Dienstag, 14. Februar 2012

ACTA mobilisiert Netz-Aktivisten

Die „Rheinische Post“ schrieb am 13.02. zum Thema ACTA: „Im Streit über die Unterzeichnung des ACTA-Vertrags zum Urheberrechtsschutz verlangt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rechtliche Klarheit von der EU-Kommission...“ Was ja wohl nichts anderes bedeutet, als dass sich die Justizministerin und damit die Bundesregierung noch mehr oder weniger weitgehend in Unkenntnis über den Inhalt von ACTA und deren Konsequenzen befindet. Wenn dem aber so ist, wissen die Demonstranten vom Wochenende, die gegen dieses Abkommen protestierten, entweder mehr als die Bundesregierung, oder sie wehren sich gegen jede (weitere) Einschränkung im digitalen Netz.

Was wirklich Sache ist, scheint noch weitgehend unklar zu sein. Die Initiatoren dieses Abkommens müssen sich jedenfalls den Vorwurf gefallen lassen, hinter verschlossenen Türen und im Geheimen beraten und beschlossen zu haben. Wenn sich die Proteste gegen diese Geheimnistuerei richten, kann man ihnen vorbehaltlos zustimmen. Das aber scheint nicht der Fall zu sein, offenbar fordert man den völligen Verzicht auf dieses ACTA-Abkommen. Und scheint demgegenüber die völlige Netzfreiheit anzustreben. Und das kann es ja wohl nach allen bisher gemachten Erfahrungen auch nicht sein.

Helga Trüpel, Europa-Abgeordnete der Bündnisgrünen und Vizepräsidentin des dortign Kulturausschusses, erklärt in einem Gastkommentar in der „Frankfurter Rundschau“ (13.02.) unter den Titel „Welche Netzfreiheit wollen wir?“ aus ihrer Sicht, worum es bei ACTA geht. Nachdem sie zunächst ausdrücklich betont, dass ACTA in eine vollkommen falsche Richtung geht, denn „Ohne demokratische Verfahren und ohne jede Form von Öffentlichkeit zustande gekommen, erinnert es an die Geheimpolitik des 19. Jahrhunderts...“

Angesichts ihrer Ausführungen gerate ich für mich selber in Schwierigkeiten bei der Überlegung, ob ich aus ihren weiteren Ausführungen aus diesem Gastkommentar zitieren darf, um mir daraus selbst ein Bild zu machen!?

Ich bin ja gebranntes Kind, was Urheberrechtsverletzungen betrifft, wie Leser meiner früheren Website wissen dürften. Und ein Kollege warnte mich in jenem Zusammenhang mit dem Hinweis, dass schon das Zitieren mehrerer zusammenhängender Sätze aus dem Bericht oder Kommentar einer Zeitung als Verletzung des Urheberrechts ausgelegt werden könnte. Während ich bis dahin der Meinung war, dass die jeweilige Angabe von Quelle und Autor zu keiner Urheberrechtsverletzung führen könne. Offenbar also war ich zu blauäugig.

Aus genau dieser eigenen Erfahrung ergibt sich aber doch, dass die hier geltenden Gesetze ausreichend sind, um etwa Rechtsanwälten eine Handhabe zu geben, mittels Suchmaschinen wirkliche oder auch vermeintliche Urheberrechtsverletzer ausfindig zu machen, um sie zur Kasse zu bitten. Ich habe deshalb auch meinen Eintrag von gestern zu diesem Thema wieder gelöscht, um jedem auch noch so vagen Verdacht vorzubeugen. Womit ich lediglich ausdrücken will, dass das bestehende Gesetz findigen Anwälte die Möglichkeit gibt, kostenpflichtige Tatbestände auch zu konstruieren.

Die erwähnte Europaabgeordnete weist in ihrem Kommentar auch darauf hin, dass ACTA hierzulande gar keinen Umsetzungsbedarf erzeugt, weil Deutschland hier schon das Gesetz erfüllt. „Wichtig ist trotzdem, dass es einen breiten zivilgesellschaftlichen Protest gibt und auch, dass etwa Polen und Tschechien den Ratifizierungsprozess vorerst gestoppt haben. Denn es geht um ein Abkommen, das dringend notwendige Diskussionen zur Ausgestaltung unserer digitalen Kultur verhindert und zementiert hätte“,meint Helga Trüpel in erwähnten Kommentar . Ergänzend dazu bliebe zu bemerken, dass inzwischen auch Lettland und die Slowakei die Unterzeichnung des Abkommens aussetzten. Aber alle diese Länder reagierten auch erst nach massiven Protesten von Nutzern des Internets.

Und das bedeutet ja wohl, dass diese Nutzer sehr viel früher erkannten, was von ACTA zu erwarten bzw, zu befürchten ist. Unter politischen Gesichtspunkten schrieb zum Beispiel gestern die „Süddeutsche Zeitung“: „Mit Ausnahme der Piraten und Teilen der Grünen haben die deutschen Parteien und demzufolge auch die schwarz-gelbe Bundesregierung und deren Fraktionen das zunächst latente Protestpotential dieser Vereinbarung in der deutschen und internationalen Netzgemeinschaft einfach unterschätzt oder völlig verschlafen“ (Ende des Auszugs). Bezeichnend dabei ist für mich der Umstand, dass auch die Medien erst angesichts der massiven Proteste der vergangenen Woche dem Thema einen entsprechend vorderen Platz einräumten. In der nnz findet man bisher keinen Bericht zu ACTA, was in diesem Fall allerdings auch daran liegen kann, dass die allgemeine Aufgeregtheit (Alarmismus) über dieses Abkommen dort nicht mitgetragen wird.

Offenbar wurden ja die Demonstrationen und Proteste über das Internet (Facebook oder Twitter) angeregt und koordiniert. Man weiß ja inzwischen, was über dieses digitale Netz an Aktionen, Massenbewegungen oder auch Aufreger bewirkt werden kann. Die Frage jedenfalls, die Helga Trüpel ihrem Kommentar voranstellte „Welche Netzfreiheit wollen wir?“ ist durch die Demonstrationen der vergangenen Tage nicht beantwortet. Und auch der konsequenteste Verfechter digitaler Freiheit wird nicht ernstlich bestreiten können, dass die Frage nach der Offenheit des Netzes ebenso dazu gehört wie der Schutz vor Produktpiraterie, die Ausgestaltung des Urheberrechts, der Zahlungsnotwendigkeit für digitalen Kulturkonsum urhebergeschützter Inhalte und die Frage eines nachhaltigen Datenschutzes. Ist das alles aber hier nicht schon hinreichend geregelt?

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