Freitag, 24. Oktober 2014

Anfälligkeit für wiederholte Depression lässt sich berechnen

2500 Nordhäuser leiden an Depressionen“ überschrieb die „Nordhäuser Allgemeine“ am 10. Oktober einen Bericht, in dem es im Ergebnis einer Studie der Hochschule Nordhausen um die Erscheinung und Auswirkungen dieser Erkrankung ging. Am 22. Oktober sollte es dort einen Vortrag über „Familienmedizin und psychische Gesundheit – Erfahrungen in Israel“geben, über den die NA sicher noch berichten wird. Weitere Vorträge zu dieser Problematik seien nach dem Bericht vorgesehen.

Die Ruhr-Universität Bochum offeriert nun einen Bericht, in dem es um tiefere Ursachen von Depressionen und deren weiteren Verlauf geht. Darin heißt es:

Ob man an immer wieder auftretenden Depressionen erkrankt, hängt nicht vom Zufall ab. Neurowissenschaftler der Mercator Forschergruppe „Strukturen des Gedächtnisses“ verfol-gen mit ihrer Forschung einen ganz neuen Ansatz und nutzen computerbasierte Rechenmo-delle zur Untersuchung der Krankheit. Diese zeigen: Die ungünstige Kombination bestimm-ter innerer und äußerer Einflüsse führt zu chronischer Depression. Das Journal PLoS ONE veröffentlichte die Ergebnisse dieser Arbeit.
Selver Demic und seine Kollegen von der Mercator Forschergruppe wollen mehr über die Ursachen von Depression herausfinden. „Ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung erleiden irgendwann im Leben eine depressive Episode“, so Demic. „Innerhalb dieser 20 Prozent gibt es Menschen, die nach einer einmaligen Depression nie wieder Probleme haben. Der andere Teil jedoch leidet trotz Medikamenteneinnahme wiederholt oder chronisch unter der Krank-heit. Wir wollten mit unserem Modell die beobachteten Vorfalls- und Rückfallhäufigkeiten erklären.“

Unglückliche Kombination von Faktoren

Demic nutzte Parameter wie Vergesslichkeit, innere Einstellung und die Aktivität des körper-eigenen Stimmungsaufhellers Serotonin, die als Ursachen für Depression bekannt sind. Auch äußere Einflüsse wie Familie und Beruf gehörten dazu. Im Unterschied zu bisherigen Forschungen integrierte er diese Faktoren in ein einziges Modell. Danach war klar: Eine Er-klärung für die beobachteten Häufigkeiten fand sich nur bei der Annahme von zwei unter-schiedlichen Gruppen von Patienten. Eine Hochrisikogruppe, deren Parameter so unglück-lich liegen, dass sie wiederholt unter Depressionen leiden werden. Und eine andere Gruppe, die nur im Ausnahmefall erkrankt.

Verschiedene Stadien der Krankheit

Ein weiteres Anliegen der Wissenschaftler war es, eine systematische und auf objektiven Tat-sachen basierte Definition der verschiedenen Krankheitsstadien einer Depression zu erstel-len. Bereits in der Vergangenheit einigten sich Psychologen und Ärzte auf verschiedene Pha-sen: Die depressive Episode, die festgestellt wird, nachdem die charakteristischen Symptome wie Antriebslosigkeit und Traurigkeit mindestens 14 Tage angehalten haben. Die Erholungs-phase, von der man spricht, wenn der Patient mindestens ein halbes Jahr lang keine Symp-tome zeigt. Und die Remissions- beziehungsweise Rückfallphase, wenn zwischen zwei de-pressiven Episoden weniger als ein halbes Jahr liegt.

Objektive Tatsachen statt Intuition

„Bei der Entscheidung, in welcher Phase ein Patient gerade ist, fließen jedoch auch immer Intuition und Erfahrungswerte des Psychologen oder Arztes mit ein. So ist es zum Beispiel oft unklar, ob ein Patient in der Remission oder in der Erholung ist, wenn er in sechs Mona-ten einige wenige Tage lang depressive Symptome zeigt“, weiß Demic. Der Neurowissen-schaftler entwickelte daher ein mathematisches Modell, einen sogenannten endlichen Zu-standsautomaten. Dieses Werkzeug wird jeden Tag mit Daten über den Zustand eines Pa-tienten gespeist. Daraus berechnet der Zustandsautomat als Ergebnis des Zeitverlaufs, in welchem Krankheitsstadium sich der Patient befindet.

Diskussion erwünscht

„Unser Ansatz, Depression zu verstehen, ist ein ganz neuer“, so Demic. „Wir erwarten also eine rege Diskussion mit Ärzten, Psychologen und anderen Wissenschaftlern. Wichtig ist jedoch, dass wir das Potenzial von computerbasierten Modellen für die Erforschung von De-pression aufgezeigt haben.“

Über die Mercator Forschergruppe „Strukturen des Gedächtnisses“

In einem gemeinsamen Projekt mit der Stiftung Mercator hat die Ruhr-Universität Bochum die Mercator Forscher-gruppe „Strukturen des Gedächtnisses“ eingerichtet. Das Team aus experimentellen und theoretischen Neurowis-senschaftlern sowie Philosophen untersucht seit 2010 episodische und semantische Gedächtnisprozesse und ihre Beziehungen zu anderen kognitiven Funktionen.

Raffaela Römer Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum


Mitteilung des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 22.10.14

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