Die „9.Nacht der Kirchen“ in
Nordhausen ist vorüber und je nach Teilnahme an dem ausgesprochen
umfangreichen Programm mag einiges schon wieder verblasst sein,
anderes zum Nachdenken angeregt haben. Und schließlich gab es auch
Programm-Angebote, die ob ihrer Darbietungen beeindruckten oder auch
überraschten.
Meine Teilnahme beschränkte sich
eigentlich aus physischen Gründen nur auf ein Angebot, von dem mich
freute, dass es so relativ früh geboten wurde: „Lieder über die
Liebe“ in der Kirche St. Blasii. Nun sind derartige musikalische
Angebote in einer Kirche ja längst nicht mehr ungewöhnlich, die
Konfessionen und Glaubensgemeinschaften haben sich in ihren
Andachtstätten geöffnet, und tragen inzwischen dem Trend der Zeit
und den Ansprüchen der jüngeren Generationen Rechnung.
Was mich am Programm in der
Blasii-Kirche neugierig machte war also weniger das Liedangebot
selbst, als die Interpretation durch den Chor der Nordhäuser
Kantorei unter der Leitung von Kantor Michael Kremzow. Denn Lieder
dieses Genres hat man von diesem Chor meines Wissens noch nie gehört.
Und ich nehme vorweg: auch das war eine
hervorragend, einstudierte und dargebotene musikalische Leistung, zu
der nicht nur die Lieder selbst gehörten – am Klavier
ausgezeichnet begleitet von Kuniko Kobayashi – sondern auch die
Textvorträge und Überleitungen durch die Moderatorin Viola Kremzow,
sonst als Altistin im Ensemble der Kantorei bekannt, und Frau des
Kantors Michael Kremzow. Das ist hier deshalb von besonderer
Bedeutung, weil die Moderatorin gleich eingangs daran erinnerte, dass
ja an diesem Samstag der „Internationale Tag des Kusses“ war. Und
ihre Ausführungen dazu den Kantor spontan veranlassten, sein
Dirigentenpodest zu verlassen, um seine Frau demonstrativ unter dem
Beifall des Publikums zu küssen.
Der so begonnene Auftakt vollzog sich
also schon in themengemäßer Atmosphäre, die durch das
Zusammenwirken von Chor, Klavier und Moderation über die gesamte
Dauer der Aufführung erhalten blieb. Und auch das zeigte, dass die
Kantorei auch einen Liederabend diesen Inhalts in gewohnter Qualität
anzubieten vermag. Wobei mir unwillkürlich der Erkenntnissatz
einfällt: „Qualität beginnt da, wo der Standard aufhört“.
Dazu stimmte die Moderatorin mit ihrem
einführenden Text ein, der hier nur kurz zitiert wird, in einem
weiteren Beitrag aber gesamttextlich wiedergegeben werden soll: „Alle
Werke, die heute erklingen, sind im Original Stücke für eine
Singstimme und Klavier und waren ursprünglich für das heimische
Wohnzimmer und den Vortrag vor kleinem Publikum gedacht. Da Sie heute
so zahlreich erschienen sind, mussten wir die Anzahl der Sänger
ebenfalls erweitern. Somit erklingen heute weltweit zum ersten Mal
die Bearbeitungen dieser Lieder für großen Chor und Klavier.“
Dazu nun stellte sich der Chor nicht im
sonst gewohntem feierlichen Outfit vor, man hatte zwanglos in
individueller Kleidung Aufstellung genommen, was allerdings das
einzige erkennbare Zugeständnis an deren Individuität war. Denn
schon die innere Begeisterung, oder Besinnlichkeit, die in dem Gesang
der Chormitglieder Ausdruck fand, war erkennbar in der Einstudierung
berücksichtigt und zusammengefasst worden. Ich bedauerte lediglich,
dass die zierliche Kuniko Kobajashi mit ihrem Klavier aus Sicht des
Zuhörers so ganz hinter dem Dirigenten verschwand. Und so konnte man
nur hören, wie gefühlvoll und den Vorträgen des Chores angepasst
Kobayashi ihr Instrument „betastete“, wie die Moderatorin es
beschrieb.
Und dann also wurde in St. Blasii ein
Liederprogramm geboten, von dem man tatsächlich den Eindruck
gewinnen konnte, die Interpreten seien insgesamt „von Kopf bis Fuß
auf Liebe eingestellt“, so wurde gejubelt, Sehnsucht bekannt, Liebe
beteuert und Besinnlichkeit hörbar gemacht. Der Chor zog alle
Register, vom Klavier begleitet, um das musikalisch wiederzugeben,
was die Liedtexte besagten. Und in den Überleitungstexten verheißen
wurde. Das recht umfangreiche Programm begann mit „Dichterliebe“
von Robert Schumann, beinhaltete u.a. „Ungeduld“ von Franz
Schubert und endete mit Lieblingsliedern wie „Der Mond ist
aufgegangen“ von Matthias Claudius. Ich fand Einstudierung und
Wiedergabe hervorragend und die Zwischentexte gekonnt gewählt. Zu
dem abschließend auch der Hinweis gehörte: „Beim letzten Stück
sind eventuell auftretende Ähnlichkeiten zu lebenden oder nicht mehr
wehrfähigen Komponisten und deren bekanntester Werke durchaus
gewollt. Für
Risiken und Nebenwirkungen wird keine Haftung
übernommen.“
Der Schlusspunkt dieses Beitrags soll
die Danksagung der Programmgestalter sein, der man sich anschließen
konnte, weil sie wichtig war: „Wir danken der Stadt Nordhausen –
insbesondere dem Kulturamt – für die Unterstützung bei der
Durchführung der „Nacht der Kirchen“. Darüber hinaus gilt unser
Dank dem Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
sowie dem Ev. Kirchenkreis Südharz für die finanzielle
Unterstützung, ohne die diese Veranstaltung nicht möglich wäre.“ Und mein persönlicher Dank gilt der Nordhäuser Kantorei, die mir und den vielen Zuhörern in dieser Nacht in St. Blasii diesen ungewöhnlichen Hörgenuss bescherten.
Ich habe in dieser „Nacht der
Kirchen“ nur diesen Liederabend erlebt, damit aber wohl eines der
heitersten und schönsten Angebote. Es war ein Erlebnis, das mich
veranlasst, auch wegen der Überleitungstexte noch einmal gesondert
darauf einzugehen.
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