Montag, 20. Februar 2012

Einsamkeit im Alter muss nicht Schicksal sein

In meinen „Wartezimmer-Überlegungen“ vom Freitag hatte ich unter anderen auch die Meldungen über Probleme alter Menschen erwähnt und dabei möglicherweise den Eindruck erweckt, als nähme ich das Problem nicht ernst. Damit bin ich wohl missverstanden worden, denn lediglich die Art, wie in den Medien mit Problemen wie diesem umgegangen wird, missfiel mir. Obwohl es ja die Regel ist.

Inzwischen ist zu dieser Problematik kaum noch etwas zu lesen. Es war gerade mal die Vorstellung einer Studie zuvor durch die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans, die für die Medien Anlass war, spektakulär aufgemacht darüber zu berichten. Nicht anders als kurz zuvor über das Problem Alzheimer, auf das sich die Medien stürzten, weil gerade zuvor der populäre frühere Fußballspieler Rudi Assauer mit dieser Krankheit an die Öffentlichkeit gegangen war. Die Medien gehen mit solchen Geschehnissen um wie mit einen zugeworfenen Knochen, auf den sie sich stürzen, um ihn abgenagt einfach liegen zu lassen. Dass es dabei stets um Schicksale geht, kümmert da offensichtlich wenig.

Was also die mit der demographischen Entwicklung verbundene Problematik des Alters betrifft, ist sie sicher real und gegenwärtig, mit zunehmender Tendenz. Warum es aber eine „neue“ Herausforderung sein soll, wie es in den Berichten heißt, kann ich als zu dieser alternden Gesellschaft gehörend, nicht nachvollziehen.

Es hat früher anteilsmäßig sicher weniger alte Menschen in unserer Gesellschaft gegeben. Es hat aber – abgesehen von der sehr unterschiedlichen Zuwendung in den Familien - früher jedenfalls sehr viel weniger gesellschaftliche und soziale Aufmerksamkeit gegenüber alten Menschen gegeben als heute. Wohl aber kam es damals wie heute auf den alternden Menschen selbst an, wie er mit seinem dritten Lebensabschnitt umgeht. Und ich bin der Auffassung, dass alle sozial motivierten Maßnahmen von Staat und Gesellschaft dem alternden Menschen zunächst die Vorstellung vermitteln, dass er dieser Maßnahmen bedarf und er schließlich auch Anspruch darauf hat. Soweit sie nämlich seiner Bequemlichkeit dienen.

Kein alternder Mensch muss sich heute unter sozialen Gesichtspunkten allein oder einsam fühlen: es gibt eine Vielzahl von Einrichtungen, Vereinen, Interessen- oder auch Selbsthilfegruppen, in denen sich ein alternder Mensch einbringen und zugehörend fühlen kann. Und wenn die Drogenbeauftragte meint, dass immer mehr Menschen allein leben und manche damit überfordert seien, dann dürfte letzteres in vielen Fällen mit psychischer oder auch geistiger Unbedarftheit zusammenhängen, also Unselbständigkeit, Entschlusslosigkeit und Mangel an Selbsterkenntnis. Dafür aber zunehmendem Selbstmitlied. Und wenn es in dieser Studie heißt, dass vor allem ältere Frauen bei Schlafstörungen oder dem Verlust des Partners zu Tabletten griffen oder aus Einsamkeit Alkoholprobleme bekämen, ist das wohl nur eine Folge von Unselbständigkeit und Willensschwäche. Dass die Bundesregierung „die Prävention künftig stärker auf Risikogruppen ausrichten will - statt "wie so oft in der Vergangenheit mit der Gießkanne" vorzugehen“, wie Dyckmans erklärte, mag zwar erkennen lassen, dass man das Problem erkannt hat. Auf welche Weise man sich allerdings speziell dieser Risikogruppen annehmen will, ist mir ein Rätsel. Weil ich meine – um im lokalen Rahmen zu bleiben – dass abgesehen von den gesellschaftlichen Veranstaltungen, etwa im Jugendclubhaus, zum Beispiel die Kommune mit dem Begegnungszentrum in Nord eine Einrichtung unterhält, die speziell diesem demographischen Wandel Rechnung trägt. Es gibt die Volkssolidarität, in der sich ältere Menschen zusammenfinden können, um Gemeinschaft zu pflegen. Und es gibt das Mehrgenerationenhaus (MEGEHA) des LIFT-Vereins in der Reichsstraße, in dem tatsächlich verwirklicht ist, was 2006 die damalige Bundesfamilienministerin von der Leyen anstrebte. Und was damals recht pathetisch klang: „Mehrgenerationenhäuser sind soziale Bienenstöcke voller Leben und Austausch. Der Honig, den sie produzieren, sind menschliche Beziehungen, die Weitergabe von Kulturwissen und unentgeltliche Hilfe untereinander.“

Ich habe dieses Haus unlängst kennengelernt, nachdem ich bis dahin zwar von dessen Existenz wusste, ohne auch das Leben zu kennen, das inzwischen darin pulsiert. Insofern bin ich der Geschäftsführerin der LIFT gGmbH, Hannelore Haase, dankbar, die mich kürzlich einlud, an einem Treffen der Leitung des MEGEHA teilzunehmen, in dem eine bilanzielle Einschätzung der Entwicklung seit 2006 gezogen wurde. Und die ist überzeugend. Und bin danach der Auffassung, dass es keines neuen und speziellen „Aktionsplanes Drogen und Sucht“ für ältere Menschen bedarf, sondern steter Hinweise auf Einrichtungen wie diesem Mehrgenerationenhaus in der Reichsstraße, von denen es neben dem in Nordhausen allein in Thüringen inzwischen 30 davon gibt. Und dem, was darin geschieht. Das nämlich kann hilfreicher sein, als spektakulär aufgemachte Berichte über eine Studie zu Suchtproblemen alter Menschen, denen nichts weiter folgt. Ich hatte nach meiner Teilnahme an erwähnter Veranstaltung im MEGEHA einen Bericht in der nnz formuliert und in Aussicht gestellt, die dortigen Aktivitäten journalistisch zu begleiten. Und das kann dann mein Anteil sein an Hilfestellung für ältere Menschen, die da meinen, Vereinsamung und der Trost mit der Flasche müsse ihr Schicksal sein.

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