Freitag, 24. Oktober 2014

Verflacht Journalismus weiter?

Ein offizielles Dementi aus dem Nordhäuser Rathaus nach einer TA-Meldung lässt mich diese Überlegung anstellen. Es erfolgte, nachdem die „Thüringer Allgemeine“ am Mittwoch (22.10.) auf ihrer Titelseite die Frage stellte: „Wird die Nordhäuser Straßenbahn abgeschafft?“ Im Lokalteil wird sehr ausführlich aus dem nichtöffentlichen Teil der jüngsten Stadtratsitzung in Nordhausen berichtet, wonach im Ergebnis eines entsprechenden Gutachtens die Nordhäuser Straßenbahn abgeschafft werden solle.

In dem Dementi aus der Stadtverwaltung zu dieser Meldung heißt es: „Diese Nachricht ist frei erfunden. Die Nordhäuser Straßenbahn soll nicht abgeschafft werden“, sagt der Oberbürgermeister. „Dieser Vorschlag existiert an keiner Stelle, wurde nie unterbreitet:“ Und weiter: „Seitens der Tageszeitungs-Redaktion wird ein weiteres Mal mit Gerüchten und Tatsachenbehauptungen operiert. Das ist bedauerlich. Zumal auch hier die Rückfrage bei der Stadtverwaltung unterblieb. Aber auch in diesem Fall ist das nicht zu ändern.

Dabei bezieht sich die Stadtverwaltung auf einen Kommentar von Thomas Müller am 10.10. „Das Riff in Sicht“. Darin hatte der Leiter der Lokalredaktion die Haushaltsführung der Stadtverwaltung und damit den „Ex-Finanzminister“ und nunmehrigen Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh kritisiert. Und bezweifelt, dass bis Jahreswechsel ein neuer Haushaltsplan erstellt werden kann.

Der OB nahm wie folgt Stellung: „Ich bedauere, dass die Redaktion der „Nordhäuser Allgemeinen“ die Möglichkeit zum Nachfragen nicht wahrgenommen hat, nachdem auf dem Hauptausschuss des Stadtrates die aktuelle Finanzlage der Stadt Nordhausen dokumentiert wurde. Bereits vor der Sitzung wurden der Presse die Unterlagen zugesandt, die auf der Sitzung später präsentiert wurden.“ Und erläuterte detailliert, um was es wirklich geht.

In beiden Fällen also ergeht seitens der Stadtverwaltung eine offizielle Pressemitteilung, aber sowohl die Internet-Portale als auch die Print-Ausgabe der „Nordhäuser Allgemeine“ nehmen sie erkennbar zur Kenntnis. Selbsteinsicht oder Selbstkritik scheint nicht Sache der „Nordhäuser Allgemeine „ zu sein. Und dass auch kein sonstiges Internet-Portal die Stellungnahmen oder Klarstellungen der Stadtverwaltung akzeptiert und öffentlich macht, die sich doch sonst keine offizielle Mitteilung entgehen lässt, um sie zu veröffentlichen, ist schon bezeichnend. (Mir fällt da ein Spruch ein, in dem es um Krähen untereinander geht...)

Würden einem Politiker mit einigen Einfluss derart fragwürdige Aussagen in so kurzer Zeit unterlaufen, wäre das schon ein Grund, seinen Rücktritt zu fordern. Bei Zeitungsenten dieser Art und diesem Zeitraum stellt man als Leser höchstens achselzuckend fest: „Da wurde wieder mal Schmarrn verzapft“.

Es geht aber doch um die Glaubwürdigkeit von Zeitungen und Nachrichten-Portale. Und dabei fällt mir unwillkürlich ein, dass es doch kein Geringerer als Bundespräsident Joachim Gauck war, der bereits 2013 vor Zeitungsverlegern u.a. ausführte (Zitat aus 2013): „Es gibt nicht nur das Bedürfnis nach Unterhaltung, sondern auch das Bedürfnis nach Information. Unser Bedürfnis nach Klarheit und Orientierung, nach verlässlichen Fakten und verständlicher Deutung, das wird fortbestehen, auch weil mehr und mehr Nachrichten ungefiltert auf uns einströmen.“ (Ende des Zitats). Und anlässlich des neulich gefeierten 65. Geburtstages der Bundespressekonferenz warnte der Bundespräsident erneut in seiner Festansprache vor den Gefahren eines unreflektierten Turbojournalismus im digitalen Zeitalter: „Qualität braucht Zeit. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur das nächstliegende Klischee wiederholt und vorschnell der Stab gebrochen wird über Menschen und Ideen". Sonst gerieten Behauptungen in die Welt, "die nur schwer rückholbar sind, und Urteile über Menschen, die haften bleiben, eben auch Fehlurteile.“


Es scheint indessen, dass ungeachtet dieser Warnungen der Turbojournalismus fortschreitet. Und der hat mit seriösem oder gar Qualitätsjournalismus kaum noch etwas zu tun. Aber, so heißt es in ersterwähntem Dementi, auch in diesem Fall ist das nicht zu ändern. Nur in diesem Fall? kann man da nur fragen.

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