Sonntag, 12. Januar 2014

Die Wahrheit

oder von den Vorteilen, sie zu verschweigen, und den Nachteilen, sie zu sagen
Für sich genommen ein unerschöpfliches Thema. Nicht weniger aber auch das Geschehen auf der Bühne des Theaters Nordhausen, in der diese Problematik gestern in der Premiere veranschaulicht wurde: das Verhältnis zweier Ehepaare, die es mit der ehelichen Treue nicht wirklich ernst nehmen, sich diese aber versichern und dadurch in ein Gewirr von Wahrheit und Lüge geraten. Zusammengenommen eine Komödie, deren Handlung ebenso amüsierte, wie sie durch ihren Verlauf immer wieder überraschte.

Michel (Matthias Winde) pflegt ein Verhältnis mit Alice (Charlotte Ronas), der Frau seines besten Freundes. Die Szene, die das veranschaulicht, ist freilich wenig von erkennbarer Leidenschaft geprägt, was das Talent Michels als versierten Lügner allerdings umso deutlicher zur Geltung kommen lässt. Der in jeder Situation das für ihn vorteilhafte Verschleierungsregister zieht. Sich dabei aber in dem Bemühen, sein Verhältnis mit Alice gegenüber seiner Frau und seinem Freund zu verschleiern, zunehmend in ein Gespinst von Lügen verstrickt. Sein Credo: „Wenn die Leute
aufhören würden sich zu belügen, gäbe es kein einziges Paar mehr auf Erden. Und das wäre schließlich das Ende der Zivilisation“, lässt ihn diese zunehmende aussichtslose Verstrickung zunächst selbst nicht merken. Und er hat in der Tat allen Grund, die Wahrheit zu meiden, denn sein Verhältnis mit Alice dauert inzwischen immerhin schon sechs Monate. Und sie bekommt zusehends Schuldgefühle, nicht nur Ihrem Mann gegenüber, sondern auch gegenüber Michels Ehefrau Laurence. Das ständige Versteckspielen, die immer neuen Lügen belasten ihr Gewissen und sie will endlich reinen Tisch machen. Michel ist dagegen: "Du belügst ihn nicht, Alice. Du sagst ihn nur nicht die Wahrheit. Es wäre egoistisch, ihm die Wahrheit zu sagen, nur um dein Gewissen zu erleichtern", argumentiert er.
Hat er sie damit überzeugt? Er ist sich nicht so sicher, denn bei einem Treffen erzählt ihm Paul von seinem Verdacht, daß Alice ihn seit Monaten betrügt. Hat sie also doch geplaudert? Als er sie zur Rede stellt, gesteht sie ihm, daß sie Paul tatsächlich ihr Verhältnis mit ihm gestanden hat. Michel ist empört. Eben noch hat er mit Paul gesprochen und obwohl der Bescheid wußte, wurde er schamlos von ihm angelogen, angelogen von seinem besten Freund. Plötzlich sieht er sich in der Rolle des Opfers, denn er muß feststellen, daß auch Alice ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Und wie steht es mit Laurence? Sie wird doch nicht etwa ...? Und prompt wird der Lügner von seinen eigenen Lügen überrollt und weiß in der Folge nicht mehr , wo ihm der Kopf steht. Er, der bis dahin fest davon überzeugt war, sein verzwicktes Liebesleben im Griff zu haben, wird zum Spielball der Anderen und die Wahrheiten, die ihm jetzt um die Ohren fliegen, entziehen dem sonst charmanten betrogenen Betrüger den Boden unter den Füßen.Verzweifelt versucht er, zu retten, was zu retten ist. Und alles mit einer solchen Komik, dass man die tragische Wahrheit, nämlich den Spiegel der Gesellschaft, der einem da vorgehalten wird, nur allzu leicht vergisst.

Die darstellenden Schauspieler des Theaters Rudolstadt unter der Regie Maik Priebes wurden ihren Rollen bestens gerecht. Matthias Winde als Michel gefiel mir als versierter Lügner besonders gut, während sein „bester Freund“ Paul (Johannes Arpe) zwar auch gut gefallen konnte, beide aber der Vorstellung als Lover oder Ehebrecher meines Erachtens weniger überzeugten. Die betrogenen und betrügenden Ehefrauen Alice und Laurence wurden ihren Rollen ebenfalls vollauf gerecht, und der teils stürmische und lang anhaltende Beifall am Ende der Aufführung belohnte die guten Leistungen. Bleibt schließlich noch zu bemerken, dass die Bühnenausstattung für die sieben Szenen eher nüchtern, sachlich und für einem one-niht-stand angemessen wirkte.


Die nächsten Vorstellungen: 19.01., 18.00 Uhr, 07.02., 19.30 Uhr, 09.02.., 14.30 Uhr, Theater Nordhausen

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