Im Kunsthaus Meyenburg sind seit Sonntag in einer höchst bemerkenswerten Ausstellung Holzschnitte des weit über die Grenzen Thüringens hinaus bekannten Künstlers Heinz Scharr zu sehen. Und weil Susanne Hinsching, Leiterin des Kunsthauses, Kunsthistorikerin und Gastgeberin des gestern stattgefundenen Kammermusikabends, den vielen Gästen in der Konzertpause als besonders gut passendes „Schmankerl“ Scharrs Holzschnitt „Musik“ vorstellte und erläuterte, nutze ich diese günstige Gelegenheit auf meine Weise. Mit einer Rückschau nämlich auf die Vernissage zu dieser Ausstellung am vergangenen Samstag, über die ich ja schon einführend berichtete.
Susanne
Hinsching würdigte dort in ihrer Laudatio das Leben des Künstlers
und vermittelte den Teilnehmern der Vernissage anhand der
ausgestellten, meist großformatigen Holzschnitte einen
tieferen
Einblick in das künstlerische Schaffen und die Werke Heinz Scharrs.
In denen die Natur als immer wiederkehrendes Thema dominiert. Und vor
allem in seinen zahlreichen grafischen Arbeiten – sowohl
Holzschnitt als auch Radierung – umgesetzt wird. Die Besonderheit
seiner farbigen Holzschnitte – hier teils in Schwarz-Weiß, teils
in Farbe – zeigt einerseits die Beherrschung der Technik, die
offenbar durch ständiges Experimentieren entstanden ist.
Andererseits bildet dieses technische Können die Grundlage für die
Umsetzung seiner künstlerischen Vorstellungen und Visionen.
Hinsching ließ das unter Hinweis auf bestimmte Holzschnitte der
Ausstellung deutlich werden, um dann zusammenzufassen: „Durch die
Kombination verschiedenartiger Strukturen in Verbindung mit der
Verwendung von differenzierten künstlerischen Techniken erzeugt
Heinz Scharr so phantastische Bilder, die in seinen Arbeiten stets
Spannung und Ekstase erzeugen.
Aber
es sind nicht nur abstrakte Arbeiten, die in der Ausstellung gezeigt
werden. Die Kunsthistorikerin regte mit ihren Ausführungen auch an:
„Je länger man manchmal hinschaut, desto mehr reale Objekte
erkennt man – Real im wirklichen Sinne oder Real in der Vorstellung
– sowohl des Künstlers, als auch des Betrachters.“ Hinsching
regte die Betrachtung des zweiteiligen Werkes „Moby Dick“ im
Eingangsbereich des Kunsthauses an (Bild v. J.Bergmann): es zeigt auf
den ersten Blick eine abstrakte Darstellung aus schwarzen Flächen
und weißen Linien. Bei näherer Betrachtung erkennt man aber das
Skelett eines Wals, das von einer ganz geraden Linie – wie einer
Lanze – durchbohrt wird. Dieses Werk zeigt, dass Heinz Scharr seine
Inspirationen aus der Natur nicht nur aus der Flora nimmt, auch die
Fauna spielt immer wieder eine Rolle.
Sein
Interesse an der Natur ist immer gleich groß, stellt Hinsching fest,
allerdings in einer sich wandelnden Wahl der bevorzugten Motive:
Während es in den früheren Jahren der ganze Wald war, der ihn zu
inspirieren vermochte, sind es später nur noch einzelne Bäume,
Baumteile oder sogar die Reduktion auf die Struktur des Holzes,
wodurch Strukturen und Details wichtiger werden als der Gegenstand
selbst.
Die
Kunsthistorikerin regte mit ihren Ausführungen schließlich noch
einen Gang ins Obergeschoss des Kunsthauses an, in dem hauptsächlich
schwarz-weiß Holzschnitte zu sehen sind, in denen der Künstler mit
den aus der Natur entlehnten Strukturen und Formen experimentiert.
Eine Serie aus 8 schmalen Holzschnitten sind dort die jüngsten
Arbeiten des Künstlers, entstanden im Jahr 2012. Auf den ersten
Blick wirken sie wie eine „Baumfrottage“, in der der Künstler
den Stamm in einer gewissen Höhe auf das Papier gepaust hat. Sie
zeigen kantige und runde Formen, Verwachsungen und Verwerfungen,
manchmal vertikal dominiert, manchmal horizontal oder diagonal.
Eigentlich
nur folgerichtig stellt Susanne Hinsching die Überlegung in den
Raum, was sich angesichts der ausgestellten Werke an Überlegungen zu
Realismus oder Abstraktion anbietet? „Wieviel Wirklichkeit, wieviel
Natur und wieviel Phantasie stecken in den Arbeiten Heinz Scharrs?
Die
Kunsthistorikerin überlässt es den Betrachter, derartige
Überlegungen tatsächlich anzustellen. Oder es beim Betrachten zu
belassen: Man erkennt beim Anschauen immer neue Dinge. Ist das
Astloch vielleicht ein Auge? Verbirgt sich in dem Liniengeflecht ein
Gesicht?“ Es ist dem Betrachter überlassen, sich darüber Gedanken
zu machen.
Allein
aber ließ die Kunsthistorikerin ihre Zuhörer nicht und resümierte:
„Ziel eines jeden Künstlers ist die Übertragung des Gesehenen und
Erlebten in die eigene Kunst, die eigene künstlerische
Ausdrucksweise. Heinz Scharr gelingt es – ähnlich wie Picasso oder
Miró – das Gesehene so stark zu reduzieren, dass nur die
wesentlichen Dinge, die zur Charakterisierung eines Objektes
notwendig sind, vorhanden bleiben.“ Und schloss mit dem Hinweis: „
Heinz Scharr sucht in seinen Werken stets die Auseinandersetzung mit
den Prozessen des Werden und Vergehens. Sein künstlerisches Anliegen
ist es nicht, Vorhandenes abzubilden, sondern einen veränderlichen
Prozess darzustellen, zum Beispiel den Zerfall. Damit versucht der
Künstler in seinen Werken Bewegung in einem Moment erstarren zu
lassen und festzuhalten und trotzdem den weiteren Verlauf – also
den fortschreitenden Verfall oder das weitere Wachsen – erahnbar zu
machen.“ Soweit Auszüge aus der Laudatio Susanne Hinschings.
Begonnen hatte sie diese mit einem Hinweis auf die voraufgegangene
Ausstellung im Jahr 2009 und einem Zitat von Balzac, das ich hier ans
Ende setze: „Kunst ist konzentrierte Natur“. Heinz Scharr zeigt
es in seinen Werken.
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