Ursula Mielke in der „Thüringer Allgemeine“ schaffte gestern
mit ihrer durchaus qualifizierten Vorschau zu „Giselle“ gute Voraussetzungen, die
Premiere der Ballett-Aufführung im Theater Nordhausen mit großer
Erwartung zu besuchen. Und der Verlauf enttäuschte nicht, er
begeisterte geradezu. Das trifft sowohl auf das gesamte Ensemble zu,
und noch mehr auf Magdalena Pawelec als Giselle selbst, das Mädchen
vom Lande, das in ihrer Unbefangenheit den kürzlich ins Dorf
gekommenen Albrecht (Daisuke Sogawa) rasch sympathisch findet. Und
ihm ihre Liebe schenkt,
nachdem sie von ihm gekonnt umgarnt wird.
Deshalb erweist sich die Strenge der allein erziehenden Mutter Berthe
(Anja Eisner) mit der sie ihre Tochter zu zügeln versucht, absolut
wirkungslos, hat sie doch schließlich selbst Mühe, dem Charme
Albrechts nicht zu unterliegen. Und auch die Handgreiflichkeiten, mit
denen Hilarion (David Roßteutscher), Giselles bis dahin bester
Freund versucht, Albrecht von ihr fern zu halten, bleiben erfolglos.
Es nutzte alles nichts, Giselle ist Albrecht verfallen. Und als sie
erfährt, dass ihr Albrecht
ein Graf und bereits mit der Adligen
Bathilde (Irene López Ros) verlobt ist, ist Giselle so verzweifelt,
dass sie sich das Leben nimmt. „Die Männer Albrecht und Hilarion“,
beteuert Jutta Ebnother in der oben erwähnten Vorschau Ursla
Mielkes, „befinden sich auf einer Suche, um die Kraft der Liebe
verstehen zu können. Deshalb verschärfte ich den Konflikt zwischen
beiden. Für mich sind es verlorene Seelen, welche sich in jeder
Gesellschaftsschicht finden lassen.“
Ich fand die Ausdruckskunst und Ausdruckskraft der Tänzerinnen
und Tänzer, mit der sie diese
Situation am Dorfplatz vor der
Blockhütte und die Entwicklung bis zur Verzweiflungstat Giselles am
Ende des ersten Aktes veranschaulichten, begleitet von der Musik aus
dem Orchestergraben (Loh-Orchester unter Michael Ellis Ingram)
hervorragend.
Der zweite Akt nach der Pause beginnt an einem kargen Wald am Grab
Giselles und wird im weiteren Verlauf von ganz in Weiß gekleideten
feenhaften Wilis dominiert, jungen Mädchen, die
vor ihrer Hochzeit
verstorben sind und nun zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang junge
Männer in ihr Verderben führen. Alle hatten sie ihr Schicksal,
Geschichten von Liebe, Verführung, Betrug, Rache und Vergeltung.
Auch Giselle droht nach ihrem Freitod aus enttäuschter Liebe zu
Prinz Albrecht zu einem solchen Geisterwesen zu werden und ihren
Geliebten gemeinsam mit den anderen Wilis zu töten. Doch rettet ihre
Liebe schlussendlich den Betrüger und Verführer und sich selbst vor
einem Schattendasein in der Zwischenwelt. Und das Ballett
(choreographiert von Jutta Ebnother) mit
Königin Myrtha ruft die
Verstorbene in ihren Kreis. Sie soll Rache üben und die Männer in
einen tödlich endenden Tanz zwingen. Doch Giselle stellt sich
schützend vor Albrecht und rettet ihm das Leben, denn ihre Liebe
geht über den Tod hinaus. Und auch da finde ich nur bestätigt, was
Jutta Ebnother in der Vorschau zur Hauptrolle Magdalena Pawelec's in
Aussicht stellte: „Ich möchte die unterschiedlichen Typen von
Giselle und Myrtha, der Königin tanzbesessener Elfenwesen, genannt
Wilis, herausstellen... Magdalena Pawelec ist genau der Typ, den ich
mir für diese Rolle vorstelle. Sie
verfügt über eine große
Bewegungssprache, die unter die Haut geht. Sie ist reif für
Giselle!“. Ich kann das nach der Premiere gut nachvollziehen und
fand die Aufführung einfach begeisternd. Und dass dies auch die
Zuschauer in ihrer Gesamtheit so empfanden, ließ der sehr, sehr
lange Beifall erkennen, der sich nach der Aufführung erhob und gar
nicht enden wollte. Jutta Ebnother motivierte ihr Ballett zu einer
Darbietung von Kraft bei gleichzeitiger Ästhetik und einem
Leistungsvermögen der Akteure bis zum letzten tänzerischen Schritt,
das hohe Anerkennung verdient. Und die begleitende
musikalische
Fassung besticht durch eine Kombination dramatischer Darstellung,
virtuoser Technik und einen teilweise geradezu mitfühlenden
Hörgenuss. Es war ein begeisterndes Erlebnis.




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