Donnerstag, 9. Januar 2014

Krankenhauspflege am Limit!?

Angeregt von einem Bericht in „Nordhäuser Allgemeine“ vom 08.01. wonach im SüdharzKlinikum Nordhausen überlegt wird, nach Tariferhöhungen Stellen im nichtärztlichen Bereich abzubauen, fand ich einen fast zur gleichen Zeit erschienenen Bericht des Instituts für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. interessant, der sich in grundsätzlicher Weise – also ganz allgemein – mit der aktuellen Krankenhauspflege befasst. In diesem Bericht heißt es:

Die Pflegearbeit im Krankenhaus leidet unter knappen Mitteln und wachsenden Aufgaben. Beschäftigte bringt das regelmäßig an die Grenze ihrer Belastbarkeit, wie eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie zeigt. Nach Einschätzung der Pflegekräfte können schlechte Arbeitsbedingungen einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel verschärfen. Diese Befunde decken sich mit Forschungsergebnissen zur sozialen Dienstleistungsarbeit in der Altenpflege, der Jugendhilfe und der Kindertagesbetreuung. Vor allem die Pflege ist negativ vom Spardruck im sozialen Sektor betroffen.
Mehr als drei Millionen Menschen arbeiten laut Statistischem Bundesamt in Gesundheits-, Sozial- und Erziehungsberufen. Die Branchen, in denen sie tätig sind, stehen unter dem Druck einer zunehmenden Ökonomisierung: In den sozialen Diensten setze sich mehr und mehr eine Markt- und Wettbewerbslogik durch, schreiben Lukas Nock, Volker Hielscher Sabine Kirchen-Peters vom Saarbrücker iso-Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft. So haben sich im Krankenhaussekor durch Budgetkürzungen und seit der Einführung der Fallkostenpauschalen (DRG) die Verweildauern der Patienten drastisch verkürzt. Zugleich hat die Zahl der Patienten in den vergangenen 20 Jahren um rund drei Millionen zugenommen - der „Durchlauf“ ist also deutlich angestiegen, während in der gleichen Zeit mehr als 25.000 Vollzeitstellen in der Pflege abgebaut wurden. Wenn die vorgeschriebene Verweildauer nicht eingehalten werden kann, geht das zu finanziellen Lasten des Krankenhauses. In der Folge sind die Organisationsstrategien der Kliniken auf die Effizienz der Ablauforganisation hin optimiert worden: Alles muss so organisiert werden, dass der Patient in der vorgegebenen Zeit alle notwendigen Prozeduren durchläuft. Dies begünstigt eine Industrialisierung der Pflegearbeit.
Für die Studie wurden mehr als 600 Pflegekräfte aus Allgemeinkrankenhäusern im Rahmen einer Online-Erhebung befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die personelle Situation von der überwiegenden Mehrheit der Befragten als insuffizient beurteilt wird. In enger Verbindung hiermit wird von einer Zunahme der Arbeitsintensität und einem permanenten Zeitdruck berichtet. Eine große Zustimmung der Befragten fand zudem die Aussage, dass die Arbeitsanforderungen in der Pflege deutlich gestiegen sind. Es wird nicht nur von einem Anstieg der Patientenerwartungen berichtet, sondern ebenso von „neuen“ Anforderungen durch die Übernahme arztnaher oder administrativer Tätigkeiten. Darüber hinaus machen sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Alterungsprozesse der Bevölkerung im Arbeitsalltag der Pflegekräfte bemerkbar. Die Arbeitsanforderungen, die durch Klinikaufenthalte von älteren Menschen in Zukunft noch deutlich anwachsen werden, stellen die Krankenhäuser und insbesondere deren Pflegedienste vor eine enorme Herausforderung, die wohl nicht ohne eine Verbesserung der personellen Situation gemeistert werden kann. Dies zeigt sich umso mehr in der breiten Zustimmung der Befragten zu der Aussage, es gelänge ihnen nicht, stets auf die Bedürfnisse ihrer pflegebedürftigen Patient/innen einzugehen. Zudem scheint eine Qualifizierungsoffensive notwendig, um die Pflegekräfte in die Lage zu versetzen, mit der steigenden Zahl Demenzkranker im Klinikalltag adäquat umzugehen.
Hinsichtlich der Arbeitssituation berichtet die überwiegende Mehrheit der Befragten von gesundheitlichen Folgen durch die Arbeitsbelastung und von der Erfahrung, an die persönlichen Belastungsgrenzen geraten zu sein. Die Belastungserfahrungen stehen dabei im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation der Klinik, d.h., dass besonders solche Fachkräfte unter gesundheitlichen Belastungen zu leiden haben, die ihre Arbeitssituation unter einem stärkeren Ökonomisierungsdruck sehen. Gleiches gilt für die Dienstleistungsqualität: Je stärker der wirtschaftliche Druck wahrgenommen wird, desto weniger haben die Beschäftigten das Gefühl, „gute Arbeit“ in der Pflege verrichten zu können. Die Ergebnisse geben Grund zu der Annahme, dass ein durch Ökonomisierung verursachter Zeit- und Effizienzdruck eine Arbeitssituation erzeugt, unter der die Gesundheit der Beschäftigten ebenso leidet wie die Pflegequalität.
Die Arbeitssituation in der Krankenhauspflege wird so gravierend eingeschätzt, dass nahezu alle befragten Fachkräfte ihrem eigenen Berufsstand eine ungünstige Zukunftsprognose ausstellen. 19 von 20 Befragten glauben, dass unter den gegebenen Arbeitsbedingungen immer weniger Leute einen Beruf in der Krankenpflege ergreifen werden. Eingedenk der absehbaren Folgen des demografischen Wandels und des sich schon jetzt abzeichnenden Fachkräftemangels müsse dieses Ergebnis ernst genommen und als Aufforderung zu arbeitspolitischer Gestaltung verstanden werden, so das Resümee der Forscher.
Veröffentlichung: Lukas Nock, Volker Hielscher, Sabine Kirchen-Peters (2013): Dienstleistungsarbeit unter Druck: Der Fall Krankenhauspflege. HBS-Arbeitspapier Nr. 296.
Bezug unter der Bestell-Nr. 11296 bei Setzkasten GmbH, Düsseldorf (mail@setzkasten.de).
(Eine Mitteilung des idw vom 07.01.14)

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