Es fällt mir derzeit nicht leicht, meine Gedanken und
Überlegungen „in die Reihe“ zu bringen. Dabei meine ich, dass
das nicht so sehr an meinem Kopf liegt, als vielmehr an der Vielzahl
der aktuellen Vorgänge in der lokalen, der regionalen und der
Weltpolitik. Etwas viel, was es da zu überlegen gibt, wenn man sich
für das Geschehen sowohl vor der Haustür, als auch für die
Ereignisse und Probleme weiter weg interessiert.
Vornehmlich geht es mir dabei als Zeitungsleser und Internetnutzer
um die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Nachrichten,
Berichte und Kommentare. Einem Thema, das ja schon oft Gegenstand
meiner Überlegungen war, die ich auch hier in meinem Blog
festgehalten habe.
Am 25.Oktober findet in Leipzig der Medientag 2014 Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen statt, in dessen Vorfeld ich meinen
Überlegungen um die Situation der gedruckten und Internet-Medien
besondere Bedeutung beimesse.
Und da sind die Berichte zum 65.Geburtstag der
Bundespressekonferenz und insbesondere die Ausführungen des
Bundespräsidenten Joachim Gauck in seiner Festrede für mich – und
sicher nicht nur für mich - recht hilfreich.
Bei Kress Media lese ich dazu, dass der Bundespräsident eine
Zukunft für den Qualitätsjournalismus in Deutschland sieht. Er
warnt allerdings dringend vor den Gefahren eines unreflektierten
Turbojournalismus im digitalen Zeitalter. (Zitat): Qualität braucht
Zeit. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur das nächstliegende
Klischee wiederholt und vorschnell der Stab gebrochen wird über
Menschen und Ideen“ (Zitat Ende).
Es ist , wie bemerkt, ein Zitat aus der Rede des
Bundespräsidenten, in der er weiter erklärte (Auszug): „Manchmal
beschleicht mich der Eindruck, eine Nachricht wird nur deshalb
publiziert, weil sie dran ist, nicht weil etwas drin ist. Weil etwas
los sein muss, nicht weil etwas los ist. Weil man unbedingt der Erste
sein will. . . (Etwa) nach dem Motto: Hauptsache, der Ticker läuft!
Das Tempo, mit dem dann Themen durch die Arena gejagt, Nachrichten
produziert . . . Standpunkte verbreitet und relativiert werden, ist
einfach atemberaubend.“(Ende des Auszugs). Um als Leser die
Richtigkeit dessen festzustellen, genügt es, die lokalen
Nachrichtenportale aufzurufen, die inzwischen mehr und mehr diesem
Trend folgen.
Nun fand ja erst neulich der BDZV-Zeitungskongress 2014 statt, der
mich an die Rede des Bundespräsidenten anlässlich des Kongresses
2013 erinnerte. Dort nämlich machte er einige grundsätzliche
Ausführungen zur Zukunft der Zeitungen, die ich mir hier
auszugsweise vergegenwärtige: (Auszüge): „Ich wage heute den
Satz: Die Zeitung hat eine Zukunft. Ihre Form mag veränderlich sein,
vielleicht auch in Frage stehen. Aber ihre wichtigste Rolle für ein
tieferes Verständnis und die Weiterentwicklung unserer Demokratie
kann und sollte konstant bleiben. Ich meine und ich spreche vom
Qualitätsjournalismus.
Qualitätsjournalismus ist nicht an eine bestimmte Form gebunden –
etwa an das Papier –, sondern natürlich an Inhalte, an eine
Methode, die journalistische Methode. Der Journalismus der Zukunft
mag ganz oder auch teilweise anders aussehen und anders funktionieren
als heute. Das mag sein. Aber ich bin ganz zuversichtlich: Es wird
ihn geben! Denn vieles verändert sich um uns herum, eines jedoch
bleibt: Es gibt nicht nur das Bedürfnis nach Unterhaltung, sondern
auch das Bedürfnis nach Information. Unser Bedürfnis nach Klarheit
und Orientierung, nach verlässlichen Fakten und verständlicher
Deutung, das wird fortbestehen, auch weil mehr und mehr Nachrichten
ungefiltert auf uns einströmen.
Eine gute Zeitung wird uns deshalb die Zeit, unsere Zeit,
erklären. Qualitätsjournalismus ist etwas anderes als eine mit
Fotos aufgehübschte Sammlung von Meldungen oder PR-Texten. Eine gute
Zeitung wählt Nachrichten nach Kriterien der Relevanz aus, ordnet
sie in Zusammenhänge ein, interpretiert und bewertet sodann das
Geschehen. Eine gute Zeitung leistet also genau das, was wir
angesichts der Informationsflut dringend brauchen: Sie zeichnet große
Linien und vermittelt verschiedene Standpunkte.
Meine Damen und Herren, ich danke jedem Einzelnen von Ihnen, der
sich für Qualitätsjournalismus in unserem Land stark macht! Bitte
betrachten Sie diesen Dank – neben wenigen kritischen Anmerkungen,
die ich Ihnen heute vielleicht zumute – als meine wichtigste
Botschaft. Danke für alles, was Ihre Zeitungen unserer Demokratie an
Erkenntnis, an Meinungsvielfalt und an Debattenreichtum schenken!
Sie merken, einem Zeitungspessimismus kann ich nicht das Wort
reden. Allerdings möchte ich auch nicht in das Gegenteil verfallen,
in einen naiven, schönfärberischen Blick auf die Lage. Es stellt
sich durchaus die Frage: Ist die wichtige Funktion der Zeitungen für
unsere Demokratie durch die Veränderungen am Markt gefährdet?
Ich habe den Eindruck: Die Risiken existieren, sind unübersehbar,
weil die Transformation am Zeitungsmarkt die Rolle des Journalismus
für unsere Demokratie im Kern berührt. Und mit diesem Kern meine
ich genau den Teil von Qualität, der sich nicht in Papiermengen oder
Pixeln messen lässt, sondern eine Konstante bei allem Wandel bleiben
muss: die Glaubwürdigkeit einer Zeitung. Glaubwürdigkeit, das ist
für mich genau das, was eine gute Zeitung ausmacht. Glaubwürdigkeit
muss guten Journalismus auch künftig prägen, wenn wir einmal alle
Äußerlichkeiten – alle Form- und Formatfragen – beiseitelassen.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs. Das
Miteinander – oder sagen wir: Nebeneinander – von analogen und
digitalen Zeitungen ist weit mehr als eine Formfrage, das habe ich
jedenfalls so gelernt. Viele Stunden dieser Konferenz waren diesem
Thema gewidmet. Gestern Abend habe ich noch überlegt, ob ich mich
auf die Debatte um "Pixel versus Papier" als Laie überhaupt
einlassen sollte. Kulturpessimismus gehört bekanntlich nicht zu
meiner Arbeitsplatzbeschreibung. Jetzt, wo ich in einem Saal voller
Experten stehe, möchte ich am liebsten behelfsmäßig ein paar
Vergleiche heranziehen, wie Sie es auch in Ihrem Konferenzprogramm
getan haben. Unter dem Motto: Die totgesagte Musikindustrie? Es gibt
sie noch! Der totgesagte Ladenhandel? Es gibt ihn noch! Was gilt also
für die totgesagte Papierzeitung? – Ich gebe zu, mir gefällt der
Gedanke, dass auch in vielen Jahren große Leserschaften eine Zeitung
anfassen und darin blättern, vielleicht sogar einen klugen Kommentar
ausschneiden, wie ich es öfter mache, aufbewahren und bei
Gelegenheit daraus zitieren.
Allerdings wäre es töricht, die Technik von morgen mit dem
Erfahrungshorizont von gestern zu begrüßen. Gerade das Internet,
eine Kulturrevolution im Range des Buchdrucks oder der Dampfmaschine,
wird unser Leben weiter verändern und vielleicht viel stärker, als
wir es derzeit prognostizieren können. Und: Mit dem Siegeszug des
Internets haben die klassischen Medien ihr Informations- und
Deutungsmonopol ja offenkundig verloren. Schon jetzt ist die
traditionelle Rollenaufteilung zwischen Absender und Empfänger einer
Nachricht, zwischen Produzent und Konsument, wie wir sie von der
Papierzeitung kennen, online aufgehoben. Schon jetzt werden
Nachrichten aller Art in Windeseile verbreitet und zwar weltweit.
Schon jetzt fühlen sich Millionen Menschen von der Informationsflut,
die so entsteht, fast hinweggespült. Professionelle Kommunikatoren –
auch Politiker – investieren viel Kraft, um ihre Botschaft trotzdem
an den Mann oder an die Frau zu bringen. Und schon jetzt gibt es
Augenblicke, in denen kurze Tweets große Umwälzungen vorantreiben,
denken wir nur an den Arabischen Frühling.
Freilich: Wie stark das Internet die Verbreitung und den
Stellenwert von Nachrichten beeinflussen wird, können selbst die
klügsten Zukunftsforscher nicht vorhersagen, jedenfalls nur
bruchstückhaft erahnen. Das Ausmaß des Wandels ist für kaum
jemanden absehbar. Manches unterschätzen, aber anderes überschätzen
wir wohl auch. Umso mehr lohnt es sich, den Spielraum für
Qualitätsjournalismus immer neu auszuloten.
Bei genauem Hinsehen ist ja manche neue Kommunikationsform auch
nicht unbedingt eine Konkurrenz für die Zeitung. Es hat sich nämlich
herumgesprochen, dass man mit 140 Zeichen keine Grundsatzdiskussion
führen, aber gut auf Orte der Debatte – etwa auf Online-Zeitungen
– verweisen kann. Außerdem setzt sich die Erkenntnis durch, dass
anonyme Schwarmintelligenz zwar mitreißt, aber so manchen Blogger
eben auch reinreißt, weil Quellen unklar bleiben und Fakten und
Meinungen verschwimmen. Und der Verlust von Klarheit wird in aller
Regel auch als Verlust von Wahrheit empfunden. Technisch gesehen kann
heutzutage jeder mit wenig Aufwand Nachrichtenmacher sein. Aber was
bedeutet das für den professionellen Journalismus? Und was bedeutet
es darüber hinaus für unsere Demokratie?
Zumindest mittelfristig kann die ungefilterte, oft emotional
getriebene Massenkommunikation im Netz die Zeitung als Quelle nicht
ersetzen. Wir werden weiterhin angewiesen sein auf Kommunikation mit
Spielregeln, auf Nachrichten, die mit professionellem Ethos gesammelt
und erstellt und im Bewusstsein ihrer Qualität rezipiert werden.
Eine funktionierende Demokratie braucht verlässliche
Berichterstattung. Sie braucht seriöse Einordnung und sachkundige
Interpretation des Geschehens...“
Das in Erinnerung zu rufen genügt mir hier zur Orientierung,
wobei ich bemerkenswert finde, dass der Bundespräsident ausdrücklich
und wiederholt den „professionellen“ Qualitätsjournalismus als
notwendig hervorhebt und der „anonymen Schwarmintelligenz“
lediglich einen sehr vordergründigen Stellenwert beimisst. Es bleibt
abzuwarten, ob er auf Dauer die Oberhand gewinnt, oder der
Qualitätsjournalismus doch seine Bedeutung behält. Es wird
letztlich vom Anspruch der Medienkonsumenten im Zeitungsbereich
abhängen, meine ich. Auf die es aber sicher nicht ankommt.
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