In seinem jüngsten Mitteilungsbrief schreibt Manfred Grund,
Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
(Auszug): „Die Vorgänge auf der Krim und in Russland erfüllen uns
mit Sorge. Haben wir in Deutschland auch dank der Erfahrungen aus der
friedlichen Revolution eine nie gekannte Phase mehrerer Jahrzehnte
des friedlichen Zusammenlebens mit unseren Nachbarn erlebt und uns
anderen Themen zugewendet, so müssen wir akzeptieren, dass wir der
Außenpolitik mehr Augenmerk werden einräumen müssen.(Ende des
Auszugs).
Grund schreibt natürlich aus seiner Sicht als kompetenter
Politiker, denn wenn ich an die letzten Tage der Karnevalzeit denke,
während denen die Spannungen in der Ukraine mehr als Stoff für die
Festwägen der Rosemontags-Umzüge genutzt wurden, scheint die
Dramatik um Ukraine und Krim in der breiten Öffentlichkeit in
Deutschland noch nicht so richtig angekommen zu sein. Und tatsächlich
mehr ein Thema für die Politik zu sein. Und wenn Manfred Grund
weiter schreibt, dass viele Themen der innenpolitischen Diskussionen
angesichts der grundsätzlichen Herausforderungen durch das russische
Vorgehen in unserer Nachbarschaft an Bedeutung verlieren, habe ich
zumindest hier den Eindruck, dass der Kalivertrag aus der Wendezeit
zumindest für die etablierte regionale Tageszeitung größere
Bedeutung hat als etwa die Aufnahme der Krim in die russische
Staatengemeinschaft. Und daran ändert wohl auch Manfred Grund
nichts, wenn er zur Überlegung stellt, ob wir Europäer Russland
gewähren lassen, oder ob wir bereit sind, für Sanktionen gegen
Russland eigene Nachteile hinzunehmen. Eine Überlegung, von der der
Bundespolitiker aus dem Eichsfeld ausdrücklich betont, dass sich
diese Überlegungen für jeden Einzelnen von uns stellt.Oder stellen
sollte.
Und weil ich ja auch mal etwas spekulieren kann – was ich ja
sonst grundsätzlich vermeide – überlege ich unwillkürlich
angesichts des Grund-Hinweises auf die friedliche Revolution und
deren Erfahrungen (siehe oben) ob es wohl eine solch friedliche
Revolution gegeben hätte, wenn es damals an der Spitze der
Sowjetunion nicht einen Michail Gorbatschow gegeben hätte, der
durch Glasnost und Perestroika die Wiedervereinigung einleitete?
Sondern einen Mann von dem Kaliber, der Mentalität und den
politischen Führungs- oder Machtwillen eines Wladimir Putin? Und
einem möglichen Hilferuf der damaligen SED?
Zugestanden, das sind brotlose Spekulationen. Ich erinnere mich
aber auch noch an die Zeit vor dem 1. Oktober 1938 und die Spannung –
auch angesichts der tschechischen Bunker- und Befestigungsanlagen
fast in Sichtweite – ob es nun eine friedliche Einigung geben
würde. Und schließlich dem Einmarsch deutscher Truppen, begeistert
empfangen von der deutschen Bevölkerung (siehe meinen Eintrag vom
04. März „Nichts gelernt aus der Geschichte?“). Ich denke, nur
wenn man eine solche Situation und Spannung erlebt hat, kann man
nachvollziehen, was da in der Ukraine und der Krim derzeit vor sich
geht. Aber auch die Reaktion der westlichen Staaten und die Bedenken
der Wirtschaft angesichts der angedrohten und eingeleiteten
Sanktionen. Und wenn gerade heute die „WELT“ schreibt, Kremlchef
Wladimir Putin quittiere die neuen Sanktionen des Westens mit einem
Scherz. In Wahrheit aber überlege die Regierung hektisch, wie sie
einen drohenden Einbruch der Wirtschaft verhindern kann, dann sind
auch das Spekulationen und weniger eine Wahrheit. Richtig dagegen
scheint zu sein, dass auch die Politik nur sondieren kann und alles
vermeiden muss, was zu einer Eskalation führen kann. Auf beiden
Seiten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen