Am Samstag wurde im Kunsthaus Meyenburg
mit der Ausstellung „Horst Janssen – Genie der Grafik“nicht nur
an einen der bedeutendsten Grafiker und Zeichner der Nachkriegszeit
gedacht, das Kunsthaus öffnete damit auch das eigene Archiv und ließ
erkennen, über welche Schätze es verfügt. Denn alles, was in
dieser Ausstellung zu sehen ist, stammt aus diesem künstlerischen
Bestand.
Eröffnet wurde die Ausstellung
musikalisch von der Gitarrenvirtuosin Daniela Heise, die auf ihrem
Instrument den Tenorsänger Dete Blume begleitete und mit ihm auch
die Vernissage musikalisch eindrucksvoll prägte. Danach war es die
Nordhäuser Ressortdezernentin Hannelore Haase, die nach der
Begrüßung der vielen gekommenen Gäste zunächst an die kürzlich
verstorbene, in Nordhausen geborene, Künstlerin
Ilsetraut-Glock-Grabe erinnerte, Namengeberin ihrer Stiftung und
Mäzenin des Kunsthauses. Von ihr erhielt es 150 Zeichnungen und
Grafiken Horst Janssens, von denen nun ein Teil in den Räumen des
Kunsthauses zu sehen sind. Haase umriss mit ihren Ausführungen das
künstlerische Geschehen vornehmlich im Kunsthaus Meyenburg und
leitete damit über zur Laudatio der Kunsthistorikerin und Leiterin
des Kunsthauses, Susanne Hinsching.
Die an den Beginn ihrer Ausführungen
einen Ausspruch Paul Klees setzte: „Kunst gibt nicht das Sichtbare
wieder, sondern macht sichtbar“. Diese stutzig machende Erkenntnis
dieses großen Künstlers interpretierte Hinsching dann sogleich:
„Janssen's Kunst aber macht beides, indem sie das Sichtbare ihres
Gegenstandes genau definiert, um sich dann in sein Unsichtbares,
seine Seele hinein zu zeichnen.“ Auch das bedürfte eigentlich
einer näheren Erklärung, vorerst aber zeichnete die Laudatorin ein
allgemeines Bild des außergewöhnlichen Grafikers: „Horst Janssen
war ein Künstler, dem alle Etiketten des Ungewöhnlichen anhafteten.
Er gilt nicht nur als der größte Zeichner der Gegenwart und Meister
des Wortes, als Genie, als universeller Kopf, dessen hellsichtiges
Auge Vergangenheit und Gegenwart wie kaum ein anderer erfasst,
sondern auch als der große Unberechenbare, voll der Menschenliebe,
aber auch des Jähzorns und Wahn-Witzes, als exzentrischer Chaot und
Provokateur.
Hinsching versagte sich zunächst, auf
die ausgestellten Werke näher einzugehen, die es – durchweg hinter
Glas – dem Photographen einigermaßen schwer machen, die Bilder
reflexfrei zu erfassen, sondern vermittelt zuvor ein Lebensbild des
Künstlers als bessere Voraussetzung, die Werke des Horst Janssen zu
verstehen. Sie wies dabei darauf hin, dass Janssen ja auch
geschrieben hat, wie an den vielen ausgestellten Publikationen
erkennbar ist. Und der Laudatorin ermöglicht, den Künstler auch
selbst zu Wort kommen zu lassen: „Besser als der Künstler selbst,
kann man die Gedanken und Intensionen, die hinter diesen genialen
Werken stecken, nicht beschreiben“, begründete die doch auch
beschlagene Dialektikerin.
Ohne hier weiter auf die recht
aufschlussreiche Vita Horst Janssens einzugehen – das soll einem
späteren Beitrag vorbehalten sein – bleibt festzustellen, dass
„die Faszination, die Janssens Werk heute auf den Betrachter ausübt
zeigt, dass sich künstlerischer Ausdruck und Lebenspraxis bedingen.
Der Kulturhistoriker Manfred Osten charakterisierte den Künstler:
„Janssen zeichnet sich und andere von Anfang an gegen den Strich,
weil er nicht auf den Tod hin, sondern vom Tod her lebt.“
Horst Janssen also ist nicht nur als
Mensch, sondern auch als Künstler ein außergewöhnlicher Zeichner,
den Susanne Hinsching weiter in seiner Kunst beschreibt, der sowohl
mit Feder, Stift oder Aquarellpinsel umzugehen vermag, der aber auch
mit seinen literarischen Äußerungen großes Aufsehen erregt hat. Es
war ein Mensch, der litt, Angst hatte, getrieben wurde, sich befreite
und ab und zu an menschliche Grenzen stieß.
Er hat, so führte Hinsching weiter
aus, nach dem zweiten Weltkrieg und der Informell-Bewegung der 50er
Jahre grafische Techniken und insbesondere die Zeichnung in
Deutschland wieder populär gemacht.
Horst Janssens Kunst ist einzigartig,
genauso wie der Mensch einzigartig war. Vergleiche mit anderen
Künstlern sind nur schwer möglich, wenn, dann sind am ehesten
gemeinsame Charakteristika mit Rembrandt herstellbar, auch wenn
Janssen dies nie gewollt hat.
Damit näherte sich Susanne Hinsching
inhaltlich der Ausstellung selbst mit dem Hinweis, das Janssen
unzählige Köpfe gezeichnet, gemalt und radiert hat „wie sie auch
in unserer Ausstellung sehen“, führte sie dazu ein. „Er hat sich
damit den ersten Platz der Meisterporträtisten unseres Jahrhunderts
erobert. Dabei saßen ihm die meisten seiner „Köpfe“ nicht
Modell. Er hat sich vielmehr deren Gesichtszüge erarbeitet und zur
unübertrefflichen Kenntlichkeit umgeformt. Er selbst sagte dazu
allerdings: „Ich bin kein Porträtist. Einem physiognomischen
Gegenüber neige ich zum hingeschriebenen Psychogramm, und mir ist es
angemessener, lieber nicht zu treffen, als totzuschießen.“
Hier nehme ich mir die Freiheit, einen
inhaltlichen Teil der Laudatio der Kunsthistorikerin vorerst zu
überspringen, weil mein heutiger Bericht keine Beispielbilder
enthält, aus schon weiter oben erwähntem Grund. Ich werde das aber
nach einem weiteren Besuch der Ausstellung nachholen, und mich dabei
von den Ausführungen der Laudatorin vom Samstag leiten lassen.
Die dort weiter ausführte, dass die
Konzeption der Ausstellung im Kunsthaus Meyenburg eine weitgehend
thematische Ordnung der vorhandenen Werke vorsieht, zum Beispiel
Landschaftsmotive, die zahlreichen „Köpfe“ und Selbstporträts
und dann natürlich auch einige erotische Blätter. Die Auswahl zeigt
auch die verschiedensten grafischen Techniken, die Janssen
beherrschte, von der Radierung, der Strichätzung, Lithographie oder
den Farbstoffsetdruck, den er vor allem für seine Plakate
verwendete. Diese Plakate – eine Anzahl befinden sich unter den
ausgestellten Werken – geben einen guten Einblick in die
künstlerische Entwicklung, die Horst Janssen vollzogen hat und die
Veränderungen seiner Handschrift von den frühesten Arbeiten, wie
z.B. „Arsen und Spitzenhäubchen“ aus dem Jahr 1958 bis hin zu
den letzten Plakaten aus dem Anfang der 90er Jahre.
„Seine Werke zeigen“, führte
Susanne Hinsching schließlich abschließend aus, „dass er sich
zugleich geliebt und gehasst hat, zeigen Beseelung und Erschrecken,
Illusion und Zerstörung sowohl bei Selbst- als auch den anderen
Porträts“ Janssen hat von Anfang an immer beides gewollt, die
Selbstauslöschung und die Selbstversicherung durch Geliebtwerden.
Janssen war ein Mensch, der das Leben
in vollen Zügen genossen, gleichfalls aber auch durchlitten hat.
Eros und Tod waren ihm häufige Begleiter. Er selbst sagte immer:
„Ich bin nur Zeichner und Zeichner und Zeichner.“
Die Ausstellung geht bis 15.09.2013.
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