Die
Teilprivatisierung der Altersvorsorge macht den Ruhestand großer
Bevölkerungsschichten unsicherer und wird darüber hinaus zu
Altersarmut sowie neuartigen Formen sozialer Ungleichheit führen. Zu
diesem Ergebnis kommen die Kasseler Soziologen Prof. Dr. Ingo Bode
und Felix Wilke in einer empirisch unterfütterten Studie des
deutschen Alterssicherungssystems gut ein Jahrzehnt nach den
sogenannten Riester-Reformen. Ein Grund: Die Art und Weise, wie sich
die Bürgerinnen und Bürger auf dem Vorsorgemarkt orientieren,
entspricht nicht dem, wovon die Reformer ausgegangen sind.
Die Beratung durch Banken und Versicherungen vollziehe sich meist in auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehungen, so die Autoren weiter. Dies stehe anbieterübergreifenden Produktvergleichen im Wege. „Die Behauptung, mit ein wenig Nachhilfe könne sich das Gros der Bevölkerung in der Unübersichtlichkeit des Alterssicherungsmarktes zielsicher orientieren und das gewünschte Absicherungsniveau erreichen, steht nach unseren Erkenntnissen auf tönernen Füßen“, so Bode. Mit dem neuen Rentenmodell lasse sich eine Alterssicherung auf einem Niveau und in einer Sicherheit, wie sie lange der Normalfall war, in der Breite nicht mehr gewährleisten. Es erzeuge – weil vieles dem Zufall oder dem Gebaren von Finanzdienstleistern überlassen bliebe – neue Ungleichheiten. Nicht zuletzt steige das Armutsrisiko im Alter.
„Das neue deutsche Rentenmodell ist auf Sand gebaut"
Zudem wecke die internationale Fachdebatte begründete Zweifel an der häufig vorgebrachten These, dass das sogenannte Kapitaldeckungsverfahren (die finanztechnische Basis der privaten Vorsorge) langfristig eine verlässliche Versorgung der Ruheständler sichern kann. „Die Finanzkrise und das niedrige Zinsniveau haben das Strukturproblem der privaten Rente zu Tage gefördert: Eine dem Finanzmarkt überlassene Altersvorsorge kann keine Zukunftssicherheit schaffen, vielmehr zeigt sich jetzt, dass sie mit erheblichen Risiken für die Sparer und die Volkswirtschaft behaftet ist“, warnt Bode.
Dass dies alles von der Bevölkerung so gewollt gewesen sei, müsse ebenfalls bezweifelt werden: „Der Weg in die Teilprivatisierung wurde im öffentlichen Diskurs als unumgehbar dargestellt, aber die breite Bevölkerung erwartet vom Staat noch immer eine Lebensstandardsicherung im Alter.“ Weil diese mit dem neuen Modell für viele unerreichbar sei, werde die Rentenpolitik auch zukünftig permanent unter Handlungsdruck stehen. Bode resümiert deshalb: „Das neue deutsche Rentenmodell ist auf Sand gebaut und wird auch auf längere Sicht keine feste Verankerung erfahren.“
Ingo Bode und Felix Wilke (2014): Private Vorsorge als Illusion. Rationalitätsprobleme des neuen deutschen Rentenmodells, Frankfurt: Campus Verlag.
Sebastian
Mense Kommunikation,
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität
Kassel
(Eine
Mitteilung des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 14.10.2014
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