Kompromiss offen.“
Das Interview im Wortlaut:
Das Parlament: Herr Pantazis, die Corona-Impfpflicht ist gescheitert. Sind Sie sehr enttäuscht?
Christos
Pantazis: Enttäuscht bin ich vor allem über die parteipolitische
Instrumentalisierung der Debatte durch die Unionsfraktion. Es ging
offenbar nur darum, der Ampel, dem Bundeskanzler und dem
Gesundheitsminister mal ordentlich vors Schienenbein zu treten. Diese
medizin-ethische Frage eignet sich aber nicht für parteipolitische
Inszenierungen. Ein solches Verhalten ist dem Parlament gegenüber
verantwortungslos – und auch gegenüber der Bevölkerung.
Das
Parlament: Wenn die Ampel mit ihrer Mehrheit eine vom Kanzler und dem
Gesundheitsminister gewollte Impfpflicht nicht durchsetzen kann, stellt
ihr das aber auch kein gutes Zeugnis aus, oder?
Christos
Pantazis: Diese Einschätzung teile ich nicht. Es ist ja nicht so, dass
die Koalition einem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht gefolgt sei.
Das
Parlament: Das stimmt. Aber den gab es doch wohl deshalb nicht, weil
ihn Gesundheitsminister Lauterbach gar nicht durch das Kabinett bekommen
hätte.
Christos Pantazis: Nein. Wir haben uns ganz bewusst
für das Verfahren mit Initiativen verschiedener Gruppen entschieden. Es
geht schließlich bei der Frage um eine Gewissensentscheidung in einer
medizin-ethischen Grundfrage – wie bei der Sterbehilfe oder der
Organspende. Ich finde, dass eine Impfnachweispflicht in diese Kategorie
gehört – anders als die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Ich habe von
Anfang an befürwortet, das als eine Gewissensentscheidung durchführen zu
lassen. Auch weil es in allen Fraktionen Abgeordnete gibt, die das so
oder so sehen.
Das Parlament: Unionsfraktionschef Merz bewertet das offenbar anders.
Christos
Pantazis: Es gab unter den demokratischen Fraktionen immer einen
Grundkonsens bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Mit dem Wechsel der
Partei- und Fraktionsführung bei der Union wurde aber dieser
Grundkonsens torpediert und letztendlich aufgekündigt. Statt
Gewissensentscheidung wird nun Fraktionsdisziplin angeordnet.
Das
Parlament: Sie persönlich unterstützen eine Impfpflicht ab 18, haben
schlussendlich für den Kompromissvorschlag einer Impfpflicht ab 60
gestimmt. Warum?
Christos Pantazis: Ich war anfangs kein
Freund einer Impfpflicht, bin dann aber schrittweise zu der Einsicht
gekommen, dass diese in Anbetracht der geringen Impfquote in
Deutschland, vor allem bei den Älteren, benötigt wird. Als Arzt habe ich
mich bei der Entscheidung von der Wissenschaft leiten lassen. Wir
kommen nur aus der pandemischen Wellenbewegung in eine endemische Lage,
wenn wir die Impflücke signifikant schließen. Jetzt mache ich mir große
Sorgen mit Blick auf den Herbst.
Das Parlament: Weshalb gehen Sie davon aus, dass die Lage im Herbst bedrohlich wird?
Christos
Pantazis: Eine Pandemie läuft immer wellenförmig. Schon im letzten
Herbst folgte auf einen relativ entspannten Sommer die harte
Delta-Welle. Wir können nicht davon ausgehen, dass bei der nächsten
Variante die Krankheitslast niedrig ist, wie jetzt bei Omikron. Eine
neuere Variante könnte beispielsweise tiefere Bereiche der Lunge
erreichen. Das wäre für die Krankheitslast fatal. Die Wissenschaftler
rechnen ganz fest mit einer nächsten Welle. Das kann dann auch eine
Deltakron-Variante sein – also mit hoher Krankheitslast und hoher
Infektiösität.
Das Parlament: Derzeit haben wir aber trotz hoher Inzidenzen nicht so viele schwere Fälle. War der Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Impfpflicht ungeeignet?
Christos
Pantazis: Im Augenblick ist das Bewusstsein dafür offenbar nicht
vorhanden, weil Omikron eine niedrige Krankheitslast hat – im Vergleich
zur Delta-Variante. Das macht die Gesellschaft und auch Teile der
Politik sorgloser. Aber die Belastung des Krankenhaussektors besteht
weiterhin– zwar nicht auf den Intensivstationen, aber auf den
Normalstationen. Es ist aktuell immer noch so, dass Operationen
verschoben werden müssen. Dieses Bewusstsein für die Ernsthaftigkeit der
Lage habe ich teilweise vermisst.
Das Parlament: Hat
Minister Lauterbach mit seinem Verzicht auf eine Zwangsisolation für
Corona-Infizierte – auch wenn er dies inzwischen revidiert hat – auch
dazu beigetragen, dass Corona derzeit nicht allzu problematisch
eingeschätzt wird?
Christos Pantazis: Ich sehe diesen
Zusammenhang nicht. Es ist eher so, dass die geringere Krankheitslast
und die entspannte Situation auf den Intensivstationen zu dem Eindruck
führen, die Pandemie sei vorbei. Dem ist aber nicht so. Außerdem darf
man nicht vergessen, dass weiterhin Basisschutzmaßnahmen sowie die
Hotspot-Regelung des Infektionsschutzgesetzes gelten. Auch deshalb kommt
es nicht zu einer Überlastung.
Das Parlament: Sie haben auf die Impfquote von 76 Prozent verwiesen. Warum liegt die nicht höher?
Christos
Pantazis: Ich führe das auf Ängste zurück, die durch eine massive
Desinformation genährt werden. Hierzu kann der Totimpfstoff Novavax
exemplarisch herangezogen werden. Obwohl dieser Impfstoff jetzt da ist,
wird er aber nur zögerlich abgefragt. Das Ausmaß dieser Desinformation
hierzu in den Sozialen Medien finde ich bedrohlich.
Das
Parlament: Gehört zur Desinformation auch der Verweis der Impfgegner auf
die nicht ausreichende Impfwirkung, weil Infektion und Weitergabe des
Virus auch nach Impfung nicht ausgeschlossen ist?
Christos
Pantazis: Hier liegt ein Kommunikationsproblem vor. Eine Impfung schützt
per se nicht vor Infektion. Das haben die Menschen falsch verstanden
und es wurde wohl auch falsch kommuniziert. Eine Impfung ist wie ein
Sicherheitsgurt im Auto. Der verhindert auch nicht den Unfall, aber er
grenzt mögliche Schäden ein. Es gibt viel Aufklärungsbedarf, weshalb wir
auch eine Beratungspflicht im Kompromissantrag vorgesehen hatten. Darin
sind im Übrigen auch Elemente des Unionsvorschlages eingeflossen:
Beispielsweise das Impfregister oder auch die stufenweise Einführung
einer Impfpflicht. Wir sind der Union in diesen Fragen sehr weit
entgegengekommen.
Das Parlament: Die Union bemängelt aber, dass ihre Gesprächsangebote nicht angenommen worden seien.
Christos
Pantazis: Ich bitte Sie, vier Monate lang sind wir auf die
Unionsfraktion zugegangen. Bei uns hat sich der Eindruck verstärkt, dass
die Impfpflichtdebatte parteipolitisch instrumentalisiert werden soll.
Das ist im höchsten Maße verantwortungslos und hat dem Ansehen dieses
Hohen Hauses schweren Schaden zugefügt.
Das Parlament: Die erste Runde im Bemühen um eine Impfpflicht haben Sie verloren. Wird es einen neuen Versuch geben?
Christos
Pantazis: Nicht ich habe verloren. Das Parlament, aber auch die
Bevölkerung hat verloren, wenn wir ungeschützt in eine Herbstwelle
gehen.
Das Parlament: Wird die SPD-Fraktion dennoch an einer neuen Kompromisslösung arbeiten?
Christos
Pantazis: Im Augenblick überwiegt die Enttäuschung über das Verhalten
der Unionsfraktion. Aber im Interesse der Sache sind wir weiterhin für
einen Kompromiss offen.
Das Parlament: Kommen wir abschließend noch zum geplanten Pflege-Bonus. Was versprechen Sie sich davon?
Christos
Pantazis: In den vergangenen zwei Jahren war das Pflegepersonal in den
Krankenhäusern sowie in der Langzeitpflege extremen Belastungen
ausgesetzt. Dort wurde Großartiges geleistet. Dafür gilt es Danke zu
sagen. Tausend Millionen Euro stellen einen Bonus dar, den wir der
Pflege schlicht schulden.
Das Parlament: An den strukturellen Problemen in der Pflege ändert sich dadurch aber langfristig nichts.
Christos
Pantazis: Der Bonus ist ja nur ein erster Schritt. Wir brauchen
strukturelle Änderungen in der Pflege – bei den Arbeitsbedingungen und
der Bezahlung. Das ist dringlicher denn je. Darauf hat sich die
Fortschrittskoalition für die kommenden Jahre verständigt.
Das Gespräch führte Götz Hausding.
Christos
Pantazis (SPD) ist neu im Bundestag. Der promivierte Neurochirurg aus
Braunschweig ist Mitglied im Gesundheitsausschuss.
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