Das gestrige „Zwiegespräch mit der Künstlerin Käthe
Kollwitz“, das in einer Führung durch die Ausstellung
„Gezeichnetes Gewissen“ im Kunsthaus Meyenburg bestand, war die
bisher sicher anschaulichste Begegnung mit den Werken der Künstlerin
im Rahmen dieser Ausstellung. Und Susanne Hinsching,
Kunsthistorikerin und Leiterin des Kunsthauses, vermochte aus der
Sicht der Fachfrau mit emotionalen Tiefgang dieses Zwiegespräch zu
führen. Und dabei eindrucksvoll zu vermitteln, warum die Werke Käthe
Kollwitz trotz oder gerade wegen ihren sozialkritischen Aussagen zu
den Eindrucksvollsten im Kunstschaffen des
20. Jahrhunderts gehören.
Dabei ist die Formulierung „sozialkritisch“ eigentlich schon viel
zu theoretisch, denn was sie in Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken
auf ergreifende Weise darstellte, waren tief bewegende religiöse und
spirituelle Themen sowie existentielle Zustände des Menschen, die
von Susanne Hinsching anschaulich erläutert wurden. Und Zuhörern
und Betrachtern dabei zu Empathie und Kontemplation anregen konnten.
Und sollten.
Ähnliches gilt ja wohl auch für Ernst Barlach, einem Zeit- und
Schicksalsgenossen von Käthe Kollwitz. Dem allerdings immer auch
eine gesonderte Rolle innerhalb des deutschen Expressionismus zukam.
Er reduzierte dabei das Äußere, also den Körper seiner Figuren,
auf das Nötigste, um in ihren Gesichtern und Händen seine innere
Verfassung darzustellen. Dr. Wolfgang Pientka, Vorsitzender des
Meyenburg-Fördervereins, widmete diesem Künstler ja unlängst einen
Vortrag in „Kunst & Kaffee“.
Mit
ihren Arbeiten machte sich Käthe Kollwitz als
Künstlerin einen
Namen, doch gerade die Regierung empfand ihre Kritik häufig als
unnötig und ungehörig. Käthe Kollwitz aber benutzte ihre
künstlerischen Fähigkeiten stes und bewusst dazu, für die Arbeiter
einzutreten und auf soziale Missstände hinzuweisen. Neben der Grafik
und der Malerei entdeckt sie dafür auch immer mehr die
bildhauerische Plastik für sich.
Susanne
Hinsching erläuterte anhand der ausgestellten Werke zunächst, wie
sehr Käthe Kollwitz im Theater doch von der Uraufführung von
Gerhart Hauptmanns sozialkritischem Stück "Die Weber"
beeindruckt wurde, dass sie dazu über mehrere Jahre den
druckgrafischen Zyklus "Ein Weberaufstand" gestaltete (zu
sehen im Terrassenzimmer des Kunsthauses) Wie das Stück, setzen sich
die Drucke mit der Hungerrevolte der schlesischen Weber auseinander.
1898 gelingt Käthe Kollwitz mit diesem Zyklus auf der "Großen
Berliner Kunstausstellung" der künstlerische Durchbruch.
Eindrucksvoll
sind die Bilder und nicht weniger Hinschings Erläuterungen, nach
denen Kollwitz die Elenden, Kranken und
Betrogenen zeichnete. Sie
demonstrierte für die Rechte der Frauen und vor allem der armen
Proletarierinnen. Dies war allerdings vielfach mit Problemen
verbunden, da die Männer Frauen keine Rechte zugestehen wollten. Sie
ist ihr ganzes Leben für die Rechte der Frauen eingestanden und hat
sie in jeder Lebenslage der damaligen Zeit veranschaulicht. Und nicht
weniger eindrucksvoll sind ihre Bilder zum Thema Tod, ausgelöst
durch die vielen Kriege. 1914
fällt Sohn Peter im 1. Weltkrieg – für die Mutter ein zutiefst
einschneidendes Erlebnis, das sie zur Pazifistin macht. Der Tod ihres
Sohnes sowie die Erfahrungen des Krieges beeinflussen ihre darauf
folgenden Arbeiten außerordentlich. Deshalb
spielt
das Elend des Krieges die zentrale Rolle in fast all ihren
Bildern, wobei der Tod oft als Erlösung angesehen wird. So rüttelt
sie die Gesellschaft auf und macht ihre Ansichten publik.
Ihre Kunst ist Klage und zugleich auch Anklage.
Besondere
Bedeutung haben in der Kunst Käthe Kollwitz ihre Selbstportraits,
von denen in „Das gezeichnete Gewissen“ eine ganze Anzahl zu
sehen sind. Susanne Hinsching betonte, dass sich die Künstlerin ganz
bewusst selbst darstellte, diese von 1888 bis 1943 eine zentrale
Rolle spielten und zur Selbstbefragung, Selbstbeobachtung und
Selbsterforschung dienten. Sie wollte auf diese Weise das menschliche
Wesen ergründen. Käthe Kollwitz malte sich also nicht selbst aus
Mangel an Modellen, sondern weil sie durch die vielen Selbstportraits
Gestik usw. studierte und so ihre Gesichtszüge mit denen anderer
Modelle vermischte.
Nachdem Käthe Kollwitz 1942 erleben musste, wie auch ihr Enkel
Peter in Russland fiel, entstand ihre letzte Lithographie, eine
Mutter, die ihre Arme schützend um ihre Kinder legt, schützend vor
dem Krieg. Käthe Kollwitz nannte das Werk: „Saatfrüchte sollen
nicht vermahlen
werden“. Es ist ihr Testament.
1943 verließ Käthe Kollwitz das Haus, in dem sie über 50 Jahre
gewohnt hatte. Als es bald darauf zerbombt wurde, waren damit auch
viele ihrer Arbeiten für immer verloren. Einer Einladung folgend,
zog sie zunächst nach Nordhausen und fand danach ihr letztes Zuhause
in Moritzburg bei Dresden, wo sie 1945, wenige Tage vor Kriegsende,
starb.
Das
Vermächtnis der Käthe Kollwitz könnte nicht aktueller sein:
„Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“ und „Nie wieder
Krieg“.
Dieser
Eintrag lehnt sich mehr sinngemäß an die Ausführungen der
Kunsthistorikerin Susanne Hinsching an, was sich durch den Umstand
erklärt, dass ich durch meine eingeschränkte Beweglichkeit nur
verlangsamt der Führung zu folgen vermochte. Und die Erklärungen
Hinschings nicht mitschneiden konnte. Es soll aber gleichzeitig
darauf hingwiesen sein, dass eine weitere Führung durch die
Ausstellung am kommenden Sonntag um 15 Uhr stattfindet.
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