Freitag, 27. Juni 2014

Mit Brief und Siegel

Nordhausens Urkunden – ein kultureller Schatz, gewürdigt im Kunsthaus Meyenburg

Man muss Herrn Thomas Müller nur Recht geben, wenn er in der TA schrieb, dass Nordhausen mit geschichtlichen und kulturellen Pfunden so reich versehen ist wie sonst selten eine Stadt in Deutschland – neben Mühlhausen die einzige freie Reichsstadt in den neuen Ländern, Lutherstadt, Hansestadt, mehr als 100 Jahre Geschichte als Endpunkt der HSB, der „Größten unter den Kleinen“. Man könnte diese Aufzählung fortsetzen. Wollte man die Stätten aufzählen, in denen Kultur auf außerordentlich hohem Niveau gepflegt wird, so würde es diesen kleinen Beitrag sprengen. Ebenfalls Recht geben muss man weiter Herrn Müller, dass das Kunsthaus Meyenburg zunehmend auch überregional ausstrahlt und mit Ausstellungen brilliert, die Besucher aus ganz Deutschland anziehen. Und so nimmt es nicht Wunder, dass am Mittwochabend genau an dieser Stätte der Mann referierte, der die Zeugnisse dieser Geschichte bewahrt und pflegt. Gemeint ist Herr Dr. Theilemann, der
die Hörer in die Thematik ‚Urkunden‘ einführte und an Beispielen, teilweise auch im Original, diese gewissermaßen verbrieften Willensbekundungen zeigte und erläuterte. Verglichen mit den heute üblichen Willenserklärungen bestechen diese Zeugen der 1000-jährigen Geschichte unserer Stadt durch fast liebevoll zu nennende und gestochene Schrift, durch Gestaltung, die dem Zeitgeschmack der jeweiligen Epoche entspricht und vor allem durch die faszinierenden Siegel, neben denen die heutigen Amtstempel geradezu ärmlich schlicht wirken.
Ein weiterer Teil des Vortragsabends wurde von Frau Christine Heidel gestaltet, die seit Jahren dem Standesamt vorsteht. In ihren hoch engagierten Ausführungen ging sie vor allem auf die Fälle von Beurkundungen ein, an die man üblicherweise nicht denkt – so zum Beispiel an Fälle von Kindern, die unter Gewaltanwendung gezeugt wurden und wo die Vaterschaft daher nicht geklärt werden konnte. Wer erinnert sich nicht an die so genannten „Wolfskinder“, die nach dem zweiten Weltkrieg umher irrten. Ein zunehmend großer Teil der Arbeit des Standesamtes bilden auch die Beurkundungen der ausländischen Mitbürger – ob sie nun in unserer Stadt studieren oder in der Region arbeiten.
Es nimmt also nicht Wunder, dass am Ende der Ausführungen Beifall aufbrandete, den man im Kunsthaus sonst nur nach Erklingen des Schlussakkords eines Abends der Reihe KAMMERKONZERT IM KUNSTHAUS erleben konnte. Anstelle einer Zugabe sprengte die anschließende Diskussion fast den Rahmen der Veranstaltung. Alle Teilnehmer –
einschließlich der Vortragenden – waren sich einig, dass eine ähnliche Veranstaltung mit diesen Referenten und in diesem Rahmen in naher Zukunft in die Planung des KUNSTHAUS MEYENBURG Förderverein aufgenommen werden müsste. Themen wurden bereits angedacht. Da Frau Heidel ebenfalls Mitglied in diesem Förderverein ist, dürfte kaum etwas dagegen stehen.
Bleibt vielleicht die Frage, wieso dieser Abend gerade zu einem Zeitpunkt stattfand, wo im gesamten Kunsthaus die Werke von Gerd Mackensen zu sehen sind? Ganz einfach – weil die Mutter von diesem Künstler über viele Jahre das Standesamt leitete, gewissermaßen als Vorgängerin von Frau Heidel.
Vielleicht schaut dieser oder jener Leser in seine Heiratsurkunde. Der Unterzeichnende tat dies und fand säuberlich den Namen ‚Mackensen‘. Eine schöne Brücke zwischen diesem Abend und der Ausstellung!


Dr. Wolfgang R. Pientka Vorsitzender des KUNSTHAUS MEYENBURG Fördervereins

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen