Vor
der Volksabstimmung der Griechen am 5. Juli mahnt IWH-Präsident
Reint E. Gropp zum Begraben des Kriegsbeils und zur Eile:
Verhandlungen müssen unabhängig von dem Ergebnis der Abstimmung
weitergehen, und die Reformen sind notwendiger denn je. Die
Entscheidung am 5. Juli als eine Entscheidung über den Verbleib
Griechenlands im Euroraum oder gar der EU zu sehen, führt in die
Irre. Die Animositäten zwischen Griechenland einerseits und der EU
und dem IWF andererseits dürfen jetzt weiteren Verhandlungen nicht
im Wege stehen. Die Situation ist zu ernst für Griechenland, als
dass man die Verhandlungen zu diesem Zeitpunkt einstellen könnte. Es
ist nicht produktiv oder glaubwürdig zu sagen, dass der Vorschlag
der Institutionen vom vergangenen Samstag „jetzt nicht mehr zu
entscheiden sei“, wie es von einigen Vertretern der Institutionen
kolportiert wurde. Natürlich muss dieser Vorschlag weiter auf dem
Tisch bleiben, und wenn die Griechen am kommenden Sonntag bei der
Volksabstimmung für die empfohlenen Spar- und Reformmaßnahmen
votieren, sollten sie so schnell wie möglich umgesetzt werden. Die
EU ist dabei im Gegensatz zu Griechenland in einer recht komfortablen
Position: Anzeichen von Ansteckungseffekten sind kaum zu sehen, ihre
Glaubwürdigkeit als Institution hat gewonnen, und es erscheint
unwahrscheinlich, dass die Tsipras-Regierung ein Ja zu den Reformen
in der Volksabstimmung überleben kann. Man hätte also ziemlich
gewiss sogar einen neuen Verhandlungspartner, bei dem das Vertrauen,
dass die beschlossenen Reformen auch wirklich umgesetzt würden,
höher ist als bei der gegenwärtigen Regierung. Ein Nein wäre
natürlich ein großes Problem. Doch selbst bei einem Nein muss
selbstverständlich weiterverhandelt werden – obwohl dann unklar
ist, auf welcher Basis. Es ist aber in jedem Fall falsch, von einem
Votum „über den Euro“ oder sogar von einem Votum über „den
Verbleib in der EU“ zu sprechen. Griechenland bleibt so lange im
Euro und in der EU, wie es will, und obwohl es unter Umständen
Gründe gibt, aus dem Euroraum auszuscheiden, hat das Land in der
gegenwärtigen Situation sicherlich keine Anreize, die EU zu
verlassen. Große Eile ist allerdings weiterhin geboten. Auch wenn
die Regierung Tsipras es nicht wahrhaben will, wird die Notwendigkeit
und Dringlichkeit von Reformen mit jeder Weigerung, ihnen
zuzustimmen, nur umso größer. Griechenland wird heute seine Rate an
den IWF nicht zahlen. Damit reiht sich Griechenland zunächst einmal
unter die wenigen Länder wie Sambia oder Somalia ein, die Schulden
an den IWF nicht pünktlich bezahlt haben. Das erhöht den
Reformdruck immens, einfach deshalb, weil Griechenland ohne eine
Erhöhung der EZB-Nothilfen schlichtweg das Geld ausgeht. Es ist
unwahrscheinlich, dass die EZB es mit ihren Statuten vereinbaren
kann, die Nothilfen an dann wohl insolvente Banken in einem
zahlungsunfähigen Staat weiter aufrechtzuerhalten, ohne zumindest
die Abschläge (haircuts) auf griechische Sicherheiten zu erhöhen.
Die eingeführten Kapitalverkehrskontrollen sind nicht eng genug, um
zu verhindern, dass die Banken dann in den nächsten Tagen
zahlungsunfähig werden – dazu wurden sie zu spät eingeführt und
erlauben noch immer zu viele Ausnahmen. Sperrfrist: 30. Juni 2015,
11:15 Uhr Pressekontakt: Stefanie Orphal +49 345 7753 720 E-Mail:
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7753 700 E-Mail: president@iwh-halle.de Politische Ressorts:
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi),
Bundesministerium der Finanzen (BMF), Bundeskanzleramt
Wissenschaftliche Schlagwörter: Europäische Zentralbank,
Internationaler Währungsfonds, Staatsanleihen, Euroraum Aktueller
Bezug: Grexit-Szenario, Verhandlungen Euro-Gruppe und Griechenland,
Volksabstimmung Griechenland Leibniz-Institut für
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23/2015 2 Abgesehen von diesen Problemen hat das Nichtzahlen der Rate
an den IWF überraschenderweise eher weniger direkte Konsequenzen.
Aus Sicht des IWF ist das Land damit in Zahlungsverzug (arrears),
aber es handelt sich noch nicht um einen Zahlungsausfall (default).
Ein Zahlungsausfall tritt nur dann ein, wenn der Managing Director
des IWF das IWF-Board formal über einen Zahlungsausfall informiert.
Dazu gibt es keine festen Fristen, sondern das liegt in der
Entscheidungsgewalt des Managing Directors. Generell geschieht das
jedoch spätestens einen Monat nach der Nichtzahlung. Sobald das
IWF-Board informiert ist, tritt formal der Zahlungsausfall ein.
Dieser Unterschied ist wichtig, da andere Kreditgeber wie zum
Beispiel die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European
Financial Stability Facility, EFSF) erst dann ihre ausstehenden
Forderungen (130 Mrd. Euro) zurückverlangen könnten. Es ist
allerdings unwahrscheinlich, dass die EFSF von diesem Recht Gebrauch
machen wird. Auch private Geldgeber hätten in vielen Fällen dieses
Recht, doch diese existieren im Fall Griechenlands praktisch nicht
mehr.
Mitteilung des IWH am 30.06.2015
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