Seit Monaten berichten die Medien über
den ab 1. August wirksamen gesetzlichen Anspruch von Eltern auf einen
Krippenplatz für ihre Kinder unter drei Jahren. In der Art, in der
das in der Vergangenheit geschah, wurden systematisch Befürchtungen
geschürt, dass Kommunen vornehmlich im Westen der Republik diesem
Anspruch nicht entsprechen werden können.
So hieß es noch im November des Vorjahres, dass es knapp neun
Monate vor Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf ein
Betreuungsangebot für unter Dreijährige weit weniger Krippenplätze
gibt als bisher angenommen. Laut neuen Berechnungen des Statistischen
Bundesamtes fehlen bundesweit noch 220 000 Plätze, um zum 1. August
2013 die gesetzliche Garantie auf ein Betreuungsangebot einlösen zu
können. Bislang waren Experten aufgrund der Ländermeldungen von nur
rund 130 000 noch fehlenden Kita-Plätzen ausgegangen. Die
„Frankfurter Rundschau“ schrieb dazu kurz zuvor(Auszug): „Ein
Jahr vor Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf Betreuung für jedes
Kind vom ersten Geburtstag an wächst bei den Kommunen die Panik, von
einer Klagewelle erboster Eltern überrollt zu werden, die von 1.
August 2013 an keinen Platz für ihren Nachwuchs bekommen.“(Ende
des Auszugs).
Nun, Tage vor dem 1. August, berichtete
zum Beispiel N-tv gestern (Auszug): „Umso
erstaunlicher, dass wenige Tage vor dem Inkrafttreten des
Rechtsanspruchs die befürchtete Klagewelle in den großen deutschen
Städten bislang ausblieb. Nach einer Umfrage der "Bild"-Zeitung
bei 27 Städten stehen derzeit nur Köln, Düsseldorf, Dresden und
Wiesbaden in einem Rechtsstreit mit Eltern, die keinen Platz gefunden
haben. Auch die meisten Bundesländer rechnen damit, den Bedarf zum
1. August decken zu können...“(Ende des Auszugs.)
Inzwischen
hat sich der Trend in der Berichterstattung beträchtlich geändert.
So berichtete der NDR in der vergangenen Woche, dass nicht nur in den
neuen Bundesländern, in denen es bereits eine gute Versorgung gab,
die Bilanz positiv sei . Im Westen gebe es ebenfalls eine spürbare
Verbesserung, auch dort lägen die Zahlen jetzt nah am berechneten
Bedarf, zitiert der Sender NDR info Regierungskreise. Ein Teil dieser
Plätze werde derzeit noch mit Bundesgeldern fertig gestellt. Viele
warteten aber nur noch auf die Betriebserlaubnis.
Ein
ganz anderes Problem aber gerät jetzt vermehrt in den Focus der
Medien: die Betreuung der Kinder in den Kitas. „Sonntag aktuell“
etwa kommentierte gestern (Auszug): „Stell
dir vor, es gibt viele neue Kitas, und keiner arbeitet darin.
Zugespitzt könnte man so die Situation der Träger von
Kindertagesstätten beschreiben. Sie suchen dringend nach Personal.
Ob Eltern in Zukunft die dringend benötigten Betreuungsplätze für
ihre Kinder bekommen, hängt also davon ab, ob sich genug Menschen
für diesen Beruf entscheiden...“
(Ende des Auszugs). In Düsseldorf etwa suchen allein die
Wohlfahrtsverbände händeringend für das U3-Projekt 300
Erzieherinnen. Und in der „Welt“ war zu diesem Problem neulich zu
lesen (Auszug): „...Denn Baden-Württemberg hat vor Kurzem
beschlossen, dass fortan auch Kinderkrankenschwestern, Hebammen oder
Krankengymnasten als Betreuer in den Kitas arbeiten dürfen. Und
einige Bundesländer, Hamburg und Niedersachsen etwa, bilden in
großer Zahl sogenannte sozialpädagogische Assistenten oder
Linderpfleger aus: eine Art Erzieherausbildung light. . .“(Ende des
Auszugs). Keine „light“-Ausbildung in den erzieherischen Berufen
bildet dagegen seit Jahren in Nordhausen die „pro-vita-Akademie“
aus. Und was dort zu einer gediegenen Ausbildung gehört, kann man
jeweils am „Tag der offenen Tür“ oder während der jährlichen
Berufsstartmessen in der Wiedigsburghalle erleben. Dass sich zwischen
diesen qualifizierten Erzieherinnen und jenen sehr viel flüchtiger
ausgebildeten Betreuerinnen nicht nur ein pädagogisches Problem
auftut, sondern auch eines den Verdienst betreffend, sei hier am
Rande bemerkt, kann aber gravierend sein.
Interessant
ist in diesem Zusammenhang eine Verlautbarung der Stiftung der
Universität Hildesheim, in der Kirsten Scheiwe, Professorin für
Recht sozialer Dienstleistungen an der dortigen Universität
feststellt: „Entscheidend ist neben dem Ausbau die Qualität der
Kita und Tagespflege. In dieser Verlaubarung vom 26.07.13 heißt es
u.a. (Auszug): „Durch
den Rechtsanspruch erhöht sich der Druck zum bedarfsgerechten Ausbau
auf Kommunen – einige sind sehr gut vorbereitet, an anderen Orten
wird das Angebot nicht ausreichen. „Die Planungsverantwortung liegt
beim öffentlichen Träger. Er ist in der Bringschuld, muss einen
Platz finden und hatte mehrere Jahre Vorlaufzeit“, sagt Scheiwe.
Vermutlich werden einige Eltern vor Verwaltungsgerichte ziehen.
Das Verhältnis von öffentlicher und privater Erziehung habe sich in den letzten Jahren in Deutschland gewandelt. „Im europäischen Vergleich ist die Bundesrepublik bei der frühkindlichen Erziehung eher ein Nachzügler. Wir nähern uns jetzt dem Modell von skandinavischen Ländern, Frankreich und Belgien an – in Belgien besuchten schon um 1900 etwa 60 % der über Dreijährigen eine Vorschule“, erklärt Kirsten Scheiwe. Sie forscht an der Uni Hildesheim über das Recht auf soziale Dienstleistungen und untersucht historisch-vergleichend die Kindergarten- und Vorschulentwicklung in Europa und den USA. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab drei (seit 1996) und für Kinder ab einem Jahr (ab 2013) markieren diesen Prozess ebenso wie die zunehmende Einführung von Ganztagsschulen. „Die Angebote öffentlicher Erziehung wurden erweitert. Statt sie gegeneinander auszuspielen, sollten öffentliche und private Erziehung in Deutschland als gemeinsame Verantwortung stärker verzahnt werden“, sagt Scheiwe.
Zugenommen habe der Bedarf an Unterstützung durch Jugendhilfeangebote. Familien werden zum Beispiel vermehrt durch Frühe Hilfen, Familienhebammen und Beratung unterstützt. „Aber auch Inobhutnahmen durch das Jugendamt und familiengerichtliche Sorgerechtseingriffe – staatliche Eingriffe zum Schutz des Kindeswohls – haben zugenommen. Die regionale Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsämtern, Schulen, Jugendamt und Familiengericht sollte gestärkt werden, das ist auch ein Ziel des Bundeskinderschutzgesetzes.“
Eine Forschergruppe um Kirsten Scheiwe betrachtet längerfristige sowie aktuelle Entwicklungen historisch und institutionell. Wie haben sich Kindergärten und Vorschulen in Europa und Nordamerika seit 1850 entwickelt? Wie lassen sich heutige Unterschiede und Gemeinsamkeiten erklären? Vom 10. bis 12. Oktober 2013 tagen etwa 50 Vertreterinnen und Vertreter der Rechtswissenschaften, Soziologie, Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Hildesheim. Erstmals wird auf der internationalen Forschungskonferenz „Kindergarten and preschool developments in Europe and North America" die Zeitspanne seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrachtet. „Wo Kirche und Staat mit Erziehungsangeboten in starker Konkurrenz agierten, wurde die Ausbreitung von Betreuungsangeboten begünstigt“, so eine These. Bereits die Vorläuferkonferenz 2006 und das Buch „Child care and preschool development in Europe“ (Palgrave Macmillan) wurden stark nachgefragt.
„In der Debatte in der Bundesrepublik richtet sich der Fokus sehr auf die Erwerbstätigkeit von Frauen, im Mittelpunkt steht aber die Förderung von Kindern. Kinder sollen spielen, sich altersgemäß entwickeln und lernen können – nicht nur betreut werden. Die Qualität bei der Schaffung von Kita-Plätzen und auch in der Kindertagespflege ist entscheidend“, sagt Scheiwe. Allerdings seien die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher derzeit „nicht angemessen“ und führen zu hoher Fluktuation, Fachkräftemangel und Engpässen.“
Das Verhältnis von öffentlicher und privater Erziehung habe sich in den letzten Jahren in Deutschland gewandelt. „Im europäischen Vergleich ist die Bundesrepublik bei der frühkindlichen Erziehung eher ein Nachzügler. Wir nähern uns jetzt dem Modell von skandinavischen Ländern, Frankreich und Belgien an – in Belgien besuchten schon um 1900 etwa 60 % der über Dreijährigen eine Vorschule“, erklärt Kirsten Scheiwe. Sie forscht an der Uni Hildesheim über das Recht auf soziale Dienstleistungen und untersucht historisch-vergleichend die Kindergarten- und Vorschulentwicklung in Europa und den USA. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab drei (seit 1996) und für Kinder ab einem Jahr (ab 2013) markieren diesen Prozess ebenso wie die zunehmende Einführung von Ganztagsschulen. „Die Angebote öffentlicher Erziehung wurden erweitert. Statt sie gegeneinander auszuspielen, sollten öffentliche und private Erziehung in Deutschland als gemeinsame Verantwortung stärker verzahnt werden“, sagt Scheiwe.
Zugenommen habe der Bedarf an Unterstützung durch Jugendhilfeangebote. Familien werden zum Beispiel vermehrt durch Frühe Hilfen, Familienhebammen und Beratung unterstützt. „Aber auch Inobhutnahmen durch das Jugendamt und familiengerichtliche Sorgerechtseingriffe – staatliche Eingriffe zum Schutz des Kindeswohls – haben zugenommen. Die regionale Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsämtern, Schulen, Jugendamt und Familiengericht sollte gestärkt werden, das ist auch ein Ziel des Bundeskinderschutzgesetzes.“
Eine Forschergruppe um Kirsten Scheiwe betrachtet längerfristige sowie aktuelle Entwicklungen historisch und institutionell. Wie haben sich Kindergärten und Vorschulen in Europa und Nordamerika seit 1850 entwickelt? Wie lassen sich heutige Unterschiede und Gemeinsamkeiten erklären? Vom 10. bis 12. Oktober 2013 tagen etwa 50 Vertreterinnen und Vertreter der Rechtswissenschaften, Soziologie, Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Hildesheim. Erstmals wird auf der internationalen Forschungskonferenz „Kindergarten and preschool developments in Europe and North America" die Zeitspanne seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrachtet. „Wo Kirche und Staat mit Erziehungsangeboten in starker Konkurrenz agierten, wurde die Ausbreitung von Betreuungsangeboten begünstigt“, so eine These. Bereits die Vorläuferkonferenz 2006 und das Buch „Child care and preschool development in Europe“ (Palgrave Macmillan) wurden stark nachgefragt.
„In der Debatte in der Bundesrepublik richtet sich der Fokus sehr auf die Erwerbstätigkeit von Frauen, im Mittelpunkt steht aber die Förderung von Kindern. Kinder sollen spielen, sich altersgemäß entwickeln und lernen können – nicht nur betreut werden. Die Qualität bei der Schaffung von Kita-Plätzen und auch in der Kindertagespflege ist entscheidend“, sagt Scheiwe. Allerdings seien die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher derzeit „nicht angemessen“ und führen zu hoher Fluktuation, Fachkräftemangel und Engpässen.“
(Aus
der Verlautbarung der Uni Hildesheim vom 26.07.13)
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