Donnerstag, 5. Juni 2014

Aus dem Nordhäuser Schatten ans Licht geholt: Philip Oeser

Wenn man an der gestrigen Vernissage der Ausstellung Philip Oeser in der Flohburg teilnahm, mag man sich schon gefragt haben, warum ein Künstler von seiner Bedeutung, geboren1929 in Nordhausen, (gestorben am 3. Januar 2013 in Weimar-Taubach) in seiner Geburtsstadt bisher eigentlich nur einem kleinen Kreis von Kunstinteressenten wirklich bekannt war. Vor allem die Laudatio von Dr. Cornelie Becker-Lamers (Weimar), die das Leben des Künstlers in allen ihren Phasen fast bis ins letzte Detail beschrieb, mit zahlreichen seiner Tagebuchauszügen bereicherte und sein kreatives künstlerisches Wirken außerordentlich authentisch und anschaulich würdigte, ließ diese Frage trotzdem - oder gerade deshalb - unbeantwortet im Raum stehen.

Nun erinnere ich mich bei dem Versuch, den Verlauf der gestrigen Vernissage in einen Eintrag zu fassen, an eine Art ausführlichen Nachruf in der Internetzeitung im Januar vergangenen Jahres (Autorin ist Heidelore Kneffel) anlässlich des Todes Philip Oesers, in dem es eingangs hieß (Auszug): „Das ist ein großer Verlust...Deshalb habe ich mit anderen Kunstfreunden bedauert, dass man bis heute im Kunsthaus in Nordhausen keine Ausstellung von ihm zeigte (Ende des Auszugs). Der Bericht, den ich „als eine Art ausführlichen Nachruf“ bezeichne und Philip Oeser als Mensch und Künstler beschreibt, schließt wie folgt: „Letztendlich wird Weimar sein Wohn- und Arbeitssitz, wo er sich 2000 mit seiner zweiten Frau ein Haus in Weimar-Taubach baut, in dem er bis zuletzt lebte und trotz krankheitsbedingter Einschränkung weiter an seiner hochsensiblen Druckgrafik arbeitete.“

Dieser Bericht barg eine ganze Anzahl Anregungen zu recherchieren und zu hinterfragen, warum zum Beispiel Philip Oeser in Nordhausen eben nur einem kleinen Kreis Kunstinteressierter bekannt war und warum er auch im Kunsthaus 2013 keine Ausstellungsmöglichkeit erhielt. Es geschah indessen nichts, die Internetzeitung beließ es bei diesem Beitrag Heidelore Kneffels und wer mehr von Philip Oeser und seiner Kunst erfahren wollte, musste zumindest nach Limlingerode, eher aber noch nach Erfurt oder Weimar reisen. Wer aber wollte das schon? Der Mensch und Künstler Oeser blieb in Nordhausen jedenfalls weiter weitgehend unbekannt, wie auch die Gründe den als Helmut Müller Getauften bewogen, 1965 den Pseudonym Philip Oeser anzunehmen.

Heute erhielt ich einen Vorschaubericht des Vorsitzenden des Meyenburg Fördervereins Dr. Wolfgang Pientka zur Ausstellung Gerd Mackensen ab 07. Juni im Kunsthaus Meyenburg. Dort lautet die Titelzeile: „Gerd Mackensen ,abtrünnig' “ Und einleitend (Auszug): „ Wenn man einen Künstler wie Gerd Mackensen nun schon 50 Jahre kennt und davon auch noch eine Zeitlang ihm ganz nahe war und ist, dann kommen einem Gedanken und Erinnerungen verschiedenster Art, wenn man in der Presse liest, dass ab Freitag dieser Woche Werke eines ‚abtrünnigen‘ Nordhäuser Künstlers zu sehen sind…Sicher, hier ist sein Umzug nach Sondershausen gemeint, aber künstlerisch war und ist Gerd Mackensen nie abtrünnig gewesen.“(Ende des Auszugs).

Gerade letzteres scheint bei Philip Oeser nicht der Fall gewesen zu sein. Man mag mir deshalb diesen Einschub nachsehen, der mich damit zwar nicht künstlerisch, wohl aber den äußeren Umständen nach einer Antwort auf die eingangs gestellte unbeantwortete Frage näher bringt.

Und nun also zurück zur gestrigen Vernissage: Begrüßt wurden die zahlreichen Teilnehmer von der Leiterin der Flohburg, Dr, Cornelia Klose, die dabei vor allem Dr. Renate Müller-Krumbach, der zweiten Frau Oesers, und Heidelore Kneffel als Kuratorin der Ausstellung dafür dankte, dass sie sich für das Zustandekommen dieser Ausstellung einsetzten. Wie sie auch allen dankte, die durch Leihgaben, Spenden und Sponsoring die Ausstellung überhaupt ermöglichten. Nachdem sie zum Thema der Ausstellung einen kurzen Überblick gab und als musikalische Umrahmung der Ausstellung das Flötenquartett mit Anne Gründel, Andrea Rose, Hildegard Seidel und Petra Wetzel vorstellte, bat sie Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh um sein Grußwort.

Auch er begrüßte und dankte den schon Genannten und ebenfalls seiner Beigeordneten Hannelore Haase, Dr. Cornelie Becker-Lamers als Laudatorin, um dann wörtlich (nach Mitschnitt) auszuführen: „Sie wissen, Nordhausen ist reich an Geschichte und hat viele Kunstschätze die man aufbewahrt in einer Schatztruhe. Unsere Schatztruhe ist die Flohburg, sie enthält – wie man so schön sagt – viele Juwelen, die glitzern und funkeln auch in allen Ecken, die ich bisher so gar nicht wahrgenommen habeund jetzt in diesem Museum sehr schön präsentiert sind. Ich sage das deshalb so grundsätzlich, weil ich jedesmal überrascht bin. Heute, kann man sagen, ist ein Juwel dazugekommen, in dieser Schatztruhe, man könnte auch sagen ein Brillant, das sind die Werte von Philip Oeser und seiner Frau Marlies Müller. Man könnte sagen, sie führten bislang ein unberechtigtes Schattendasein, nicht ein unberechtigtes Dasein, sondern sie waren unberechtigt im Schatten der Aufmerksamkeit. Und wir freuen uns insbesondere, dass wir sie aus diesem Schattendasein befreien können. Und deswegen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken Frau Kneffel und ihren fleißigen Helfern, die dieses Werk vollbrachten und - (kurzer Einwurf von Frau Kneffel, dass das Schattendasein nur lokal gilt) – dieses Schattendasein beenden und das soll natürlich anders werden. Deshalb Dank an Frau Kneffel, die mit diesem Beitrag die Stadtgeschichte bereichert.“
Dr. Zeh bezeichnete in seinem Grußwort als große Ehre, endlich und erstmals eine Werkschau von Philip Oeser und Marlies Müller im Nordhausen-Museum präsentieren zu können. Um dann weiter auszuführen: „ Philip Oeser kann das nicht mehr erleben – leider – er wäre am 1.Juni, also vor drei (nein 2)Tagen 85 Jahre geworden. Philip Oeser wurde als Helmut Müller am 1. Juni 1929 in Nordhausen geboren, er hat die Stadt im Nationalsozialismus erlebt, er hat das Bombardement in
Nordhausen überstanden und sich an der Enttrümmerung beteiligt. Besonders wichtig ist sein Mitwirken an der Kunstschule von Martin Domke. Der Kunstlehrer hatte den Judenturm gekauft und dann die Kunstschule eingerichtet. Die Kunstschüler haben zusammen mit dem Meister, wie er immer genannt wurde zu allen Zeiten, haben geholfen, die Fenster der St, Blasii-Kirche neu zu gestalten. Bei Domke konnte Helmut Müller seine künstlerische Begabung gezielt weiter entwickeln, so folgte er Martin Domke und ging 1949 gemeinsam mit Marlies Pape zum Studium nach Weimar und später nach Berlin. Nach dem dramatischen Tod seiner Ehefrau Marlies kam er zurück in seine Geburtsstadt. Der Künstler Philip Oeser sagt: Nordhausen ist mein Combray, nach dem Romanzyklus von Marcel Proust: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (führte das weiter aus). Auch Philip Oeser verbindet Nordhausen mit sehr unterschiedlichen Kindheits- und Jugenderinnerungen. Die Ausstellung präsentiert jetzt zum ersten Mal Arbeiten, die einen Bezug zu seiner Geburtsstadt haben und die in dieser Zusammenstellung noch nie der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Erstmalig werden daneben künstlerische Arbeiten der ersten Ehefrau des Künstlers, Marlies Müller, gezeigt. Helmut Müller findet seine Kraft wieder, geht nach Erfurt, später nach Weimar, wo sich sein Leben am 3. Januar 2013 vollendet. Philip Oeser war ein sehr sensibler Mensch zeit seines Lebens der im Elternhaus anerzogenen Grundhaltung verbunden. Sehr verehrte Damen und Herren, ich danke all jenen, die in den letzten Wochen recherchiert, Bilder gerahmt und gehangen haben für ihr Wirken...zur Ehre unserer Stadt. Ich bedanke mich bei allen, die hierhergekommen sind, ich wünsche der Ausstellung viele Besucher und eine große Resonanz für ihr Bemühen. Vielen Dank.“

Soweit das recht ausführliche Grußwort des Oberbürgermeisters. Das ich in dieser Ausführlichkeit schon deshalb so wiedergebe, weil sich Dr. Klaus Zeh offensichtlich mit dieser Ausstellung identifiziert und es ihm wirklich Anliegen ist, den Künstler Philip Oeser anlässlich seines 85. Geburtstages aus seinem Schattendasein ins Licht der Nordhäuser Öffentlichkeit zu rücken. Auf den weiteren Verlauf der Vernissage mit den Laudatien Dr. Cornelie Becker-Lamers und Dr. Renate Müller-Krumbach komme ich nach der weiteren Auswertung des Mitschnitts sicher noch zurück. 

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