Donnerstag, 16. Oktober 2014

Was war, was ist, was wird?

Es fällt mir derzeit nicht leicht, meine Gedanken und Überlegungen „in die Reihe“ zu bringen. Dabei meine ich, dass das nicht so sehr an meinem Kopf liegt, als vielmehr an der Vielzahl der aktuellen Vorgänge in der lokalen, der regionalen und der Weltpolitik. Etwas viel, was es da zu überlegen gibt, wenn man sich für das Geschehen sowohl vor der Haustür, als auch für die Ereignisse und Probleme weiter weg interessiert.


Vornehmlich geht es mir dabei als Zeitungsleser und Internetnutzer um die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Nachrichten, Berichte und Kommentare. Einem Thema, das ja schon oft Gegenstand meiner Überlegungen war, die ich auch hier in meinem Blog festgehalten habe.


Am 25.Oktober findet in Leipzig der Medientag 2014 Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen statt, in dessen Vorfeld ich meinen Überlegungen um die Situation der gedruckten und Internet-Medien besondere Bedeutung beimesse.


Und da sind die Berichte zum 65.Geburtstag der Bundespressekonferenz und insbesondere die Ausführungen des Bundespräsidenten Joachim Gauck in seiner Festrede für mich – und sicher nicht nur für mich - recht hilfreich.


Bei Kress Media lese ich dazu, dass der Bundespräsident eine Zukunft für den Qualitätsjournalismus in Deutschland sieht. Er warnt allerdings dringend vor den Gefahren eines unreflektierten Turbojournalismus im digitalen Zeitalter. (Zitat): Qualität braucht Zeit. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur das nächstliegende Klischee wiederholt und vorschnell der Stab gebrochen wird über Menschen und Ideen“ (Zitat Ende).


Es ist , wie bemerkt, ein Zitat aus der Rede des Bundespräsidenten, in der er weiter erklärte (Auszug): „Manchmal beschleicht mich der Eindruck, eine Nachricht wird nur deshalb publiziert, weil sie dran ist, nicht weil etwas drin ist. Weil etwas los sein muss, nicht weil etwas los ist. Weil man unbedingt der Erste sein will. . . (Etwa) nach dem Motto: Hauptsache, der Ticker läuft! Das Tempo, mit dem dann Themen durch die Arena gejagt, Nachrichten produziert . . . Standpunkte verbreitet und relativiert werden, ist einfach atemberaubend.“(Ende des Auszugs). Um als Leser die Richtigkeit dessen festzustellen, genügt es, die lokalen Nachrichtenportale aufzurufen, die inzwischen mehr und mehr diesem Trend folgen.


Nun fand ja erst neulich der BDZV-Zeitungskongress 2014 statt, der mich an die Rede des Bundespräsidenten anlässlich des Kongresses 2013 erinnerte. Dort nämlich machte er einige grundsätzliche Ausführungen zur Zukunft der Zeitungen, die ich mir hier auszugsweise vergegenwärtige: (Auszüge): „Ich wage heute den Satz: Die Zeitung hat eine Zukunft. Ihre Form mag veränderlich sein, vielleicht auch in Frage stehen. Aber ihre wichtigste Rolle für ein tieferes Verständnis und die Weiterentwicklung unserer Demokratie kann und sollte konstant bleiben. Ich meine und ich spreche vom Qualitätsjournalismus.
Qualitätsjournalismus ist nicht an eine bestimmte Form gebunden – etwa an das Papier –, sondern natürlich an Inhalte, an eine Methode, die journalistische Methode. Der Journalismus der Zukunft mag ganz oder auch teilweise anders aussehen und anders funktionieren als heute. Das mag sein. Aber ich bin ganz zuversichtlich: Es wird ihn geben! Denn vieles verändert sich um uns herum, eines jedoch bleibt: Es gibt nicht nur das Bedürfnis nach Unterhaltung, sondern auch das Bedürfnis nach Information. Unser Bedürfnis nach Klarheit und Orientierung, nach verlässlichen Fakten und verständlicher Deutung, das wird fortbestehen, auch weil mehr und mehr Nachrichten ungefiltert auf uns einströmen.
Eine gute Zeitung wird uns deshalb die Zeit, unsere Zeit, erklären. Qualitätsjournalismus ist etwas anderes als eine mit Fotos aufgehübschte Sammlung von Meldungen oder PR-Texten. Eine gute Zeitung wählt Nachrichten nach Kriterien der Relevanz aus, ordnet sie in Zusammenhänge ein, interpretiert und bewertet sodann das Geschehen. Eine gute Zeitung leistet also genau das, was wir angesichts der Informationsflut dringend brauchen: Sie zeichnet große Linien und vermittelt verschiedene Standpunkte.
Meine Damen und Herren, ich danke jedem Einzelnen von Ihnen, der sich für Qualitätsjournalismus in unserem Land stark macht! Bitte betrachten Sie diesen Dank – neben wenigen kritischen Anmerkungen, die ich Ihnen heute vielleicht zumute – als meine wichtigste Botschaft. Danke für alles, was Ihre Zeitungen unserer Demokratie an Erkenntnis, an Meinungsvielfalt und an Debattenreichtum schenken!
Sie merken, einem Zeitungspessimismus kann ich nicht das Wort reden. Allerdings möchte ich auch nicht in das Gegenteil verfallen, in einen naiven, schönfärberischen Blick auf die Lage. Es stellt sich durchaus die Frage: Ist die wichtige Funktion der Zeitungen für unsere Demokratie durch die Veränderungen am Markt gefährdet?
Ich habe den Eindruck: Die Risiken existieren, sind unübersehbar, weil die Transformation am Zeitungsmarkt die Rolle des Journalismus für unsere Demokratie im Kern berührt. Und mit diesem Kern meine ich genau den Teil von Qualität, der sich nicht in Papiermengen oder Pixeln messen lässt, sondern eine Konstante bei allem Wandel bleiben muss: die Glaubwürdigkeit einer Zeitung. Glaubwürdigkeit, das ist für mich genau das, was eine gute Zeitung ausmacht. Glaubwürdigkeit muss guten Journalismus auch künftig prägen, wenn wir einmal alle Äußerlichkeiten – alle Form- und Formatfragen – beiseitelassen.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs. Das Miteinander – oder sagen wir: Nebeneinander – von analogen und digitalen Zeitungen ist weit mehr als eine Formfrage, das habe ich jedenfalls so gelernt. Viele Stunden dieser Konferenz waren diesem Thema gewidmet. Gestern Abend habe ich noch überlegt, ob ich mich auf die Debatte um "Pixel versus Papier" als Laie überhaupt einlassen sollte. Kulturpessimismus gehört bekanntlich nicht zu meiner Arbeitsplatzbeschreibung. Jetzt, wo ich in einem Saal voller Experten stehe, möchte ich am liebsten behelfsmäßig ein paar Vergleiche heranziehen, wie Sie es auch in Ihrem Konferenzprogramm getan haben. Unter dem Motto: Die totgesagte Musikindustrie? Es gibt sie noch! Der totgesagte Ladenhandel? Es gibt ihn noch! Was gilt also für die totgesagte Papierzeitung? – Ich gebe zu, mir gefällt der Gedanke, dass auch in vielen Jahren große Leserschaften eine Zeitung anfassen und darin blättern, vielleicht sogar einen klugen Kommentar ausschneiden, wie ich es öfter mache, aufbewahren und bei Gelegenheit daraus zitieren.
Allerdings wäre es töricht, die Technik von morgen mit dem Erfahrungshorizont von gestern zu begrüßen. Gerade das Internet, eine Kulturrevolution im Range des Buchdrucks oder der Dampfmaschine, wird unser Leben weiter verändern und vielleicht viel stärker, als wir es derzeit prognostizieren können. Und: Mit dem Siegeszug des Internets haben die klassischen Medien ihr Informations- und Deutungsmonopol ja offenkundig verloren. Schon jetzt ist die traditionelle Rollenaufteilung zwischen Absender und Empfänger einer Nachricht, zwischen Produzent und Konsument, wie wir sie von der Papierzeitung kennen, online aufgehoben. Schon jetzt werden Nachrichten aller Art in Windeseile verbreitet und zwar weltweit. Schon jetzt fühlen sich Millionen Menschen von der Informationsflut, die so entsteht, fast hinweggespült. Professionelle Kommunikatoren – auch Politiker – investieren viel Kraft, um ihre Botschaft trotzdem an den Mann oder an die Frau zu bringen. Und schon jetzt gibt es Augenblicke, in denen kurze Tweets große Umwälzungen vorantreiben, denken wir nur an den Arabischen Frühling.
Freilich: Wie stark das Internet die Verbreitung und den Stellenwert von Nachrichten beeinflussen wird, können selbst die klügsten Zukunftsforscher nicht vorhersagen, jedenfalls nur bruchstückhaft erahnen. Das Ausmaß des Wandels ist für kaum jemanden absehbar. Manches unterschätzen, aber anderes überschätzen wir wohl auch. Umso mehr lohnt es sich, den Spielraum für Qualitätsjournalismus immer neu auszuloten.
Bei genauem Hinsehen ist ja manche neue Kommunikationsform auch nicht unbedingt eine Konkurrenz für die Zeitung. Es hat sich nämlich herumgesprochen, dass man mit 140 Zeichen keine Grundsatzdiskussion führen, aber gut auf Orte der Debatte – etwa auf Online-Zeitungen – verweisen kann. Außerdem setzt sich die Erkenntnis durch, dass anonyme Schwarmintelligenz zwar mitreißt, aber so manchen Blogger eben auch reinreißt, weil Quellen unklar bleiben und Fakten und Meinungen verschwimmen. Und der Verlust von Klarheit wird in aller Regel auch als Verlust von Wahrheit empfunden. Technisch gesehen kann heutzutage jeder mit wenig Aufwand Nachrichtenmacher sein. Aber was bedeutet das für den professionellen Journalismus? Und was bedeutet es darüber hinaus für unsere Demokratie?
Zumindest mittelfristig kann die ungefilterte, oft emotional getriebene Massenkommunikation im Netz die Zeitung als Quelle nicht ersetzen. Wir werden weiterhin angewiesen sein auf Kommunikation mit Spielregeln, auf Nachrichten, die mit professionellem Ethos gesammelt und erstellt und im Bewusstsein ihrer Qualität rezipiert werden. Eine funktionierende Demokratie braucht verlässliche Berichterstattung. Sie braucht seriöse Einordnung und sachkundige Interpretation des Geschehens...“



Das in Erinnerung zu rufen genügt mir hier zur Orientierung, wobei ich bemerkenswert finde, dass der Bundespräsident ausdrücklich und wiederholt den „professionellen“ Qualitätsjournalismus als notwendig hervorhebt und der „anonymen Schwarmintelligenz“ lediglich einen sehr vordergründigen Stellenwert beimisst. Es bleibt abzuwarten, ob er auf Dauer die Oberhand gewinnt, oder der Qualitätsjournalismus doch seine Bedeutung behält. Es wird letztlich vom Anspruch der Medienkonsumenten im Zeitungsbereich abhängen, meine ich. Auf die es aber sicher nicht ankommt.

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