Donnerstag, 8. Mai 2014

Erika Schirmer als Ehrenbürgerin gewürdigt

Am 4. Dezember 2013 verlieh der Nordhäuser Stadtrat seiner Bürgerin Erika Schirmer durch einstimmigen Beschluss die Ehrenbürgerschaft. Diese außerordentliche Ehrung fand gestern in der Flohburg – dem Nordhausen-Museum – in einer feierlichen Veranstaltung durch Überreichung der Ehrenbürger-Urkunde und Eintrag ins Buch der Nordhäuser Ehrenbürger
nachdrücklichen öffentlichen Ausdruck. Damit wurde das kultur- und künstlerische Schaffen der Geehrten in Literatur, Dichtung und gestaltender Kunst und die dabei zum Ausdruck gebrachte Verbundenheit zur Stadt Nordhausen und dem Südharz mit der höchsten Auszeichnung gewürdigt, die die Stadt Nordhausen zu vergeben hat.

Es wäre freilich zu eng gefasst, würde man etwa das literarische und dichterische Schaffen dieser ausgesprochen natürlich wirkenden Seniorin Erika Schirmers auf Nordhausen und den Südharz beschränken. Die Geehrte ist in Polnisch-Nettkow (Schlesien) geboren, von wo sie durch die Aus- und Nachwirkungen des 2. Weltkriegs 1945 in die damalige sowjetisch besetzte Zone Deutschlands kam. Als 88jähriger Mensch hat sie also noch recht gute Erinnerungen an ihre frühere Heimat mitgenommen, die sie auch nie vergessen hat. Was in vielen ihrer Geschichten und Publikationen Ausdruck findet. Und deshalb wird
sie nun auch – wie gerade gestern Nordhausens Oberbürgermeister Klaus Zeh wissen ließ - in ihrer ursprünglichen Heimat mit der Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet.

Die gestrige Festveranstaltung war dem Anlass angemessen und begann in Gegenwart von Landrätin Birgit Keller nach der Begrüßung der Gäste durch Oberbürgermeister Klaus Zeh mit einem musikalischem Ouvre des Kinderchores der Bertolt-Brecht-Schule. Dass sie das Geschehen mit dem Lied „Kleine weiße Friedenstaube“ einleiteten, war nur zu verständlich, schließlich hatte es Erika Schirmer in jungen Jahren (1948) komponiert und dürfte damit einstens und vor allem ihre Bekanntheit begründet haben. Seitdem wurde es – so Dr. Zeh, der den Festakt moderierte – von unzähligen Kinderchören in aller Welt und in allen Sprachen übersetzt und gesungen.

Mit einer außerordentlich niveau- und gehaltvollen Laudatio schloss sich Friedhelm Schulz, offenbar ein Altersfreund (angenähert) der Geehrten dem gesanglichen Vortrag der Kinder an und griff auch gleich das zuvor gesungene Lied auf, um bedauernd anzumerken, dass Erika Schirmer damit in der DDR selbst kaum Beachtung fand: „Der Zeitschrift „Die Kindergärtnerin“ war das Lied damals gerade mal 8 Mark wert“ führte Schulz dazu aus, um anzufügen, dass sich die Komponistin damit schon damals zu ihrer Friedensliebe bekannte.
Nachdem sie das Leid und die Schrecken des Krieges noch selbst miterlebte, bevor sie im Januar 1945 aus Schlesisch-Nettkow, ihrer Heimat, wie auch der Laudator selbst und fast alle anderen Einwohner des Ortes evakuiert wurde. „Für Dich, liebe Erika, endete diese Odyssee im Eichsfeld. „In dem kleinen Ort Bernterode bekamst Du eine Anstellung als Kindergärtnerin“, erläuterte Schulz. 1948, nach bestandener Examensprüfung wurde ihr die Leitung des Kindergartens in Salza übertragen, wo ihr der Student Joachim Schirmer begegnete. Nach gemeinsamen Pädagogikstudium wurde aus Erika Mertke alsbald Erika Schirmer. Und mit der Geburt des Töchterchens Barbara war das Familienglück perfekt.

Der Laudator beschrieb ihren weiteren Weg recht ausführlich, auf dem ihr 1972 die Leitung einer Einrichtung für die Betreuung körperlich und geistig
Behinderter übertragen wurde. Eine Aufgabe, die sie mit Klugheit, mit Beharrlichkeit und mit viel Optimismus bewältigte. Eigenschaften, die bis heute zu ihren Mentalität gehören, wie Schulz beteuerte. Damals erschien von ihr als Autorin das einzige Lehrbuch für Pädagogen in der DDR, die mit behinderten Kindern arbeiteten. Es folgten arbeitsreiche, aber erfolgreiche Jahre, bis sie vom Tod ihres Ehemannes tief getroffen wurde. Das Rezept, mit Arbeit die Trauer zu bewältigen, war ihr hilfreich. Dazu gehörte fortan vermehrt die Lust zu Komponieren und die Liebe
zur Kunst des Scherenschneidens. Mit ihren Gedichten outete sie sich auch als politische Dichterin. Nicht etwa parteipolitisch, sondern wie schon mit der kleinen weißen Friedenstaube, zu der sie durch das Symbol dieser Taube angeregt worden war, das Pablo Picasso im gleichen Jahr als Plakat zur Pariser Weltfriedenskonferenz entworfen hatte, und das ein Einzelhändler im zerstörten Nordhausen auf ein notdürftig vernageltes Schaufenster geklebt hatte, macht sie mit ihren Versen Ereignisse unserer Zeit zum Inhalt ihrer geistvollen Gedichte. „Das geht aus Deinen Reimen über Nordhausen hervor, wie auch aus den Gedichten nachzulesen
ist, die seit mehr als zwanzig Jahren unter Deinem Pseudonym „Harzer Fingerhut“ in der Nordhäuser Lokalzeitung Woche für Woche veröffentlicht werden“, führte Schulz aus und stellte fest, dass das bisher insgesamt mehr als 1050 wunderschöne Gedichte sind. In denen es ihr gelingt, das scheinbar Unbedeutende auf die Ebene von Bedeutsamkeit zu heben. Offenkundig wird ihr politisches Denken besonders auch durch ihren umfangreichen Brief eines naiven Menschen an einen berühmten Dichter, wie sie ihre Post an Heinrich Heine tituliert, von 1986 bis 2007, in der viele Vergleiche zur heutigen Zeit gezogen oder offenkundig werden, die zur Nachdenklichkeit anregen. Grundlagen für ihr dichterisches Talent und für das Scherenschneiden erwarb sich Schirmer nach Meinung des Laudators während ihres Pädagogik- und Kunsterziehungs-Studiums, „doch die fruchtbare Phantasie in Deinem gesamten künstlerischen Schaffen, liebe Erika, ist mehr als nur gesunder Menschenverstand. Mir erscheint Deine Phantasie unglaublich und grenzenlos“, führte Schulz aus. Um darüber hinaus auch ihren humorvollen und zuweilen schnurrigen Witz in ihren Limmericks und vielerlei Geschichten und nicht in zuletzt in den zahlreichen Scherenschnitten zu bewundern, der offensichtlich Teil ihres Lebensinhaltes ist. Mit dem sie auch anderen Menschen Unterhaltung und Lebensfreude schenkt. „Und das in Deiner ausgeprägten Bescheidenheit. Du zeigst, dass es nicht auf die Fassade ankommt, sondern auf die Schätze im Inneren. Mehr sein als scheinen, Erika, das bist Du.“


Mit diesem Auszug aus der Laudatio Friedhelm Schulzes, mit dem Leben und Wirken der neuen Nordhäuser Ehrenbürgerin umrissen wurde, darf und soll es hier genügen. An seine Würdigung schloss sich Anja Daniela Wagner (Mezzosopran) mit Zarah Leanders Lied „Ich bin von Kopf bis Fuß, auf Liebe eingestellt“ an(am Keyboard begleitet von Chordirektorin Elena Pierini, beide vom Theater Nordhausen). Ihnen folgte der Chor des Begegnungszentrums Nord unter Leitung von Elisabeth Szesny mit einer weiteren gesanglich vorgetragenen Würdigung der Geehrten. Wonach dann – wie schon oben bemerkt - die eigentliche Besiegelung der Ehrenbürgerschaft mit Übergabe der Urkunde, Eintrag ins Buch der Ehrenbürger der Stadt Nordhausen, Danksagung der Geehrten und viele, viele Gratulationen von Freunden und Bekannten vollzogen wurde. Damit endete der festliche Teil der Veranstaltung, dem kurz danach die Eröffnung einer Schirmer-Ausstellung mit zahlreichen Scherenschnitten der Künstlerin in den oberen Räumen des Museums folgte. Darüber mehr in einem noch folgenden Eintrag.

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