Montag, 8. Juli 2013

Zur künstlerischen Genialität Horst Janssens

Am Samstag wurde im Kunsthaus Meyenburg mit der Ausstellung „Horst Janssen – Genie der Grafik“nicht nur an einen der bedeutendsten Grafiker und Zeichner der Nachkriegszeit gedacht, das Kunsthaus öffnete damit auch das eigene Archiv und ließ erkennen, über welche Schätze es verfügt. Denn alles, was in dieser Ausstellung zu sehen ist, stammt aus diesem künstlerischen Bestand.

Eröffnet wurde die Ausstellung musikalisch von der Gitarrenvirtuosin Daniela Heise, die auf ihrem Instrument den Tenorsänger Dete Blume begleitete und mit ihm auch die Vernissage musikalisch eindrucksvoll prägte. Danach war es die Nordhäuser Ressortdezernentin Hannelore Haase, die nach der Begrüßung der vielen gekommenen Gäste zunächst an die kürzlich verstorbene, in Nordhausen geborene, Künstlerin Ilsetraut-Glock-Grabe erinnerte, Namengeberin ihrer Stiftung und Mäzenin des Kunsthauses. Von ihr erhielt es 150 Zeichnungen und Grafiken Horst Janssens, von denen nun ein Teil in den Räumen des Kunsthauses zu sehen sind. Haase umriss mit ihren Ausführungen das künstlerische Geschehen vornehmlich im Kunsthaus Meyenburg und leitete damit über zur Laudatio der Kunsthistorikerin und Leiterin des Kunsthauses, Susanne Hinsching.

Die an den Beginn ihrer Ausführungen einen Ausspruch Paul Klees setzte: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“. Diese stutzig machende Erkenntnis dieses großen Künstlers interpretierte Hinsching dann sogleich: „Janssen's Kunst aber macht beides, indem sie das Sichtbare ihres Gegenstandes genau definiert, um sich dann in sein Unsichtbares, seine Seele hinein zu zeichnen.“ Auch das bedürfte eigentlich einer näheren Erklärung, vorerst aber zeichnete die Laudatorin ein
allgemeines Bild des außergewöhnlichen Grafikers: „Horst Janssen war ein Künstler, dem alle Etiketten des Ungewöhnlichen anhafteten. Er gilt nicht nur als der größte Zeichner der Gegenwart und Meister des Wortes, als Genie, als universeller Kopf, dessen hellsichtiges Auge Vergangenheit und Gegenwart wie kaum ein anderer erfasst, sondern auch als der große Unberechenbare, voll der Menschenliebe, aber auch des Jähzorns und Wahn-Witzes, als exzentrischer Chaot und Provokateur.

Hinsching versagte sich zunächst, auf die ausgestellten Werke näher einzugehen, die es – durchweg hinter Glas – dem Photographen einigermaßen schwer machen, die Bilder reflexfrei zu erfassen, sondern vermittelt zuvor ein Lebensbild des Künstlers als bessere Voraussetzung, die Werke des Horst Janssen zu verstehen. Sie wies dabei darauf hin, dass Janssen ja auch geschrieben hat, wie an den vielen ausgestellten Publikationen erkennbar ist. Und der Laudatorin ermöglicht, den Künstler auch selbst zu Wort kommen zu lassen: „Besser als der Künstler selbst, kann man die Gedanken und Intensionen, die hinter diesen genialen Werken stecken, nicht beschreiben“, begründete die doch auch beschlagene Dialektikerin.

Ohne hier weiter auf die recht aufschlussreiche Vita Horst Janssens einzugehen – das soll einem späteren Beitrag vorbehalten sein – bleibt festzustellen, dass „die Faszination, die Janssens Werk heute auf den Betrachter ausübt zeigt, dass sich künstlerischer Ausdruck und Lebenspraxis bedingen. Der Kulturhistoriker Manfred Osten charakterisierte den Künstler: „Janssen zeichnet sich und andere von Anfang an gegen den Strich, weil er nicht auf den Tod hin, sondern vom Tod her lebt.“

Horst Janssen also ist nicht nur als Mensch, sondern auch als Künstler ein außergewöhnlicher Zeichner, den Susanne Hinsching weiter in seiner Kunst beschreibt, der sowohl mit Feder, Stift oder Aquarellpinsel umzugehen vermag, der aber auch mit seinen literarischen Äußerungen großes Aufsehen erregt hat. Es war ein Mensch, der litt, Angst hatte, getrieben wurde, sich befreite und ab und zu an menschliche Grenzen stieß.

Er hat, so führte Hinsching weiter aus, nach dem zweiten Weltkrieg und der Informell-Bewegung der 50er Jahre grafische Techniken und insbesondere die Zeichnung in Deutschland wieder populär gemacht.

Horst Janssens Kunst ist einzigartig, genauso wie der Mensch einzigartig war. Vergleiche mit anderen Künstlern sind nur schwer möglich, wenn, dann sind am ehesten gemeinsame Charakteristika mit Rembrandt herstellbar, auch wenn Janssen dies nie gewollt hat.

Damit näherte sich Susanne Hinsching inhaltlich der Ausstellung selbst mit dem Hinweis, das Janssen unzählige Köpfe gezeichnet, gemalt und radiert hat „wie sie auch in unserer Ausstellung sehen“, führte sie dazu ein. „Er hat sich damit den ersten Platz der Meisterporträtisten unseres Jahrhunderts erobert. Dabei saßen ihm die meisten seiner „Köpfe“ nicht Modell. Er hat sich vielmehr deren Gesichtszüge erarbeitet und zur unübertrefflichen Kenntlichkeit umgeformt. Er selbst sagte dazu allerdings: „Ich bin kein Porträtist. Einem physiognomischen Gegenüber neige ich zum hingeschriebenen Psychogramm, und mir ist es angemessener, lieber nicht zu treffen, als totzuschießen.“

Hier nehme ich mir die Freiheit, einen inhaltlichen Teil der Laudatio der Kunsthistorikerin vorerst zu überspringen, weil mein heutiger Bericht keine Beispielbilder enthält, aus schon weiter oben erwähntem Grund. Ich werde das aber nach einem weiteren Besuch der Ausstellung nachholen, und mich dabei von den Ausführungen der Laudatorin vom Samstag leiten lassen.

Die dort weiter ausführte, dass die Konzeption der Ausstellung im Kunsthaus Meyenburg eine weitgehend thematische Ordnung der vorhandenen Werke vorsieht, zum Beispiel Landschaftsmotive, die zahlreichen „Köpfe“ und Selbstporträts und dann natürlich auch einige erotische Blätter. Die Auswahl zeigt auch die verschiedensten grafischen Techniken, die Janssen beherrschte, von der Radierung, der Strichätzung, Lithographie oder den Farbstoffsetdruck, den er vor allem für seine Plakate verwendete. Diese Plakate – eine Anzahl befinden sich unter den ausgestellten Werken – geben einen guten Einblick in die künstlerische Entwicklung, die Horst Janssen vollzogen hat und die Veränderungen seiner Handschrift von den frühesten Arbeiten, wie z.B. „Arsen und Spitzenhäubchen“ aus dem Jahr 1958 bis hin zu den letzten Plakaten aus dem Anfang der 90er Jahre.

„Seine Werke zeigen“, führte Susanne Hinsching schließlich abschließend aus, „dass er sich zugleich geliebt und gehasst hat, zeigen Beseelung und Erschrecken, Illusion und Zerstörung sowohl bei Selbst- als auch den anderen Porträts“ Janssen hat von Anfang an immer beides gewollt, die Selbstauslöschung und die Selbstversicherung durch Geliebtwerden.

Janssen war ein Mensch, der das Leben in vollen Zügen genossen, gleichfalls aber auch durchlitten hat. Eros und Tod waren ihm häufige Begleiter. Er selbst sagte immer: „Ich bin nur Zeichner und Zeichner und Zeichner.“


Die Ausstellung geht bis 15.09.2013.

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