Donnerstag, 9. Januar 2014

Großes Spektakel um schwulen Fußballspieler

So recht kann ich das Spektakel, das man um die Selbstoffenbarung des Thomas Hitzlsperger um seine homosexuelle Veranlagung macht, nicht verstehen. Und ich kann vor allen nicht verstehen, warum zum Beispiel die „Frankfurter Allgemeine“ zu ihrem Bericht „Homosexualität in Deutschland“ zur Illustration das Bild eines Polizeieinsatzes bei einer Demonstration für Homosexuellen-Rechte im vergangenen Juni im russischen St.Petersburg präsentiert? Ich halte die FAZ für eine der besten Tageszeitungen in Deutschland, nur passt diese Kombination überhaupt nicht dazu und wirkt auf mich einfach reißerisch.

Und nun hat sich also ein Fußballspieler als homosexuell geoutet und erntet dafür viel Achtung und Anerkennung. Warum eigentlich? Weil Fußball ein harter Männersport ist, heißt es. Das hielt man auch mal Frauen als Argument entgegen, als die vor Jahren begannen, in diese einstige Männerdomäne einzubrechen.

Um nicht missverstanden zu werden: ich habe rein gar nichts gegen schwule Männer. Und ich denke, über meine Begegnungen und Erfahrungen mit ihnen könnte ich ein Buch schreiben. Erweitert sogar auf Fälle der Verfolgung und Behandlung Homosexueller in Zeiten, in denen der Paragraph 175 STGB noch Gültigkeit hatte. Ich habe nur keine gefühlsmäßige Beziehung zu einer solchen Veranlagung und wünsche mir noch immer eine plausible Erklärung der Tatsache, dass Homosexuelle über Jahrhunderte verfolgt und geächtet wurden. Und auch vielfach heute noch in Deutschland die gesellschaftliche Akzeptanz versagt oder doch nur widerwillig zugestanden wird.
In den oben erwähnten FAZ-Bericht heißt es zum Beispiel (Auszug): „Wenn Homosexualität in Deutschland so selbstverständlich akzeptiert wäre, wie es nun in den Medien landauf, landab behauptet wird, warum wird dann überall mit Riesen-Schlagzeilen über die Erklärung Thomas Hitzlspergers berichtet? Diese Frage stellte, nicht zu Unrecht, heute morgen die frühere Bundesliga-Fußballspielerin und Sportwissenschaftlerin Tanja Walther-Ahrens im hessischen Rundfunk.“ (Ende des Auszugs). Dazu bleibt mir zu bemerken, dass die Medien über jedes Coming out eines bemerkenswerten Zeitgenossen berichten, von sich aus aber bisher jeden eigenen glaubhaften Versuch unterließen, Homosexualität als etwas Normales in die Gesellschaft zu tragen oder gar medial eine Kultur der Homosexualität zu begründen. Man braucht doch wohl Love-Paraden und Coming outs, um darüber spektakulär und reißerisch berichten zu können (das bringt allemal Quoten). Und ignoriert, dass gerade diese Spektakel in der Öffentlichkeit vielfach dazu beitragen, in Homosexuellen gesellschaftliche Exoten zu sehen, über die man sich mokieren kann. Würde man ernstlich bemüht sein, Homosexualität in der Gesellschaft ankommen zu lassen, müsste man auch entsprechend verfahren und argumentieren. Ich kenne keinen Song, keine Werbung die von Homosexuellen bestimmt oder dominiert wird. Und auch keinen ernstlichen medialen Versuch oder Ansatz, Homosexualität zur Grundlage und/oder kontinuierlichen Aufbau einer gesellschaftlichen Homoszenerie zu machen. Warum eigentlich nicht? Ich kann zwar persönlich gern darauf verzichten, nur soll man dann nicht so tun, als wäre Homosexualität bereits in der Gesellschaft in Deutschland angekommen.

Wenn andererseits Thomas Hitzlsperger von sich sagt, Homophobie habe mit ihm einen neuen Gegner, halte ich auch das für populistisch: er wird hier kaum einen Kontrahenten finden, der sich ihm wirklich mit Argumenten stellt. So, wie auch er kaum Argumente haben dürfte, die wirklich überzeugend sind. Es ist halt so, wie es ist. Und jeder macht daraus, was er für nützlich hält.

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