Samstag, 11. Oktober 2014

„Giselle“: ein Ballett-Event „par excellence“

Ursula Mielke in der „Thüringer Allgemeine“ schaffte gestern mit ihrer durchaus qualifizierten Vorschau zu „Giselle“ gute Voraussetzungen, die Premiere der Ballett-Aufführung im Theater Nordhausen mit großer Erwartung zu besuchen. Und der Verlauf enttäuschte nicht, er begeisterte geradezu. Das trifft sowohl auf das gesamte Ensemble zu, und noch mehr auf Magdalena Pawelec als Giselle selbst, das Mädchen vom Lande, das in ihrer Unbefangenheit den kürzlich ins Dorf gekommenen Albrecht (Daisuke Sogawa) rasch sympathisch findet. Und ihm ihre Liebe schenkt,
nachdem sie von ihm gekonnt umgarnt wird. Deshalb erweist sich die Strenge der allein erziehenden Mutter Berthe (Anja Eisner) mit der sie ihre Tochter zu zügeln versucht, absolut wirkungslos, hat sie doch schließlich selbst Mühe, dem Charme Albrechts nicht zu unterliegen. Und auch die Handgreiflichkeiten, mit denen Hilarion (David Roßteutscher), Giselles bis dahin bester Freund versucht, Albrecht von ihr fern zu halten, bleiben erfolglos. Es nutzte alles nichts, Giselle ist Albrecht verfallen. Und als sie erfährt, dass ihr Albrecht
ein Graf und bereits mit der Adligen Bathilde (Irene López Ros) verlobt ist, ist Giselle so verzweifelt, dass sie sich das Leben nimmt. „Die Männer Albrecht und Hilarion“, beteuert Jutta Ebnother in der oben erwähnten Vorschau Ursla Mielkes, „befinden sich auf einer Suche, um die Kraft der Liebe verstehen zu können. Deshalb verschärfte ich den Konflikt zwischen beiden. Für mich sind es verlorene Seelen, welche sich in jeder Gesellschaftsschicht finden lassen.“
Ich fand die Ausdruckskunst und Ausdruckskraft der Tänzerinnen und Tänzer, mit der sie diese
Situation am Dorfplatz vor der Blockhütte und die Entwicklung bis zur Verzweiflungstat Giselles am Ende des ersten Aktes veranschaulichten, begleitet von der Musik aus dem Orchestergraben (Loh-Orchester unter Michael Ellis Ingram) hervorragend.



Der zweite Akt nach der Pause beginnt an einem kargen Wald am Grab Giselles und wird im weiteren Verlauf von ganz in Weiß gekleideten feenhaften Wilis dominiert, jungen Mädchen, die
vor ihrer Hochzeit verstorben sind und nun zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang junge Männer in ihr Verderben führen. Alle hatten sie ihr Schicksal, Geschichten von Liebe, Verführung, Betrug, Rache und Vergeltung. Auch Giselle droht nach ihrem Freitod aus enttäuschter Liebe zu Prinz Albrecht zu einem solchen Geisterwesen zu werden und ihren Geliebten gemeinsam mit den anderen Wilis zu töten. Doch rettet ihre Liebe schlussendlich den Betrüger und Verführer und sich selbst vor einem Schattendasein in der Zwischenwelt. Und das Ballett (choreographiert von Jutta Ebnother) mit
Königin Myrtha ruft die Verstorbene in ihren Kreis. Sie soll Rache üben und die Männer in einen tödlich endenden Tanz zwingen. Doch Giselle stellt sich schützend vor Albrecht und rettet ihm das Leben, denn ihre Liebe geht über den Tod hinaus. Und auch da finde ich nur bestätigt, was Jutta Ebnother in der Vorschau zur Hauptrolle Magdalena Pawelec's in Aussicht stellte: „Ich möchte die unterschiedlichen Typen von Giselle und Myrtha, der Königin tanzbesessener Elfenwesen, genannt Wilis, herausstellen... Magdalena Pawelec ist genau der Typ, den ich mir für diese Rolle vorstelle. Sie
verfügt über eine große Bewegungssprache, die unter die Haut geht. Sie ist reif für Giselle!“. Ich kann das nach der Premiere gut nachvollziehen und fand die Aufführung einfach begeisternd. Und dass dies auch die Zuschauer in ihrer Gesamtheit so empfanden, ließ der sehr, sehr lange Beifall erkennen, der sich nach der Aufführung erhob und gar nicht enden wollte. Jutta Ebnother motivierte ihr Ballett zu einer Darbietung von Kraft bei gleichzeitiger Ästhetik und einem Leistungsvermögen der Akteure bis zum letzten tänzerischen Schritt, das hohe Anerkennung verdient. Und die begleitende
musikalische Fassung besticht durch eine Kombination dramatischer Darstellung, virtuoser Technik und einen teilweise geradezu mitfühlenden Hörgenuss. Es war ein begeisterndes Erlebnis.




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