Donnerstag, 16. Oktober 2014

Journalismus: Prekäre Arbeit ist keine stabile Basis für verlässliche Inhalte

Meinen voraufgegangenen Eintrag zum Thema hatte ich mit dem Eingeständnis begonnen, dass es mir derzeit nicht leicht fällt, meine Gedanken und Überlegungen „in die Reihe“ zu bringen. Und gemeint, dass das nicht so sehr an meinem Kopf liegt, als vielmehr an der Vielzahl der aktuellen Vorgänge in der lokalen, der regionalen und der globalen Welt, über die berichtet wird. Bestärkt werde ich dabei durch eine Passage in der Rede des Bundespräsidenten Joachim Gauck vor Zeitungsverlegern (Zitat aus 2013): „Es gibt nicht nur das Bedürfnis nach Unterhaltung, sondern auch das Bedürfnis nach Information. Unser Bedürfnis nach Klarheit und Orientierung, nach verlässlichen Fakten und verständlicher Deutung, das wird fortbestehen, auch weil mehr und mehr Nachrichten ungefiltert auf uns einströmen.“ (Ende des Zitats). Und die haben enorm zugenommen.


Gerade die Betonung des Bedürfnisses nach Klarheit und Orientierung, nach verlässlichen Fakten und verständlicher Deutung, das fortbestehen wird, freut mich, denn wenn ich im lokalen Bereich der einen Zeitung jeweils die „TOP 10“ lese, oder in der anderen, was „am häufigsten angeklickt“ wird, kommen mir schon manchmal Zweifel am Fortbestehen des Anspruchs an verlässlichen Fakten und verständlicher Deutung. Eben am Qualitätsjournalismus.


Immerhin aber gibt es ja für mich als Zeitungsleser noch ein ausreichendes Angebot an Zeitungen – ob Papier oder digital – in dem noch ein solcher Journalismus geboten wird. Umso größere Bedeutung kommt der Warnung des Bundespräsidenten anlässlich des 65. Geburtstages der Bundespressekonferenz vor weiteren Einsparungen im Medienbereich zu (Auszug bei Kress Media): "Prekäre Arbeit ist keine stabile Basis für verlässliche Inhalte. Wer an dem spart, was nur Menschen... in einen journalistischen Prozess einbringen können, der spart an der falschen Stelle.“ (Ende des Auszugs.)

Über manche alte Horrorvision schmunzeln wir heute, führte der Bundespräsident in seiner Rede weiter aus. „Aber viele schmunzeln keineswegs, wenn sie die Warnungen vor dem sogenannten Turbojournalismus des Internetzeitalters hören. Als der französische Theoretiker Paul Virilio vor fast 20 Jahren die "Tyrannei der Echtzeit" beschrieb, fanden sich viele Skeptiker bei ihm wieder. Und einen großen Teil dieser Kritik vernehmen wir bis heute: etwa über die Verarmung der Inhalte im digitalen Zeitalter, das nur "Ja" und "Nein", nur "Daumen hoch" oder "Daumen runter", im besten Falle die schnelle Schlagzeile kenne. Und wir hören weiterhin die Sorge vom Ende der niveauvollen Berichterstattung.


Und noch ein letzter, längerer Auszug aus der Rede des Bundespräsidenten, den ich für besonders bedeutungsvoll halte: „Mancher sieht sich existentiell bedroht, anderen eröffnet sich ein neues Geschäftsfeld. In der Onlinewelt steht auf Knopfdruck ein viel größerer Fundus an Quellen zur Verfügung, als wir es von klassischen Bibliotheken und Archiven gewohnt waren. Nie konnten Journalisten sich schneller und tiefschürfender informieren. Nie mussten sie aber auch Informationen schneller verarbeiten. Nie mussten sie in kürzerer Zeit die Glaubwürdigkeit ihrer so schnell erreichbaren Quellen prüfen und sich dann ein eigenes Urteil bilden.

Wenn es um Berichterstattung und harte Fakten geht, um kurze Meldungen, dann lässt sich diese Aufgabe nach meiner Beobachtung besser bewältigen, als wenn Analyse und Bewertung in den Vordergrund treten. Denn wer interpretieren und kommentieren will, der braucht nicht nur eine solide recherchierte Grundlage, sondern auch Gelegenheit zum Nachdenken. Qualität braucht Zeit. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur das nächstliegende Klischee wiederholt und vorschnell der Stab über Menschen gebrochen wird. So entsteht das Gerücht, die Vorverurteilung, der Skandal, der vielleicht gar keiner ist. So geraten Behauptungen in die Welt, die nur schwer rückholbar sind, und Urteile über Menschen, die haften bleiben, eben auch Fehlurteile. Und wir wissen doch nach zahlreichen selbstkritischen Wortmeldungen im deutschen Journalismus des zurückliegenden Jahres, dass wir eigentlich nicht nur über abstrakte Gefahren sprechen, sondern über konkrete Sachverhalte.(Ende des Auszugs) Dem ist nichts hinzuzufügen, meine ich. Nur sollte ihn mancher überdenken, der sich für einen Journalismusexperten hält und ausgibt, den ich aber in seinen Arbeiten und Portalen nicht erkennen kann. Das aber ist mein ganz persönlicher, unmaßgeblicher Eindruck als Zeitungsleser, der natürlich widerlegbar ist.

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