Am 4. Dezember 2013 verlieh der
Nordhäuser Stadtrat seiner Bürgerin Erika Schirmer durch
einstimmigen Beschluss die Ehrenbürgerschaft. Diese außerordentliche
Ehrung fand gestern in der Flohburg – dem Nordhausen-Museum – in
einer feierlichen Veranstaltung durch Überreichung der
Ehrenbürger-Urkunde und Eintrag ins Buch der Nordhäuser Ehrenbürger
nachdrücklichen öffentlichen Ausdruck. Damit wurde das kultur- und
künstlerische Schaffen der Geehrten in Literatur, Dichtung und
gestaltender Kunst und die dabei zum Ausdruck gebrachte
Verbundenheit zur Stadt Nordhausen und dem Südharz mit der höchsten
Auszeichnung gewürdigt, die die Stadt Nordhausen zu vergeben hat.
Es wäre freilich zu eng gefasst, würde
man etwa das literarische und dichterische Schaffen dieser
ausgesprochen natürlich wirkenden Seniorin Erika Schirmers auf
Nordhausen und den Südharz beschränken. Die Geehrte ist in
Polnisch-Nettkow (Schlesien) geboren, von wo sie durch die Aus- und
Nachwirkungen des 2. Weltkriegs 1945 in die damalige sowjetisch
besetzte Zone Deutschlands kam. Als 88jähriger Mensch hat sie also
noch recht gute Erinnerungen an ihre frühere Heimat mitgenommen, die
sie auch nie vergessen hat. Was in vielen ihrer Geschichten und
Publikationen Ausdruck findet. Und deshalb wird
sie nun auch – wie
gerade gestern Nordhausens Oberbürgermeister Klaus Zeh wissen ließ
- in ihrer ursprünglichen Heimat mit der Ehrenbürgerschaft
ausgezeichnet.
Die gestrige Festveranstaltung war dem
Anlass angemessen und begann in Gegenwart von Landrätin Birgit
Keller nach der Begrüßung der Gäste durch Oberbürgermeister Klaus
Zeh mit einem musikalischem Ouvre des Kinderchores der
Bertolt-Brecht-Schule. Dass sie das Geschehen mit dem Lied „Kleine
weiße Friedenstaube“ einleiteten, war nur zu verständlich,
schließlich hatte es Erika Schirmer in jungen Jahren (1948)
komponiert und dürfte damit einstens und vor allem ihre Bekanntheit
begründet haben. Seitdem wurde es – so Dr. Zeh, der den Festakt
moderierte – von unzähligen Kinderchören in aller Welt und in
allen Sprachen übersetzt und gesungen.
Mit einer außerordentlich niveau- und
gehaltvollen Laudatio schloss sich Friedhelm Schulz, offenbar ein
Altersfreund (angenähert) der Geehrten dem gesanglichen Vortrag der
Kinder an und griff auch gleich das zuvor gesungene Lied auf, um
bedauernd anzumerken, dass Erika Schirmer damit in der DDR selbst
kaum Beachtung fand: „Der Zeitschrift „Die Kindergärtnerin“
war das Lied damals gerade mal 8 Mark wert“ führte Schulz dazu
aus, um anzufügen, dass sich die Komponistin damit schon damals zu
ihrer Friedensliebe bekannte.
Nachdem sie das Leid und die Schrecken
des Krieges noch selbst miterlebte, bevor sie im Januar 1945 aus
Schlesisch-Nettkow, ihrer Heimat, wie auch der Laudator selbst und
fast alle anderen Einwohner des Ortes evakuiert wurde. „Für Dich,
liebe Erika, endete diese Odyssee im Eichsfeld. „In dem kleinen Ort
Bernterode bekamst Du eine Anstellung als Kindergärtnerin“,
erläuterte Schulz. 1948, nach bestandener Examensprüfung wurde ihr
die Leitung des Kindergartens in Salza übertragen, wo ihr der
Student Joachim Schirmer begegnete. Nach gemeinsamen Pädagogikstudium
wurde aus Erika Mertke alsbald Erika Schirmer. Und mit der Geburt
des Töchterchens Barbara war das Familienglück perfekt.
Der Laudator beschrieb ihren weiteren
Weg recht ausführlich, auf dem ihr 1972 die Leitung einer
Einrichtung für die Betreuung körperlich und geistig
Behinderter
übertragen wurde. Eine Aufgabe, die sie mit Klugheit, mit
Beharrlichkeit und mit viel Optimismus bewältigte. Eigenschaften,
die bis heute zu ihren Mentalität gehören, wie Schulz beteuerte.
Damals erschien von ihr als Autorin das einzige Lehrbuch für
Pädagogen in der DDR, die mit behinderten Kindern arbeiteten. Es
folgten arbeitsreiche, aber erfolgreiche Jahre, bis sie vom Tod ihres
Ehemannes tief getroffen wurde. Das Rezept, mit Arbeit die Trauer zu
bewältigen, war ihr hilfreich. Dazu gehörte fortan vermehrt die
Lust zu Komponieren und die Liebe zur Kunst des Scherenschneidens. Mit ihren Gedichten outete sie sich auch als politische Dichterin. Nicht etwa parteipolitisch, sondern wie schon mit der kleinen weißen Friedenstaube, zu der sie durch das Symbol dieser Taube angeregt worden war, das Pablo Picasso im gleichen Jahr als Plakat zur Pariser Weltfriedenskonferenz entworfen hatte, und das ein Einzelhändler im zerstörten Nordhausen auf ein notdürftig vernageltes Schaufenster geklebt hatte, macht sie mit ihren Versen Ereignisse unserer Zeit zum Inhalt ihrer geistvollen Gedichte. „Das geht aus Deinen Reimen über Nordhausen hervor, wie auch aus den Gedichten nachzulesen
ist, die seit mehr als zwanzig Jahren unter Deinem Pseudonym „Harzer Fingerhut“ in der Nordhäuser Lokalzeitung Woche für Woche veröffentlicht werden“, führte Schulz aus und stellte fest, dass das bisher insgesamt mehr als 1050 wunderschöne Gedichte sind. In denen es ihr gelingt, das scheinbar Unbedeutende auf die Ebene von Bedeutsamkeit zu heben. Offenkundig wird ihr politisches Denken besonders auch durch ihren umfangreichen Brief eines naiven Menschen an einen berühmten Dichter, wie sie ihre Post an Heinrich Heine tituliert, von 1986 bis 2007, in der viele Vergleiche zur heutigen Zeit gezogen oder offenkundig werden, die zur Nachdenklichkeit anregen. Grundlagen für ihr dichterisches Talent und für das Scherenschneiden erwarb sich Schirmer nach Meinung des Laudators während ihres Pädagogik- und Kunsterziehungs-Studiums, „doch die fruchtbare Phantasie in Deinem gesamten künstlerischen Schaffen, liebe Erika, ist mehr als nur gesunder Menschenverstand. Mir erscheint Deine Phantasie unglaublich und grenzenlos“, führte Schulz aus. Um darüber hinaus auch ihren humorvollen und zuweilen schnurrigen Witz in ihren Limmericks und vielerlei Geschichten und nicht in zuletzt in den zahlreichen Scherenschnitten zu bewundern, der offensichtlich Teil ihres Lebensinhaltes ist. Mit dem sie auch anderen Menschen Unterhaltung und Lebensfreude schenkt. „Und das in Deiner ausgeprägten Bescheidenheit. Du zeigst, dass es nicht auf die Fassade ankommt, sondern auf die Schätze im Inneren. Mehr sein als scheinen, Erika, das bist Du.“
Mit diesem Auszug aus der Laudatio
Friedhelm Schulzes, mit dem Leben und Wirken der neuen Nordhäuser
Ehrenbürgerin umrissen wurde, darf und soll es hier genügen. An
seine Würdigung
schloss sich Anja
Daniela Wagner (Mezzosopran) mit Zarah Leanders Lied „Ich bin von
Kopf bis Fuß, auf Liebe eingestellt“ an(am Keyboard begleitet von
Chordirektorin Elena Pierini, beide vom Theater Nordhausen). Ihnen
folgte der Chor des Begegnungszentrums Nord unter Leitung von
Elisabeth Szesny mit einer weiteren gesanglich vorgetragenen
Würdigung der Geehrten. Wonach dann – wie schon oben bemerkt - die
eigentliche Besiegelung der Ehrenbürgerschaft mit Übergabe der
Urkunde, Eintrag ins Buch der Ehrenbürger der Stadt Nordhausen,
Danksagung der Geehrten und viele, viele Gratulationen von Freunden
und Bekannten vollzogen wurde. Damit endete der festliche Teil der
Veranstaltung, dem kurz danach die Eröffnung einer
Schirmer-Ausstellung mit zahlreichen Scherenschnitten der Künstlerin
in den oberen Räumen des Museums folgte. Darüber mehr in einem noch
folgenden Eintrag.
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