Dienstag, 9. Juli 2013

Der laute Ruf nach dem Staat

Das war der rote Faden, der sich gestern durch die gesamte Podiumsdiskussion zum Thema „Sichere Rente“ im Bürgersaal des Rathauses in Nordhausen zog. Der DGB Thüringen hatte dazu eingeladen und mit dem Gewerkschaftssekretär Klaus Schüller vom DGB Hessen-Thüringen einen kompetenten Mann geschickt, der das Impulsreferat hielt und maßgeblich am Verlaufe der Veranstaltung beteiligt war.

Am Podium saßen neben Klaus Schüller und dem Moderator Thomas Müller, Redakteur der „Nordhäuser Allgemeine“, einige Kandidaten zur Bundestagswahl des Wahlkreises 189, die sich dazu bereit gefunden hatten. Das waren MdB Manfred Grund (CDU) , Carmen Listemann (SPD), Sigrid Hupach (Die Linke) und Heiko Windisch (Piratenpartei), während die Kandidaten der FDP und der Grünen fehlten. Ob entschuldigt oder einfach so, sagte der Moderator nicht.

Andreas Wieninger, Kreisvorsitzender des DGB, begrüßte die Teilnehmer und führte in die Podiumsdiskussion ein, indem er seine, und damit die Vorstellung des DGB in den Raum stellte: „Wir alle verdienen finanzielle Sicherheit im Alter. Wir wollen eine Rente, die zum Leben reicht und Altersarmut vermeidet.“ Dazu gehören nach seinen Worten gute Löhne, gute Arbeit statt Rente mit 67. Und schließlich wollen wir auch in Zukunft gute Renten. Damit leitete er über zu Klaus Schüller, der den Impulsvortrag hielt.
Dabei beschränkte der sich nicht nur auf die Rolle des Impulsgebers, sondern stieg auch richtig ins Thema ein, mitunter mit emotionaler Betonung. Er ließ die Entwicklung der Renten seit 1952 Revue passieren und schilderte anschaulich die seitdem eingetretenen Veränderungen mit ihren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, vor allen die älteren, die er teilweise bis ins Detail genau darstellte, mitunter recht emotional. Und Emotionalität bestimmte später auch die meisten Diskussionsbeiträge aus dem Plenum, denen seitens der Politiker am Podiumstisch durchweg sachlich begegnet wurde. Dabei erwies sich vor allem Manfred Grund als meistbeanspruchter Ansprechpartner, einfach begründet durch seine langjährige Zugehörigkeit zu Regierungskoalitionen seiner Partei, vom Moderator deshalb als „alten Hasen“ vorgestellt.

Nach Schüller also kamen die Politiker zu Wort, zunächst Manfred Grund, der seine Ausführungen mit Hinweis begann, dass Statistik für die Politik das ist, was für den Betrunkenen der Laternenpfahl ist. Man kann sich hervorragend daran festhalten, bekommt aber keine Erleuchtung. Um mit dem Hinweis fortzufahren, dass es derzeit in der Bundesrepublik 30 Millionen Arbeitnehmer gibt, die in die Versicherung einzahlen. Und demgegenüber etwa 15 Millionen denen eine Rente gezahlt wird. Bis 2020 werden es 4
Millionen weniger sein, die einzahlen, und über sechs Millionen mehr, die mit über 65 in Rente gehen. Und das bedeutet, dass dann auf einen Erwerbstätigen, der einzahlt, ein Rentner kommt, für den er aufkommen muss. Wäre die Rente wie früher bei 70 Prozent geblieben, wie es vor 20 Jahren der Fall war, müsste sich der Rentenbeitrag verdoppeln. Grund bemerkte dabei, dass es sich um ein überspitztes Beispiel handelt, das aber den Trend erkennen lässt. Schon damit zeigte sich Grund als Kenner der Materie, die er nun weiter entwickelte. Er wies darauf hin, dass gerade an diesem 8. Juli der Tag ist, bis zu dem ein Arbeitnehmer im Jahr arbeiten muss, um dem Staat durch Steuern das zu geben, was dieser umverteilen kann und muss. Und die Entwicklung bei Beibehaltung der Rentenhöhe dazu führen würde, dass Arbeitnehmer – also die jüngeren Menschen – immer länger für den Staat und die Gesellschaft arbeiten müssen, um diese Leistungen zu erbringen. Grund bezweifelt, ob das junge Menschen lange mitmachen würden. Es müssen also gangbare Lösungen gefunden werden, für die sich Grund für seine Partei auch für offen hält.

Nach Manfred Grund kam Carmen Listemann zu Wort. Sie verwies auf den letzten Parteitagsbeschluss, nach dem das Rentenalter mit 67 ausgesetzt wird. Und zwar so lange, bis mindestens 50% der 60 – 64Jährigen sozialvesicherungspflichtig beschäftigt sind. Für sie geht es also zunächst um die älteren Arbeitnehmer, die mit ihren Erfahrungen den Unternehmen noch gute Leistungen bringen können. Listemann zeigte Unverständnis für die wiederholten Absenkungen der Versicherungsbeiträge, statt sie als Demografievorsorge in der Rentenkasse zu belassen. Es geht hierbei um die Tatsache, dass Gelder heutzutage nicht gewinnbringend angelegt werden können, aufgrund des niedrigen Zinssatzes. Listemann räumte bei diesem Problemkomplex ein, dass in der großen Koalition mit der Agenda 20/10 manches eingeführt wurde, das sie nicht für richtig hält und sie selbst vor Mitgliedschaftsprobleme in ihrer Partei stellte, die damals zu zerbrechen drohte. Mit dem Programm, wie es jetzt steht, zu dem ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn von 8.50 Euro gehört, der zu einer späteren höheren Rente führt, hält sie ihre Partei auf einem guten Weg, den sie deshalb auch aus Überzeugung vertritt

Für die LINKE, so war nach Carmen Listemann von der Kreisvorsitzenden im Eichsfeldkreis, Sigrid Hupach, zu hören, ist die Rente mit 67 nicht akzeptabel und müsse zurückgenommen werden. Ansonsten meinte sie, vordringlich stünde eine Rentenangleichung als dringend notwendig an, denn 23 Jahre nach der Wende gäbe es eigentlich keinen Grund mehr, diese Unterschiedlichkeit weiter beizubehalten. Auch die Rechte der Ostfrauen müssten nach dieser Zeit
endlich berücksichtigt werden. Finanziert durch eine paritätische Beteiligung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, durch gesetzliche Mindestlöhne von zunächst 10 Euro.


Nach dem Beitrag des Vertreters der Piratenpartei, dem ein Grundeinkommen für jeden Bürger gleich welchen Alters vorschwebt, begann sich eine Diskussion zu entwickeln, in der es zum Teil recht emotional zuging, bei dem die Forderung nach Angleichung der Renten im Vordergrund stand. Auf sie näher einzugehen versage ich mir, weil das ein reines Ostproblem ist, zu dem sich der Rentenberater des DGB, Gerd Kummer zu Wort meldete, der während seines Diskussionsbeitrags sogar noch durch Zwischenrufe unterbrochen wurde und erbost reagierte, nachdem doch gerade er dabei war, die Interessen der Ostrentner darzustellen und zu vertreten. Das Problem scheint noch lange die Politik zu begleiten, die mehrfach zum Handeln bei der Gesetzgebung aufgefordert wurde. Bei der sogar Carmen Listemann Besonnenheit anmahnte, hätten die Arbeitgeber doch bisher – und auch bei den bereits eingeführten Mindestlöhnen - immer wieder Lücken in den gesetzlichen Vorgaben gefunden, um sie zu umgehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen