Montag, 30. September 2013

Wenn Tourismus an den Rand des Kollapses gerät

Das ist sicher nicht das, was sich Tourismusverbände wünschen, wenn sie auf die Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt oder Region aufmerksam machen. Und darauf ihre Toruismuswerbung aufbauen. In erträglichen,
überschaubaren Rahmen sollte es im Ergebnis schon bleiben. Manche Torurismusverbände aber können auch davon trotz jahrelangen Bemühens nur träumen. Überlegungen dieser Art beschäftigen mich nach diesem Wochenende.

Auslöser ist ein Besuch der Weltkulturerbestadt Bamberg am vergangenen Wochenende, den ich mit der Stadt- und Gästeführergilde auf deren Einladung mit zahlreichen anderen Teilnehmern unternahm. In einem Erlebnisführer des „Bamberg Tourismus & Kongress Service“ heißt es in der Einführung: „Kommen Sie mit auf eine Zeitreise. In eine Stadt, aus der Geschichte atmet. In eine Stadt, in der Geschichten lebendig werden. In eine Stadt, die auf Schritt und Tritt neue Entdeckungen bietet...“

Es gibt auch für Nordhausen etwas ähnliches (herausgegeben vom Verein Städtetourismus Thüringen) in der es einführend heißt: „Besuchen Sie Nordhausen am Harz – in Thüringen ganz oben. ...Entdecken Sie Geschichte auf Schritt und Tritt... Nicht nur in der historischen Stadt begegnet man auf Schritt und Tritt Geschichte...Lassen Sie sich von den Menschen und der Umgebung begeistern...“

Die Ausgangspositionen ähneln sich also zumindest in der Tourismuswerbung. In Bamberg allerdings als Weltkulturerbestadt erlebte ich eine Art (Stadt-)Tourismus, der im „Fränkischen Sonntag“ (28./29. Sept.2013) ganz allgemein wie folgt beschrieben wird (Auszug): „Die Busparkplätze an der Peripherie quellen über (zu denen am Samstag u.a. auch ein Bus von Brauer-Weihrauch aus Nordhausen gehörte) , die Trampelpfade ins Herz der Domstadt ebenso (zu denen auch die Teilnehmer der Reisegesellschaft aus Nordhausen zählte). Von allen Seiten tropft Sächsisch ins Ohr oder meinetwegen auch Ruhrpott-Slang...Von Grünem Markt bis Domplatz eine einzige Masse Mensch, „Touristen machen zwecks Anpassung an die örtlichen Sitten und Gebräuche ganze Straßenzüge unbewohnbar, indem sie sie als Freiluft Ausschank okkuppieren“(Ende des Auszugs) Dabei lehnt sich der
Autor bei seiner Einschätzung an das an, was der Buchautor Peter Laudenbach über Berlin schreibt („Die elfte Plage. Wie Berlin-Touristen die Stadt zum Erlebnispark machen“) Dort heißt es sinngemäß: Touristen nerven. Sie fahren mit Bierbikes und Segways durch Berlin, stürmen unsere Lieblingskneipen, feiern bis in die Puppen, sprechen Schwäbisch, Spanisch und Japanisch, stehen auf dem Radweg rum und gucken dabei in die Luft, um den Fernsehturm gaaanz genau zu betrachten. Extrem lästig. Und der Autor im „Fränkischen Sonntag“ (Rudolf Görtler) meint: „Klar: Bamberg ist nicht Berlin... Dennoch: Es nervt allmählich. In kleinem Maßstab droht Bamberg ein Schicksal wie Touristen-Metropolen à la Prag oder Venedig. Nichts Eigenständiges mehr. Und vor und in den Gaststätten ist die Hälfte der Tische reserviert für irgendwelche Reisegruppen, den „Scheiß-Holländern, die uns unsere Plätze wegfaxen“ zitiert er Gerhard Polt, der dieses Phänomen einmal mit dem Blick aufs gerade stattfindende Münchner Oktoberfest charakterisierte.

Das wirkliche Phänomen aber scheint mir ein anderes: an allen den genannten Orten klagen die Einwohner über die Touristenplage, um aber bei etwas Selbstkritik zu reflektieren: Ist es fair, eine Plage in den vielen Touristen in der eigenen Stadt zu sehen, wenn man doch selbst tunlichst oft auf Reisen geht in attraktive Gegenden und Städte, deren dortige Bewohner dann eben Gleiches empfinden? Abgesehen davon aber weiß man letztlich in der eigenen Stadt, dass die Touristenfrequenz ganz wesentlich das Image einer Stadt (mit-)bestimmt. Und mehr noch Einfluss auf die Wirtschaft einer Stadt und einer Region hat. Oder haben könnte.

Um auf den Ausgangspunkt meiner Überlegungen zurück zu kommen: in Nordhausen ist man von solchen
Überlegungen doch recht weit entfernt, denn trotz aller Werbung hält sich der Tourismus in Grenzen und die Stadtführer bewältigen ihre Aufgabe, die sie sich übrigens selbst stellten, ohne erkennbare personelle Probleme. Hier könnte ich ebenso feststellen: „Klar. Nordhausen ist nicht Bamberg“, wenn sich auch die Werbung ähnelt. Und schon danach dürften es doch eigentlich etwas mehr Touristen sein? Wenn allerdings im Nordhäuser Werbeheft dazu angeregt wir (Auszug): „Lassen Sie sich von den Menschen und der Umgebung begeistern“, dann kann und muss ich hier schon nach eigenen Erfahrungen bemerken, dass man von der Umgebung tatsächlich begeistert sein kann, von den Menschen aber kaum. Weil bei ihnen offensichtlich in ihrer Gesamtheit der Tourismus in der eigenen Stadt oder Region noch gar nicht angekommen ist. Und man schon einen einzelnen Wanderer – ich kann als Beispiel dienen - oft genug ansieht wie einen Menschen, den sie als Touristen nicht einzuschätzen
vermögen. Tourismus aber – so meine ich – beginnt bei den Einheimischen und ihrer Einstellung zum Tourismus. In Städten wie dem gerade erlebten Bamberg klagt man zwar über die Massen, die sich an manchen Tagen durch die Straßen wälzen. Im Grunde weiß man aber um die Bedeutung des Tourismus, lebt damit, arrangiert sich tagtäglich als Auto- oder Radfahrer mit den Massen und findet sich zurecht. Letztlich doch in dem Bewusstsein, dass man in einer Stadt oder Region beheimatet ist, in die Besucher von weither kommen, um sie mit allen ihren Eigen- und Besonderheiten wenigstens einmal zu erleben.


Es war an diesem Wochenende eine Excursion, mit vielen Eindrücken und Erlebnissen, für die die Organisatoren, die Stadt- und Gästeführer (persona Dorothee Schwarz) und dem Reiseunternehmen Brauer – Weihrauch mit Angelika Lautenbach (selbst Gilde-Mitglied), die das Programm erstellte und für dessen reibungslosen Ablauf sorgte, aller Dank gebührt. Nicht zu vergessen auch den Busfahrer Michael Simon, der absolut zuverlässig uns Teilnehmer nach Bamberg und zurück brachte Ich komme auf die inhaltliche Excursion noch besonders zurück.
(Das Dombild (1) ist dem Katalog entnommen)

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