Montag, 6. Februar 2012

Facebook: eine Sphinx?

Als in den sechziger Jahren die ersten Entsorgungskonzerne an die Börse gingen, mokierte man sich gelegentlich ironisch mit dem Bemerken, dass man jetzt schon mit „Dreck“ Geld machen würde. Nun geht Facebook an die Börse und in der Analogie zu damals drängt sich mir die Vorstellung auf, dass sich der Börsengang dieses Netzwerkes auf die Schwatzhaftigkeit von Millionen von Leuten gründet, denen Facebook dazu die Plattform bietet. Ihnen genügt scheinbar diese Möglichkeit. Während der Initiator von Facebook darauf ein Geschäftsmodell baute, das ihm nun die Chance gibt, an die Börse zu gehen.
Dieses Geschäftsmodell ist durchdacht: Das benötigte Geld kommt vor allem von Werbung. Dazu greift Facebook auf den großen Datenfundus zurück, der von den Nutzern gespeist wird. Mitgliedern, die viel von sich erzählen - wohin sie gerne reisen, welche Musik sie hören oder ob sie demnächst heiraten -, kann Facebook maßgeschneiderte Anzeigen präsentieren: von Reisebüros, Konzertveranstaltern oder Juwelieren. Je konkreter Anzeigen sind, umso mehr geben Werbekunden dafür aus.
Facebook hat systematisch Wege erkundet und gefunden, um Nutzern Informationen zu entlocken. Vor ein paar Jahren führte das Unternehmen das „Like“- oder „Gefällt mir“-Feld ein, mit dem Nutzer aktiv Vorlieben und Interessen bekunden. Mittlerweile werden auch immer mehr Daten gesammelt, indem andere Dienste über Applikationen mit Facebook verbunden werden, zum Beispiel der Musikservice Spotify oder eine Vielzahl von Zeitungen, die inzwischen Mitglied bei Facebook und vermittelnd tätig sind. So kann das Netzwerk automatisch erfahren, was dem Nutzer gefällt und was ihn interessiert, wenn er über diese Applikationen Musik hört oder Artikel liest. Entsprechend kann die Auswahl von Anzeigen weiter verfeinert werden.
Während sich nun Fachleute und Spekulanten überlegen, wie sie diesen Börsengang einzuschätzen haben, nehmen Psychologen jene Schwatzhaftigkeit erneut unter die Lupe und wollen festgestellt haben, dass das Suchtpotenzial von Facebook und Twitter höher ist als bei Zigaretten und Alkohol. Für rund 200 Probanden einer entsprechenden Studie jedenfalls sei die Versuchung, sich im Laufe des Tages in ein soziales Netzwerk einzuloggen, größer gewesen als der Drang nach Nikotin oder Alkohol, teilte am Donnerstag die Booth School of Business der Universität Chicago mit, die die Studie durchführte. Diesem Drang im Alltag zu widerstehen, sei fast unmöglich, sagte deren Hauptautor Wilhelm Hofmann. (Quelle: DerWesten)
Ich habe dazu keine Erfahrung, denn weder twittere ich, noch bin ich Mitglied bei Facebook. Womit ich eingestehen will, dass mein Bedürfnis, mich öffentlich zu outen, vielleicht unterentwickelt ist. Ich bin deshalb auf Erkenntnisse von Psychologen angewiesen, um zu erfahren, was das für Leute sind, die in einem Netzwerk wie Facebook aktiv mitwirken.
Und dafür soll es (natürlich) ganz unterschiedliche Gründe geben. Von denen die drei wichtigsten sein sollen:
Einmal die Selbstdarstellung: Sowohl Facebook als auch Twitter erlauben es nicht nur, sich selbst zu präsentieren, sondern auch Ansehen und sozialen Status zu erwerben (Anzahl der Freunde oder Followers).
Dann die Neugier, um zu erfahren, was andere machen: Sowohl auf Facebook als auch auf Twitter kann man angeblich genau verfolgen, was die anderen Menschen meines Netzwerks tun, mit wem sie kommunizieren und wo sie sind.
Und schließlich ist da noch die soziale Interaktion ohne Risiko: Durch die Standardisierung der sozialen Interaktion wird diese für viele Menschen einfacher. Vielen Menschen fällt es im echten Leben schwer, jemanden anzusprechen oder Blumen zu verschenken. Auf Facebook bedarf es nur eines Knopfdrucks. (Quelle: Psychology Today)
Wenn dem so ist, dürfte also sowohl die Grundlage von Facebook zu seinem Börsengang eine sehr sichere sein, als auch die Einschätzung seines Börsenwertes.Der soll derzeit 80 bis 100 Milliarden Dollar betragen. Wenn man weiß, dass der Gewinn dieses Unternehmens eine Milliarde Dollar beträgt (bei einem Umsatz von drei bis sechs Milliarden Dollar), ergeben sich daraus Überlegungen, die in die Zukunft weisen. Und einigermaßen problematisch sind. Umso mehr, als der Fiskus Mark Zuckerberg, den Facebook-Gründer, derzeit mit 1,5 Milliarden Dollar an Steuern zur Kasse bitten will.
Das aber geht dann doch beträchtlich über meine Überlegungen hinaus, die ja eigentlich nur die Schwatzhaftigkeit der Nutzer dieses Netzwerkes zum Thema haben sollte. Und das sollen derzeit etwa 850 Milliarden sein. Mit dem Börsengang könnte sich an deren Behandlung einiges ändern. Von der Peripherie kann man das wenigstens emotionslos verfolgen.

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