Donnerstag, 16. Januar 2014

Bemerkenswerte Ansprache des Oberbürgermeisters

Im Audimax der Fachhochschule Nordhausen fand heute der Neujahrsempfang der Stadt und der Fachhochschule Nordhausen statt. Obwohl eingeladen, verzichtete ich wegen fortgeschrittenen Alters auf eine Teilnahme an dem Stehempfang und halte hier stattdessen den Wortlaut der Ansprache des Nordhäuser Oberbürgermeisters Dr. Klaus Zeh fest, die ich für außerordentlich bemerkenswert halte:

Sehr geehrter Herr Präsident der FHN, der „Noch-FHN“ muss man wohl eher sagen, denn die jüngst veröffentlichten Pläne zur Umbenennung der „Fachhochschule“ in „Hochschule“ ließen aufhorchen! Das wird sicher nicht nur eine Neu-Etikettierung, sondern der Anspruch an die Ausbildungseinrichtung wird größer! Wir wollen Sie auf diesem Weg mit unseren Möglichkeiten gern unterstützen.
Sehr geehrte Mitglieder der Parlamente, des Bundes- und des Thüringer Landtages! Ich grüße auch die, die auf der Grünen Woche in Berlin sind und sich für heute entschuldigt haben, Frau Groß und Herr Primas. Sie vertreten dort einen wichtigen Thüringer Berufsstand!
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Klaan,
sehr geehrte Frau Landrätin Keller, liebe Bürgermeister der Nachbargemeinden und Ortsteilbürgermeister der Stadt! Ich begrüße auch meine Vorgänger im Amt, Frau Rinke und Herrn Dr. Schröter!
Sehr geehrte Frau Haase, sehr geehrter Herr Jendricke, sehr geehrte Amtsleiter und Kollegen und Kolleginnen der Stadtverwaltung!

Ich begrüße besonders herzlich die Mitglieder des Nordhäuser Stadtrates. Sie hatten in letzter Zeit wahrlich viel auszuhalten und öffentliche Kritik einzustecken. Kritik „an sich“ ist nichts Ehrenrühriges und man hält ja auch eine ganze Portion davon aus. Ich ermuntere ausdrücklich zur kritischen Begleitung unserer Arbeit. Was mich aber stört, ist die Häme mit der sie manchmal vorgetragen wird.

Sehr geehrte Stadtratsmitglieder: Sie leisten sehr viel und Sie leisten enormes für diese Stadt! Und das in Ihrer Freizeit! Ohne Ihr Mittun würde sich diese Stadt nicht so positiv verändert haben. Dafür will ich Ihnen ausdrücklich von dieser Stelle aus danken.
Ich begrüße ganz besonders auch Mitglieder des Kreistages. Ich denke, dass gewachsene Verständnis dafür, dass unsere Probleme gemeinsamen Probleme sind, hat uns im letzten Jahr näher gebracht. Es gab auch unterschiedliche Auffassungen zu einzelnen Problemen. Das will ich nicht verwischen. Es wird auch in Zukunft so sein. Dennoch sind wir auf dem Weg zu einem konstruktiven Miteinander gewachsen. Ich bedanke mich besonders bei Frau Landrätin Keller und Ihren Beigeordneten, Frau Krauth und Herrn Nüßle, die dieses gemeinsame Anliegen immer auch zu Ihrem persönlichen machen.
Ich begrüße die Direktoren bzw. Vertreter unserer Gerichte, des Amtsgerichtes, des Sozialgerichtes und des Arbeitsgerichtes. Sie tragen wesentlich zum Rechtsfrieden in dieser Stadt und dieser Region bei und sind ein fester Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens. Sie bereichern damit diese Stadt. Wir schätzen Ihre heutige Teilnahme am Neujahrsempfang als Vertreter der „Judikative“ sehr.


Ich begrüße die Geschäftsführer der Stadtwerkegruppe und anderer Unternehmen, an denen Nordhausen beteiligt ist. Derzeit sind schwierige Themen zu bewältigen. Ich nenne nur die Stichworte ‚Beteiligungsrichtlinie‘ und ‚Haushaltskonsolidierung‘ und hoffe auf Ihr Verständnis. Ich bitte Sie weiter um konstruktiv-kritische Begleitung unserer Maßnahmen.

Ich begrüße herzlich die Vertreter vieler gesellschaftlicher Gruppen, Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Vereine, ohne die unser Leben nicht vorstellbar wäre.

Ich begrüße auch ganz herzlich die Vertreter der Medien.

Liebe Nordhäuserinnen und Nordhäuser, liebe Gäste!

Ich wünsche Ihnen allen alles Gute für das neue Jahr 2014. Möge das vor uns liegende Jahr ein vor allem friedliches, ein für uns alle gesundes und für diese Stadt und unsere Region ein gedeihliches sein. Wir dürfen nie aus den Augen verlieren, für wen wir unsere Arbeit tun, nämlich für die Menschen dieser Stadt und dieser Region. Diese dürfen zu recht von uns erwarten, dass wir uns um Ihre Belange kümmern.
Neujahrsempfänge sollten zu dieser Selbstvergewisserung beitragen. Deshalb bin ich sehr froh, dass so viele Interessierte zu unserem Neujahrsempfang heute gekommen sind. So viel Selbstvergewisserung, das stimmt optimistisch.
Es gehört zu den guten Ritualen von Neujahrsempfängen, Optimismus auszustrahlen. Deshalb habe ich nach positiven Schlagzeilen gesucht. Es gibt sie auch, neben den nach wie vor betrüblichen Nachrichten aus Syrien und dem Irak und dass der NSA Computer dank sogenannter Funkwanzen auch offline ausspionieren kann

  • Weltbank-Prognose: Weltwirtschaft wieder im Aufwind
  • EU-Parlament dämmt Finanzspekulationen ein,
  • Staatskasse 2013 mit einer „roten Null“ - Bund, Länder, Kommunen und Sozialkassen decken mit Ihren Einnahmen fast vollständig ihre Ausgaben und machen kaum noch neue Schulden,

Das sind auch positive Nachrichten für Nordhausen: Eine Wirtschaft im Aufwind lässt für unser Industriegebiet vor den Toren Nordhausens hoffen. Mit der Eindämmung der Finanzspekulationen sind auch die sogenannten Kleinanleger in Nordhausen besser geschützt und mit einem Schluss der Schuldenpolitik hinterlassen wir unseren Kindern und Kindeskinder nicht mehr unsere Wohlstandslasten.
Es gibt auch positive Nachrichten direkt aus unserer Stadt und Region!

Für mich die wichtigste: Es sind in 2013 mit 315 Babys 35 neue Nordhäuser mehr zur Welt gekommen, als im Jahre 2012. Das sind gute 11 % mehr! Auch wenn ich nicht unmittelbar an dieser positiven Statistik beteiligt bin, es zeigt doch: Junge Leute haben Mut für Kinder. Nordhausen ist familienfreundlich und bietet offenbar in den Augen junger Leute eine gute Zukunft.

Das bürgerschaftliche Engagement wird stärker. Die Zahl der Bürgerinitiativen und auch die Bürgeranfragen im Stadtrat sind 2012/13 tendenziell gestiegen. Das zeigt das gewachsene Interesse der Bürger für das, was in dieser Stadt geschieht. Wenn es mir als Oberbürgermeister auch nicht jede Bürgerinitiative leicht macht, so sehe ich darin dennoch eine positive Entwicklung.

Für eine Bürgerinitiative bin ich besonders dankbar. Es sind die Damen und Herren vom Lions-Club. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich Damen und Herren, obwohl formal gesehen der Lions-Club ein Herrenclub ist. Aber wir Herren wissen ja, wir sind nur stark, weil die Frauen, die hinter uns stehen, stark sind! Ihr Engagement für den Rosengarten ist vorbildlich. Ich wünsche Ihnen heute eine volle Spendenbox für einen unserer schönsten Gärten, der hoffentlich bald wieder in alter Pracht erstrahlt.

Ebenso geschieht Vorbildliches in der Bürgerstiftung Park Hohenrode. Ich bedanke mich ganz herzlich für jedes bürgerschaftliche Engagement in unserer Stadt.


Eine weitere Nachricht hat mich beeindruckt: Es gab noch nie so viele Baukräne in Nordhausen, wie im Jahre 2013. Das lag sicher auch daran, dass der Bau des neuen Einkaufszentrums zeitweise 4 Kräne gleichzeitig in Betrieb hatte. Auch bei Helmut Peter drehten sich mehrere Kräne. Aber, und das freut mich besonders, auch in der Altstadt bewegten sich einige Kräne.

Unser Bauordnungsamt zählte im zurückliegenden Jahr insgesamt 240 Bauanträge. Ein Großteil davon bezog sich auf Neuinvestitionen bzw. Erweiterungen von Unternehmen. Als Beispiel für alle die engagierten Unternehmer seien hier die Firmen Feuer Powertrain und GSM genannt. Weitere Anträge sind schon jetzt für das aktuelle Jahr angemeldet.

Welches sind die vor uns stehenden Aufgaben?
Ich stelle sie unter die Überschrift:
Nordhausen stark machen und fit für die Zukunft“.
Dazu gehören u.a.

  • die finanzielle Konsolidierung,
  • die weitere Entwicklung der wirtschaftlichen Basis und
  • die Beibehaltung der Wohn- und Lebensqualität in unserer schönen Stadt.

Wir konnten in 2013 die 40 Mio. € Schulden auf ca. 37 Mio. € senken. Das ist ein Anfang! Da die Einnahmen auch in diesem Jahr weiter zurückgehen, werden wir den Weg der Konsolidierung nicht verlassen können. Wegen dieser Haushaltsrisiken muss ich auch in diesem Jahr wieder eine Haushaltssperre erlassen. Dabei werden sensible Bereiche wie im Vorjahr von der Haushaltssperre ausgespart bleiben.

Zur Entwicklung der wirtschaftlichen Basis gehört, dass das Industriegebiet noch in diesem Herbst soweit erschlossen ist, dass wir es Investoren anbieten können. Wenn wir in der Welt einen Aufschwung der Wirtschaft haben, dann müssen wir bereit stehen.

Ich bin den Stadträten ausdrücklich dankbar, dass wir im letzten Jahr dem „süßen Gift“ der Steuererhöhung widerstanden haben. Wir haben bereits hohe Steuern und wir müssen uns im Wettbewerb nicht gegen Erfurt oder Jena behaupten, welche noch höhere Steuern haben. Wir müssen uns neben unseren Nachbarn in Sachsen-Anhalt und im Eichsfeld mit zum Teil niedrigeren Steuern etablieren. Niedrigere Steuern sind wichtig, sowohl für die Bestandswirtschaft als auch für Neuansiedlungen.

Wir wollen in diesem Jahr in der Altstadt einen großen Schritt vorankommen. Ich bin optimistisch, dass dies gelingt. Es wird ein Jahr der Altstadt werden. Mir hat ein Investor erst kürzlich gesagt: „Man kann die Aufbruchstimmung in der Altstadt fühlen, als hätte jemand die Bremse gelöst. Wer hier zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ So viel Optimismus, wie von diesem Investor ausging, kann ich nun wirklich auch nicht mehr ‚toppen‘.
Die Planungen laufen an vielen Stellen der Altstadt auf Hochtouren.

Es hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich im Anschluss an die beiden Altstadtkonferenzen spontan gegründet hat. Diese hat bereits sehr konkrete Vorschläge zur Belebung der Altstadt vorgelegt. Vielen Dank dafür.

Ich will noch eine Überschrift aus dem letzten Jahr heraus greifen, die mich betroffen gemacht hat. Es war die Schlagzeile zur Namensvergabe des Bürgerhauses. Zitat: „Hier wurde die Demokratie mit Füßen getreten.“ Ich sage ausdrücklich: „Nein, hier wurde Demokratie nicht mit Füßen getreten.“ Die Namensvergabe kam demokratisch zustande! Nämlich mit 31 Stimmen von 35 bei nur einer Gegenstimme und drei Enthaltungen.
Das war eine klare parteiübergreifende Mehrheit von 88,6 % der Stimmen für den Namen Bürgerhaus und nur 2,85 % gegen den Namen! Jeder einzelne Stadtrat repräsentiert eine große Zahl von Wählern und auch Parteimitgliedern, die ihm das Mandat gegeben haben. Genau das entspricht unserer repräsentativen Demokratie. Das schließt direktdemokratische Elemente nicht aus. Deshalb finde ich es gut, wenn sich Bürger engagieren, wenn sie sich auch Gehör verschaffen und für ihre Interessen streiten. Das gehört zur Demokratie aber auch der Respekt vor Mehrheitsentscheidungen. Eine gute, bürgernähere Interessenvertretung durch Bürgerinitiativen auf der einen Seite und eine schlechte bürgerabgewandte Interessenvertretung der Stadträte auf der anderen Seite, so scheint es bei manchen Meinungsäußerungen, das gibt es nicht. Ich attestiere den Stadträten, dass jeder nur die beste Bürgervertretung im Blick hat und auch umsetzt.
Nun fragen sich sicher manche, warum ich hier eine Lehrstunde in Sachen Demokratie abhalte. Nun:
Einerseits will ich mich natürlich vor meine Stadträte stellen. Andererseits: Wir haben 2014 wieder ein Superwahljahr: Kommunal-, Europa- und Landtagswahl. Es werden daher wieder Kandidaten für die Gemeinde- und Kreisräte benötigt. Aber leider registriere ich mittlerweile nicht nur eine Politikverdrossenheit gegen Politiker. Es gibt auch eine Verdrossenheit der Politiker, sich in der Politik engagieren zu wollen. Wenn man sich ehrenamtlich engagiert und sich dafür beschimpfen lassen muss, dann verliert man naturgemäß die Lust am Engagement. Ich möchte alle Bürger ausdrücklich dazu ermuntern, dass sie sich nicht beirren und sich wieder in den Kommunallisten aufstellen lassen. Es ist eine schöne und verantwortungsvolle Aufgabe. Ohne dieses Engagement könnten wir im wahrsten Sinn des Wortes auch in Zukunft keinen Staat machen.

Meine Damen und Herren, dieses Jahr ist auch wieder ein Jahr der runden Jubiläen: 100 Jahre Beginn des 1. Weltkrieges, 75 Jahre Beginn des 2. Weltkrieges und 25 Jahre friedliche Revolution in Ostdeutschland. Das wird Gelegenheit geben, zu gedenken, aber auch, sich zu freuen über die erste friedliche und auch noch gelungene Revolution der Deutschen.

Es gäbe noch viele Themen anzusprechen. Allein die Zeit ist zu knapp, alle zu erwähnen. Deshalb habe ich Schwerpunkte ausgewählt.
Die Aufgaben, die insgesamt vor uns liegen, sind vielfältig. Wir brauchen Ihr Mittun, Ihre Ideen und Ihre Visionen. Engagieren Sie sich, in der Kommunalpolitik!

In Anlehnung an ein Bernhard-Vogel-Zitat und meine letztjährige Rede sage ich: „Die schönste Zeit in Nordhausen liegt noch vor uns!“


Vielen Dank! (20.46 Uhr)

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