Bei „Schwerdt-Blog“ (das ich schätze), las ich gerade von der Läuterung, die im Marketing zu verzeichnen sei. Die Bloggerin meint, dass die Zeit, in der Ehrlichkeit als Antithese der Werbung galt, vorbei sei. Spätestens seit dem Siegeszug der Social Media und der wachsenden Transparenz, der selbst so gewiefte Persönlichkeiten wie letztens Anthony Wiener (?) - gemeint scheint der Skandalpolitiker Anthony Weiner zu sein, der gerade in New York Bürgermeister werden möchte – nicht entgehen können, hätten Ehrlichkeit und Offenheit im Marketing Einzug gehalten, meint Yvette Schwerdt. Unternehmen versprechen immer seltener, was sie nicht halten können und versuchen, Beschönigungen weitgehend zu vermeiden. Noch bemerkenswerter sei aber, so Schwerdt weiter, dass einige Firmen im Zuge ihrer Ehrlichkeitsbestrebungen jetzt sogar dazu übergehen, die Vorzüge ihrer Wettbewerber zu beleuchten. Und führt dabei mit dem Lebensmittelproduzenten General Mills sogar ein Beispiel an.
Das könnte man als höchst positive Entwicklung werten, meine ich, wenn da nicht gerade Thorsten Hennig-Thurau – seines Zeichens Wirtschaftswissenschaftler und Prof. für Marketing & Medien u.a. an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster – in Harvard Business Manager recht überzeugend argumentiert haben würde, dass die einstige Königsdisziplin Marketing in vielen Unternehmen nur noch als Beiwerk gilt. Schuld seien kurzsichtige CEOs (geschäftsführende Vorstände eines Unternehmens), aber auch die Zukunft des Marketings selbst. Der Wissenschaftler stellt fest, dass Marketing heute in vielen Unternehmen keine treibende Kraft mehr sei. Und bezeichnet das als beklagenswerte Erkenntnis. Zwei Drittel der Vorstandsvorsitzenden der größten deutschen Unternehmen seien Naturwissenschaftler, Ingenieure oder Juristen, nur jeder fünfte CEO hat zuvor im Marketing gearbeitet. Und als noch schlimmer bezeichnet es der Professor, dass nach einer Fournaise-Studie nur 10 Prozent aller CEOs angeben, die Arbeit ihrer Marketingmanager zu schätzen.Neu ist das allerdings nicht, denn schon seit Ende vergangenen Jahres gibt es nach der Veröffentlichung einer McKinsey-Studie und auch des Markenverbandes OWM massive Kritik am Marketing. Die zentralen und übereinstimmenden Ergebnisse waren damals, dass bei digitalen Kommunikationskanälen 85 Prozent der Media- und Kommunikationsentscheider nach eigenen Angaben überfragt sind. Nur 15 Prozent hatten damals ein klares Verständnis, welchen Mehrwert einzelne Kommunikationskanäle liefern. Es hat sich offenbar nichts geändert.
Da scheint es schon fast konsequent, argumentiert Prof. Thorsten Hennig-Thurau, dass einige Firmen wie beispielsweise der US-amerikanische Online-Dienst AOL, der Unterhaltungskonzern Walt Disney oder der Unterhaltungselektronikhändler Best Buy Marketing als Vorstandsaufgabe für überflüssig halten. Marketing ist in vielen Unternehmen zu einer Unterabteilung degradiert worden, die gerade mal als Schnittstelle mit der Werbeagentur fungiert oder die operative Preissetzung übernimmt. Welche Bedeutung dann also der eingangs ausgemachten zunehmenden Ehrlichkeit im Marketing zukommt, die die Bloggerin Yvette Schwerdt zu erkennen glaubt, müsste demnach noch herausgefunden werden.
Was
ich hier zusammengetragen habe ist natürlich Theorie, deren
praktischer Wert gestern in Gesprächen in einer interessanten
Unternehmerrunde Thema war. Für mich Anreiz, dem Thema in der
Realität mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
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