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. . und alle gehen hin: eine Vorstellung, die sich bei mir einstellte
als es noch eine DDR gab. Wenn immer ich damals zu Besuch in die DDR
kam, gehörte das Thema Wahlen fast unausweichlich zu den Themen,
über die man sich unterhielt. Und stets hieß es dann visionär:
„Wenn wir nur frei wählen könnten . . .“ Das ist lange her und
es bewahrheitet sich einmal mehr, dass man sich immer gern das
wünscht, was man nicht kann, nicht hat, nicht kennt. In einer
Zeitung (Mittelbayerische Zeitung) las man am Montag (Auszug):
„Europa hat verloren – Andernorts kämpfen Menschen für ihr
Wahlrecht. Den Europäern ist es egal. Ein Armutszeugnis“ (Ende des
Auszugs). Das galt für die Bundesrepublik als es noch eine DDR gab
und es gilt heute für Europa, die Ukraine ist auch nur ein Beispiel
dafür.
Andererseits:
was habe ich eigentlich mit meiner Stimme zur Europawahl bewirkt?
Meiner Bürgerpflicht (so empfinde ich es) habe ich Genüge getan.
Aber auf alles, was jetzt vor sich geht und gestaltet wird, habe ich
null Einfluss. Und wenn da parteipolitisch von Kungeleien gesprochen
oder geschrieben wird, die sich jetzt anbahnen, habe ich dem dann mit
meiner Stimme nicht gar Vorschub geleistet? Und ergibt sich aus dem
Resultat dieser Kungelei nicht vielleicht etwas, das ich gar nicht
wollte? Und wenn ich nun lese, dass es da „Die Partei“ gibt, die
dabei ist, das ganze europäische parlamentarische System lächerlich
zu machen, frage ich mich schon, wie ernst es denen ist, die nun
gerade mal einen Sitz im Parlament gewannen?
Abgesehen
aber von solch zweifelhaften Erscheinungen ist doch meines Erachtens
schon die Bundestagswahl im vergangenen Jahr und die nunmehrige
Politik der großen Koalition in manchen Bereichen Beispiel für
meine begrenzten Möglichkeiten als Wähler, wirklich Einfluss auf
die Politik zu nehmen. Ob daran eine Einflussnahme durch
Volksentscheide viel ändern würde, bliebe zu bezweifeln. In der
Schweiz ist dieses System über Jahrhunderte gewachsen, implantiert
bliebe es wohl fragwürdig.
In
der „Nordhäuser Allgemeine“ schrieb Thomas Müller als
verantwortlicher Redakteur am Montag unter „Kein Bock auf Wahlen“
(Auszug): „Es geht noch niedriger, es geht noch desinteressierter.
Dabei haben die Zuständigen schon alle möglichen Wahlen – von
Europa bis zum Ortsteilrat – zusammengepackt, um überhaupt noch
jemanden an die Wahlurne zu locken.“(Ende des Auszugs). Kann man
das aber so pauschal ausdrücken? Kann es teilweise zumindest nicht
einfach Resignation sein, Einsicht in die Begrenztheit seiner
politischen Möglichkeiten als Wähler? Und sich mancher
Wahlberechtigte gerade durch dieses „zusammengepackt“ überfordert
sah? Ich weiß heute noch nicht wirklich, was sich mit meinem Kreuz
bei der Europawahl an Personen und an den zu erwartenden Kurs
verbindet. Ich kenne keinen einzigen Vertreter der Partei, die ich
wählte (abgesehen von den einen oder/und anderen Namen). Und mir
kann derzeit auch niemand mit Bestimmtheit sagen, ob bzw. welche
Koalition diese Partei eingehen wird. Und jetzt muss ich erst einmal
schließen, sonst könnte es ja sein, dass Koalitionen gebildet
werden. Und dann jeder die Antwort weiß.
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