Freitag, 24. Januar 2014

Heinz Scharr im Kunsthaus Meyenburg gewürdigt

I
Im Kunsthaus Meyenburg sind seit Sonntag in einer höchst bemerkenswerten Ausstellung Holzschnitte des weit über die Grenzen Thüringens hinaus bekannten Künstlers Heinz Scharr zu sehen. Und weil Susanne Hinsching, Leiterin des Kunsthauses, Kunsthistorikerin und Gastgeberin des gestern stattgefundenen Kammermusikabends, den vielen Gästen in der Konzertpause als besonders gut passendes „Schmankerl“ Scharrs Holzschnitt „Musik“ vorstellte und erläuterte, nutze ich diese günstige Gelegenheit auf meine Weise. Mit einer Rückschau nämlich auf die Vernissage zu dieser Ausstellung am vergangenen Samstag, über die ich ja schon einführend berichtete.

Susanne Hinsching würdigte dort in ihrer Laudatio das Leben des Künstlers und vermittelte den Teilnehmern der Vernissage anhand der ausgestellten, meist großformatigen Holzschnitte einen
tieferen Einblick in das künstlerische Schaffen und die Werke Heinz Scharrs. In denen die Natur als immer wiederkehrendes Thema dominiert. Und vor allem in seinen zahlreichen grafischen Arbeiten – sowohl Holzschnitt als auch Radierung – umgesetzt wird. Die Besonderheit seiner farbigen Holzschnitte – hier teils in Schwarz-Weiß, teils in Farbe – zeigt einerseits die Beherrschung der Technik, die offenbar durch ständiges Experimentieren entstanden ist. Andererseits bildet dieses technische Können die Grundlage für die Umsetzung seiner künstlerischen Vorstellungen und Visionen. Hinsching ließ das unter Hinweis auf bestimmte Holzschnitte der Ausstellung deutlich werden, um dann zusammenzufassen: „Durch die Kombination verschiedenartiger Strukturen in Verbindung mit der Verwendung von differenzierten künstlerischen Techniken erzeugt Heinz Scharr so phantastische Bilder, die in seinen Arbeiten stets Spannung und Ekstase erzeugen.

Aber es sind nicht nur abstrakte Arbeiten, die in der Ausstellung gezeigt werden. Die Kunsthistorikerin regte mit ihren Ausführungen auch an: „Je länger man manchmal hinschaut, desto mehr reale Objekte erkennt man – Real im wirklichen Sinne oder Real in der Vorstellung – sowohl des Künstlers, als auch des Betrachters.“ Hinsching regte die Betrachtung des zweiteiligen Werkes „Moby Dick“ im Eingangsbereich des Kunsthauses an (Bild v. J.Bergmann): es zeigt auf den ersten Blick eine abstrakte Darstellung aus schwarzen Flächen und weißen Linien. Bei näherer Betrachtung erkennt man aber das Skelett eines Wals, das von einer ganz geraden Linie – wie einer Lanze – durchbohrt wird. Dieses Werk zeigt, dass Heinz Scharr seine Inspirationen aus der Natur nicht nur aus der Flora nimmt, auch die Fauna spielt immer wieder eine Rolle.

Sein Interesse an der Natur ist immer gleich groß, stellt Hinsching fest, allerdings in einer sich wandelnden Wahl der bevorzugten Motive: Während es in den früheren Jahren der ganze Wald war, der ihn zu inspirieren vermochte, sind es später nur noch einzelne Bäume, Baumteile oder sogar die Reduktion auf die Struktur des Holzes, wodurch Strukturen und Details wichtiger werden als der Gegenstand selbst.

Die Kunsthistorikerin regte mit ihren Ausführungen schließlich noch einen Gang ins Obergeschoss des Kunsthauses an, in dem hauptsächlich schwarz-weiß Holzschnitte zu sehen sind, in denen der Künstler mit den aus der Natur entlehnten Strukturen und Formen experimentiert. Eine Serie aus 8 schmalen Holzschnitten sind dort die jüngsten Arbeiten des Künstlers, entstanden im Jahr 2012. Auf den ersten Blick wirken sie wie eine „Baumfrottage“, in der der Künstler den Stamm in einer gewissen Höhe auf das Papier gepaust hat. Sie zeigen kantige und runde Formen, Verwachsungen und Verwerfungen, manchmal vertikal dominiert, manchmal horizontal oder diagonal.

Eigentlich nur folgerichtig stellt Susanne Hinsching die Überlegung in den Raum, was sich angesichts der ausgestellten Werke an Überlegungen zu Realismus oder Abstraktion anbietet? „Wieviel Wirklichkeit, wieviel Natur und wieviel Phantasie stecken in den Arbeiten Heinz Scharrs?
Die Kunsthistorikerin überlässt es den Betrachter, derartige Überlegungen tatsächlich anzustellen. Oder es beim Betrachten zu belassen: Man erkennt beim Anschauen immer neue Dinge. Ist das Astloch vielleicht ein Auge? Verbirgt sich in dem Liniengeflecht ein Gesicht?“ Es ist dem Betrachter überlassen, sich darüber Gedanken zu machen.


Allein aber ließ die Kunsthistorikerin ihre Zuhörer nicht und resümierte: „Ziel eines jeden Künstlers ist die Übertragung des Gesehenen und Erlebten in die eigene Kunst, die eigene künstlerische Ausdrucksweise. Heinz Scharr gelingt es – ähnlich wie Picasso oder Miró – das Gesehene so stark zu reduzieren, dass nur die wesentlichen Dinge, die zur Charakterisierung eines Objektes notwendig sind, vorhanden bleiben.“ Und schloss mit dem Hinweis: „ Heinz Scharr sucht in seinen Werken stets die Auseinandersetzung mit den Prozessen des Werden und Vergehens. Sein künstlerisches Anliegen ist es nicht, Vorhandenes abzubilden, sondern einen veränderlichen Prozess darzustellen, zum Beispiel den Zerfall. Damit versucht der Künstler in seinen Werken Bewegung in einem Moment erstarren zu lassen und festzuhalten und trotzdem den weiteren Verlauf – also den fortschreitenden Verfall oder das weitere Wachsen – erahnbar zu machen.“ Soweit Auszüge aus der Laudatio Susanne Hinschings. Begonnen hatte sie diese mit einem Hinweis auf die voraufgegangene Ausstellung im Jahr 2009 und einem Zitat von Balzac, das ich hier ans Ende setze: „Kunst ist konzentrierte Natur“. Heinz Scharr zeigt es in seinen Werken.

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