In der „Thüringer Allgemeine“
wurde dieses Thema in jüngster Zeit relativ lebhaft erörtert. Und
immerhin war es Chefredakteur Paul-Josef Raue wert, sich wiederholt
dazu zu äußern. Dabei konzentrierte sich das Thema zunächst auf
die Frage, wo Leserbriefschreiber nach ihrer vermutlichen Mentalität
( glücklich oder unglücklich) einzuordnen sind.
Was mich dabei etwas erstaunt, ist die
noch immer gute Meinung des Chefredakteurs über Redakteure im
allgemeinen. Und natürlich in seiner „Thüringer Allgemeine“(TA).
Wenn ich da zum Beispiel lese (Auszug am 7.Juni): „Wir sehen oft
notgedrungen, meist die dunklen Seiten der Welt. Wir decken auf, wenn
die Mächtigen übermütig werden, und schreiben selten, dass sie –
wie die meisten Menschen – ihre Arbeit anständig erledigen.“(Ende
des Auszugs). Allein schon der Umgang der Presse mit Christian Wulff
in seiner Zeit als Bundespräsident ist für mich Beispiel dafür,
dass jene, die Raue als „wir“ bezeichnet, nicht zögern,
Treibjagd auf jemanden zu machen, der ins Visier der Medien geraten
ist. Und ihn hetzen, bis er zur Strecke gebracht ist. Es soll hier
damit sein Bewenden haben. Die Zeiten gegenüber früher sind nun mal
so wie sie sind und der Zeitgeist von Journalisten und Redakteuren
hat sich vielfach angepasst. Und wenn Raue weiter meint (weiterer
Auszug): „Gut, dass wir in einem Land leben, in dem Redakteure den
Mächtigen auf die Finger klopfen und in dem sich vieles ändern
kann“ (Ende des Auszugs), dann stünde ihnen allen etwas mehr
Selbsteinsicht und – kritik gut an. Denn da ist niemand mehr, der
Journalisten auf die Finger klopfen könnte, wenn sie sich zu
selbstgefällig geben. Nicht ohne Grund stehen Journalisten in der
Prestigeskala (Allensbach) ganz unten. Das mag in gewisser Weise in
der Natur der sehr verantwortungsvollen Aufgabe der Journalisten
liegen. Es liegt aber zumindest ebenso im Charakter und der
Verhaltensweise der Journalisten selbst begründet. Wann räumt schon
ein Redakteur oder Journalist ein, dass er sich „beschämt“
sieht, wie es Paul-Josef Raue am 7. Juni angesichts der Argumentation
eines Leserbriefschreibers getan hat? Nur zu oft fühlt man sich
angesichts ihres Verhaltens und ihrer Vorgehensweise an Wilhelm Busch
erinnert: „Ist erst der gute Ruf ruiniert...“. Falls sie
überhaupt ein Gespür dafür haben. Jeder aber hat es in der Hand,
sich sein eigenes Image zu verdienen.
Und was den Zeitgeist angeht, trifft
der meines Erachtens mehr noch auf das Verhalten, die Reaktionen
und die Kommentare der Mediennutzer und besonders der Zeitungsleser
zu. Es hat solche immer gegeben und bis zum Aufkommen des Internet
war das offene Bekenntnis des Leserbriefschreibers zu seiner
Meinung selbstverständlich. Aufgekommen ist die Diskussion mit dem
Internet, vielfach sogar angeregt durch die Redaktionen der
Zeitungen. Und wenn sich die Themenführung in der TA schließlich
auf die Überlegung verlagert, ob Online-Kommentatoren eher
unglücklich sind (14. Juni), dann scheint mir das Thema recht
vordergründig und einseitig. Ich kenne gerade aus dem Lokalteil der
TA Leser, die als Autoren von Berichten wirken und ebenso als
Leserbriefschreiber. Und wer weiß schon, ob sie nicht auch noch im
Internet als anonyme Kommentatoren mitmachen? Auch das ist nur ein
Beispiel dafür, dass heutzutage so ziemlich alles möglich ist. Die
Fronten haben sich verschoben, sind verschwommener geworden und man
weiß oft nicht mehr, ob man es mit einen Redakteur, einen
„gestandenen“ Journalisten, einen Bürgerreporter oder einfach
einem Zeitungsleser zu tun hat, der mitreden oder eben seine Meinung
äußern möchte. Wer blickt da noch durch? Schlimm finde ich dabei,
dass es ja die Redaktionen waren, die das alles anregten und
zuließen. Ohne wenigstens gleichzeitig deutlich zu machen, dass dazu
auch ein gewisses Maß an Moral und Umgangsformen gehört. Und die
heute beklagen, dass dieses Mitwirken oft genug kaum noch zu zügeln
ist.
Ich finde es deshalb und abschließend
gut, dass Chefredakteur Paul-Josef Raue wenigstens für seine Zeitung
meint (Auszug): „Es scheinen doch eher die Online-Kommentar-Foren
der Tummelplatz für Unzufriedene zu sein. Was früher der Spucknapf
war, ist heute die Kommentar-Funktion. Damit kann alles und jeder
verunglimpft werden. Viele verschanzen sich dafür hinter einem
Pseudonym.“ (Ende des Auszugs). Und demgegenüber betont, dass in
seiner Zeitung die Regeln für Kommentare wie auf der Leser-Seite
gilt (Auszug): „Wir müssen wissen, wer uns schreibt – also hat
sich jeder Leser-Kommentator zu registrieren.“ (Ende des Auszugs.)
Und er betont, dass die Beachtung von Sachlichkeit, Fairneß und
Anstand bei Meinungen und Kommentaren Bedingung sind. „Wer einen
Leserbrief verfasst, muss mit seinen richtigen Namen dafür
einstehen“. So war es früher und so sollte es grundsätzlich
(wieder) sein und bleiben.
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