Bischof Norbert Trelle fordert Beibehaltung der Seenotrettung
von Flüchtlingen
Der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen
Bischofskonferenz, Bischof Norbert Trelle (Hildesheim), ruft die
Staaten der Europäischen Union (EU) auf, die systematische Rettung
in Seenot geratener Flüchtlinge nicht einzustellen. Ein großer Teil
der etwa 150.000 Schiffbrüchigen, die die italienische Marine in der
bis dahin beispiellosen Operation „Mare Nostrum“ gerettet hat,
stamme aus von Krisen, Krieg und Bürgerkrieg gebeutelten Staaten
(wie Syrien, Eritrea oder dem Sudan) und brauche dringend Schutz. Die
Frontex-Operation „Triton“, die an die Stelle von „Mare
Nostrum“ treten soll, ziele nach den bisher bekannt gewordenen
Planungen vorrangig auf die Überwachung der europäischen Küste und
nicht auf die Rettung in Seenot geratener Boote. „Hier muss
nachgebessert werden!“, fordert Bischof Trelle. „Das Leben der
Flüchtlinge zu retten, ist ein Gebot der Menschlichkeit.“ Alle
Staaten der EU sollten sich – finanziell oder mit Einsatzkräften –
nicht nur an der Grenzüberwachung, sondern auch an der Rettung
Schiffbrüchiger beteiligen. Die europäischen Regierungen müssten
den Anspruch einlösen, in der EU einen gemeinsamen Raum für Schutz
und Solidarität zu schaffen.
Die vielfach geäußerte Kritik, „Mare Nostrum“ erleichtere
kriminellen und gewissenlosen Schleppern die Arbeit, kann der Bischof
nicht nachvollziehen: „Selbst wenn das im Einzelfall so sein
sollte: Die Alternative zur Rettung ist der Tod. Wir dürfen uns
nicht in einen Wettlauf des Zynismus begeben.“ Angesichts der
großen Not der Betroffenen sei es vielmehr notwendig,
Schutzbedürftigen sichere Wege nach Europa zu eröffnen. „Wir
können zweifellos nicht Millionen Flüchtlinge aufnehmen oder vor
Ort versorgen. Wir sind aber weder bei der Aufnahme noch bei der
finanziellen Unterstützung der Hilfe am Ende unserer Möglichkeiten
angelangt“, so Bischof Trelle. Er betont, dass auch die Kirche auf
allen Ebenen engagiert ist: „Die Dienste und Einrichtungen der
Caritas beraten und begleiten Flüchtlinge, Bistümer und Gemeinden
stellen Gebäude zur Verfügung, ehrenamtliche Helfer tragen vielfach
mit großem Engagement zu einer Willkommenskultur bei. Nicht zu
vergessen sind auch die großzügigen Spenden für die kirchlichen
Hilfsaktionen im Nahen Osten.“
Der Vorsitzende der Migrationskommission mahnt außerdem eine
offene Diskussion über die Gestaltung des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems an. Die bisherige Vereinbarung, das so genannte
„Dublin-System“ mit seiner rein formalen
Zuständigkeitsbestimmung, welches Land welche Flüchtlinge
aufzunehmen hat, gerate zunehmend unter Druck. „Die Debatte über
eine Neuordnung darf allerdings nicht zulasten der Flüchtlinge
gehen. Vorschläge zu einem fairen Verfahren liegen auf dem Tisch.
Alle Beteiligten sind nun aufgerufen, eine Einigung zu erzielen, die
der gemeinsamen Verantwortung gerecht wird.“
Hintergrund
Bei einem schweren Bootsunglück in Sichtweite der Insel Lampedusa
kamen am 3. Oktober 2013 fast 400 Flüchtlinge ums Leben. Insgesamt
sind in den vergangenen zehn Jahren über 20.000 Menschen im
Mittelmeer ertrunken. Am 18. Oktober 2013 startete die italienische
Marine die Operation „Mare Nostrum“, um in Seenot geratene
Flüchtlinge zu retten. Das Operationsgebiet reicht bis kurz vor die
nordafrikanische Küste. Bis heute wurden nach Angaben des
UN-Flüchtlingskommissars (UNHCR) circa 150.000 Menschen gerettet und
sicher nach Italien gebracht.
Die italienische Regierung hat angekündigt, die Operation zum 1.
November 2014 einzustellen. An ihre Stelle soll eine Operation der
EU-Grenzschutzagentur FRONTEX namens „Triton“ treten, deren
Einsatzgebiet allerdings auf die küstennahen Gewässer Italiens
(einschließlich der Inseln) begrenzt ist. Einsatzzweck ist nicht
mehr die Rettung Schiffbrüchiger, sondern die Überwachung der
Außengrenzen der EU. UNCHR und andere Hilfsorganisationen befürchten
als Konsequenz eine erneut starke Zunahme der Todesfälle auf dem
Mittelmeer.
Eine Mitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz am
26.10.2014
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