Freitag, 10. Oktober 2014

Klage und Anklage in der Kunst der Käthe Kollwitz

Das gestrige „Zwiegespräch mit der Künstlerin Käthe Kollwitz“, das in einer Führung durch die Ausstellung „Gezeichnetes Gewissen“ im Kunsthaus Meyenburg bestand, war die bisher sicher anschaulichste Begegnung mit den Werken der Künstlerin im Rahmen dieser Ausstellung. Und Susanne Hinsching, Kunsthistorikerin und Leiterin des Kunsthauses, vermochte aus der Sicht der Fachfrau mit emotionalen Tiefgang dieses Zwiegespräch zu führen. Und dabei eindrucksvoll zu vermitteln, warum die Werke Käthe Kollwitz trotz oder gerade wegen ihren sozialkritischen Aussagen zu den Eindrucksvollsten im Kunstschaffen des
20. Jahrhunderts gehören. Dabei ist die Formulierung „sozialkritisch“ eigentlich schon viel zu theoretisch, denn was sie in Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken auf ergreifende Weise darstellte, waren tief bewegende religiöse und spirituelle Themen sowie existentielle Zustände des Menschen, die von Susanne Hinsching anschaulich erläutert wurden. Und Zuhörern und Betrachtern dabei zu Empathie und Kontemplation anregen konnten. Und sollten.


Ähnliches gilt ja wohl auch für Ernst Barlach, einem Zeit- und Schicksalsgenossen von Käthe Kollwitz. Dem allerdings immer auch eine gesonderte Rolle innerhalb des deutschen Expressionismus zukam. Er reduzierte dabei das Äußere, also den Körper seiner Figuren, auf das Nötigste, um in ihren Gesichtern und Händen seine innere Verfassung darzustellen. Dr. Wolfgang Pientka, Vorsitzender des Meyenburg-Fördervereins, widmete diesem Künstler ja unlängst einen Vortrag in „Kunst & Kaffee“.


Mit ihren Arbeiten machte sich Käthe Kollwitz als
Künstlerin einen Namen, doch gerade die Regierung empfand ihre Kritik häufig als unnötig und ungehörig. Käthe Kollwitz aber benutzte ihre künstlerischen Fähigkeiten stes und bewusst dazu, für die Arbeiter einzutreten und auf soziale Missstände hinzuweisen. Neben der Grafik und der Malerei entdeckt sie dafür auch immer mehr die bildhauerische Plastik für sich.


Susanne Hinsching erläuterte anhand der ausgestellten Werke zunächst, wie sehr Käthe Kollwitz im Theater doch von der Uraufführung von Gerhart Hauptmanns sozialkritischem Stück "Die Weber" beeindruckt wurde, dass sie dazu über mehrere Jahre den druckgrafischen Zyklus "Ein Weberaufstand" gestaltete (zu sehen im Terrassenzimmer des Kunsthauses) Wie das Stück, setzen sich die Drucke mit der Hungerrevolte der schlesischen Weber auseinander. 1898 gelingt Käthe Kollwitz mit diesem Zyklus auf der "Großen Berliner Kunstausstellung" der künstlerische Durchbruch.


Eindrucksvoll sind die Bilder und nicht weniger Hinschings Erläuterungen, nach denen Kollwitz die Elenden, Kranken und
Betrogenen zeichnete. Sie demonstrierte für die Rechte der Frauen und vor allem der armen Proletarierinnen. Dies war allerdings vielfach mit Problemen verbunden, da die Männer Frauen keine Rechte zugestehen wollten. Sie ist ihr ganzes Leben für die Rechte der Frauen eingestanden und hat sie in jeder Lebenslage der damaligen Zeit veranschaulicht. Und nicht weniger eindrucksvoll sind ihre Bilder zum Thema Tod, ausgelöst durch die vielen Kriege. 1914 fällt Sohn Peter im 1. Weltkrieg – für die Mutter ein zutiefst einschneidendes Erlebnis, das sie zur Pazifistin macht. Der Tod ihres Sohnes sowie die Erfahrungen des Krieges beeinflussen ihre darauf folgenden Arbeiten außerordentlich. Deshalb spielt
das Elend des Krieges die zentrale Rolle in fast all ihren Bildern, wobei der Tod oft als Erlösung angesehen wird. So rüttelt sie die Gesellschaft auf und macht ihre Ansichten publik. Ihre Kunst ist Klage und zugleich auch Anklage.
Besondere Bedeutung haben in der Kunst Käthe Kollwitz ihre Selbstportraits, von denen in „Das gezeichnete Gewissen“ eine ganze Anzahl zu sehen sind. Susanne Hinsching betonte, dass sich die Künstlerin ganz bewusst selbst darstellte, diese von 1888 bis 1943 eine zentrale Rolle spielten und zur Selbstbefragung, Selbstbeobachtung und Selbsterforschung dienten. Sie wollte auf diese Weise das menschliche Wesen ergründen. Käthe Kollwitz malte sich also nicht selbst aus Mangel an Modellen, sondern weil sie durch die vielen Selbstportraits Gestik usw. studierte und so ihre Gesichtszüge mit denen anderer Modelle vermischte.
Nachdem Käthe Kollwitz 1942 erleben musste, wie auch ihr Enkel Peter in Russland fiel, entstand ihre letzte Lithographie, eine Mutter, die ihre Arme schützend um ihre Kinder legt, schützend vor dem Krieg. Käthe Kollwitz nannte das Werk: „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen
werden“. Es ist ihr Testament.
1943 verließ Käthe Kollwitz das Haus, in dem sie über 50 Jahre gewohnt hatte. Als es bald darauf zerbombt wurde, waren damit auch viele ihrer Arbeiten für immer verloren. Einer Einladung folgend, zog sie zunächst nach Nordhausen und fand danach ihr letztes Zuhause in Moritzburg bei Dresden, wo sie 1945, wenige Tage vor Kriegsende, starb.
Das Vermächtnis der Käthe Kollwitz könnte nicht aktueller sein: „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“ und „Nie wieder Krieg“.



Dieser Eintrag lehnt sich mehr sinngemäß an die Ausführungen der Kunsthistorikerin Susanne Hinsching an, was sich durch den Umstand erklärt, dass ich durch meine eingeschränkte Beweglichkeit nur verlangsamt der Führung zu folgen vermochte. Und die Erklärungen Hinschings nicht mitschneiden konnte. Es soll aber gleichzeitig darauf hingwiesen sein, dass eine weitere Führung durch die Ausstellung am kommenden Sonntag um 15 Uhr stattfindet.

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