Dienstag, 28. Oktober 2014

Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2014

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Ansprache bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt im Kongress-Palais in Kassel

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 26. Oktober in einer Feierstunde im Kongress-Palais Kassel den Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) an den Energieeffizienz-Experten Peter Hennicke, den Wissenschaftler und Unternehmer Gunther Krieg und den Umweltschützer Hubert Weinzierl verliehen. Mit 500.000 Euro ist der Deutsche Umweltpreis der höchst dotierte Umweltpreis Europas.

In seiner Festansprache führte der Bundespräsident aus: „Es ist und es wird auch weiterhin Aufgabe der Politik sein, ökologische Leitplanken zu setzen und Märkte so zu gestalten, dass Verursacher für Schäden aufkommen und Preise auch die tatsächlichen Kosten spiegeln. Dann kann sich die Innovationskraft von Forschern, von Unternehmen, von Bürgerinnen und Bürgern auf das Ziel der Nachhaltigkeit ausrichten." Seine Ansprache hatte laut Präsidialamt folgenden Wortlaut:

Heute übergebe ich zum dritten Mal in meiner Amtszeit den Deutschen Umweltpreis. Wieder geht es mir so wie in den Vorjahren: Ich staune. Ich lerne. Und vor allem: Ich bin ermutigt – von den Preisträgern, von ihren Ideen, von ihrer Beharrlichkeit, von ihrem Weitblick. Und es geht nicht allein mir so – die Stimmung hier im Saal zeigt es.

Ja, aus viel weniger könnten wir viel mehr machen. Sie, lieber Herr Hennicke, entwickeln Konzepte, die wir für eine ressourcen- und energiesparende Art des Wirtschaftens brauchen. Sie haben Visionen und verlieren doch die Realitäten nicht aus dem Auge. Wie gut, immer wieder darauf hingewiesen zu werden, wie viel mehr möglich wäre!

Ja, man weiß nur, was man sieht – auch wenn es der Volksmund genau umgekehrt sagt. Lieber Herr Krieg, die von Ihnen entwickelten Sensoren machen Schadstoffe sichtbar und geben uns das nötige Wissen, um Umweltschäden zu vermeiden und wertvolle Ressourcen wiederzuverwenden. Hätten wir ein solches Sensorium doch immer und überall!

Und ja, es kann fortschrittlich sein, etwas zu verhindern. Lieber Herr Weinzierl, Sie kämpfen seit vielen Jahrzehnten darum, Naturzerstörung zu verhindern. Sie tun das, indem Sie das Bewahrenswerte der Natur, der Artenvielfalt und der menschlichen Lebensgrundlagen unermüdlich in unserem Bewusstsein verankern. Sie haben großen Anteil daran, dass Umweltschutz in Deutschland eine politische Kraft geworden ist. Sie haben uns alle zum Nachdenken gebracht und sich damit großen Respekt erworben. Und eben diesen Respekt möchte ich Ihnen heute gerne persönlich übermitteln.

Alle drei Preisträger zeigen uns: Wir können viele Dinge anders machen, wo vermeintlich eherne Sachzwänge walten: "zu teuer", "nicht machbar", "nicht durchsetzbar", "haben wir immer so gemacht"? Nein! Wir haben Handlungsoptionen: politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, technologisch. Wir können Entwicklungen beeinflussen.

Dass wir alternative Arten des Umgangs mit Ressourcen und Ökosystemen entwickeln müssen, wenn wir nicht langfristig die Grundlagen unseres Wohlergehens zerstören wollen – diese Erkenntnis ist inzwischen so weit verbreitet wie nie zuvor. Aber es ist auch klar: Solch eine Transformation ist ein Kraftakt. Sie fordert uns als Gesellschaft, aber auch persönlich heraus. Und sie bedarf in der "Einen Welt" der Geschlossenheit aller. Die Weltgemeinschaft aber besteht aus Staaten mit höchst unterschiedlichen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen, mit höchst unterschiedlichen Interessen und Entwicklungsstufen.

Demokratien sind dabei in besonderer Weise gefordert. Aber auch, wenn seit geraumer Zeit darüber spekuliert wird, ob sich offene, freiheitliche Gesellschaften mit langfristigen Herausforderungen wie dem Klimawandel nicht schwerer tun als autoritäre Regime – die nämlich können notwendige Maßnahmen, ja selbst Einschränkungen der Handlungsfreiheit von oben anordnen, ohne langwierig demokratische Legitimität herzustellen zu müssen –, so bin ich doch überzeugt: Demokratische und offene Gesellschaften sind erfolgreicher – weil sie lernfähig sind, weil sie Alternativen offen halten, weil sie Fortschritt nicht von oben verordnen, sondern als gesellschaftliche Aufgabe aller betrachten, weil sie sich selbst Regeln setzen und den Wettstreit um die besten Lösungen zulassen. Und weil unterschiedliche Interessen einen Ausgleich finden und ein solcher öffentlicher Diskurs bestenfalls auch zur Bewusstseinsschärfung hinsichtlich der eigenen Lebensführung führt.

Wettbewerb, eingebettet in einen Ordnungsrahmen, das ist auch das Erfolgsrezept der Sozialen Marktwirtschaft. Es ist und es wird auch weiterhin Aufgabe der Politik sein, ökologische Leitplanken zu setzen und Märkte so zu gestalten, dass Verursacher für Schäden aufkommen und Preise auch die tatsächlichen Kosten spiegeln. Dann kann sich die Innovationskraft von Forschern, von Unternehmen, von Bürgerinnen und Bürgern auf das Ziel der Nachhaltigkeit ausrichten. Im Übrigen stehen wir damit ja nicht am Anfang. Denn auch heute schon wissen viele Unternehmer: Langfristig ist ökonomisch nur machbar, was ökologisch verträglich ist.

Eine entscheidende Frage wird dabei sein: Bekommen klimaschädliche Emissionen endlich überall einen Preis, damit sich umweltschonende Produktionsweisen, innovative Technologien und sparsame Produkte auch lohnen? Weltweit wird an solchen Preissystemen für Kohlendioxid gearbeitet, einige Länder haben sie bereits. Auch in Europa muss weiter daran gearbeitet werden, einen funktionierenden Emissionshandel aufzubauen.

Viel Hoffnung richtet sich auf die großen Industrienationen. Jüngst hat der amerikanische Präsident Barack Obama beim Klimagipfel der Vereinten Nationen erklärt, sein Land werde beim Klima- und Umweltschutz eine wichtige Rolle übernehmen. Auch China wird nolens volens eine aktivere Rolle akzeptieren. Und was Deutschland betrifft: Unsere Regierung trägt im Rahmen der G7–Präsidentschaft im kommenden Jahr Mitverantwortung, die globale Klimaschutzpolitik voranzubringen. Ende nächsten Jahres sollte dann beim Weltklimagipfel der Vereinten Nationen in Paris ein wirksames globales Abkommen stehen. Es könnte eine Wegscheide sein, ein ermutigender Aufbruch! Dies hoffen wir umso mehr nach dem vorgestrigen EU-Gipfel in Brüssel und dem dort gefundenen Kompromiss, der sicher nicht alle befriedigen konnte.
Ehrgeiz und Führungskraft in der Klimapolitik sind wichtige Elemente von Deutschlands internationaler Mitverantwortung. Unser Land hat bei der Transformation zu einer langfristig vernünftigen Entwicklung vieles einzubringen: politisch, technologisch, ökonomisch. Und auch seine Bürgerinnen und Bürger!

Damit bin ich wieder bei Ihnen, liebe Preisträger. Sie motivieren zum Umdenken, zum global verantwortlichen Tun. Hubert Weinzierl hat einmal gesagt, eigentlich müsste jeder Mensch eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen: die seines Staates und die der Weltgemeinschaft. Handeln sollten wir jedenfalls in diesem doppelten Bewusstsein und mit dem Bewusstsein, dass wir – mehr als alle Generationen vor uns – auch die Mittel dazu besitzen.

Ob die Weltgemeinschaft in einem Jahr, nach dem Pariser Klimagipfel, weiter sein wird? Wir können nur hoffen und alles dafür tun, was uns möglich ist. Eines weiß ich gewiss: Kurz vorher, beim Deutschen Umweltpreis 2015 in Köln, werden wir wieder inspirierenden Menschen begegnen, die das ihnen Mögliche getan haben.

Ich freue mich darauf!

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