Donnerstag, 27. März 2014

Frauen in der Kunst gewürdigt

Als ich Ende Februar die Einladung zur Ausstellung „Die Kunst ist weiblich“ erhielt, die am 08. März im Kunsthaus Meyenburg in Nordhausen eröffnet wurde, empfand ich diesen Titel zunächst als provokant. Der Hinweis allerdings, dass es sich bei den Bildern, die da gezeigt werden würden, ausschließlich um Exponate von Künstlerinnen handeln, wirkte besänftigend. Und heute stelle ich mit Genugtuung fest, dass die Leiterin des Kunsthauses, Kunsthistorikerin Susanne Hinsching mit dieser Ausstellung und im Ergebnis der gestrigen „Kunst und Kaffee“-Veranstaltung eine geschichtliche Problematik bewusst werden ließ, die die Stellung und
Situation von Frauen betrifft, die in der bildenden Kunst stets auch hohes Können zu bieten vermochten,. Und es doch stets denkbar schwer hatten, damit die gebührende Akzeptanz und Anerkennung zu finden.

Als kunstinteressierter Mensch freue ich mich über Ausstellungen guter Kunst, ohne bisher auf den Gedanken zu gekommen zu sein, dass mit ihren „Verursachern“ ja auch eine Problematik verbunden sein könnte, die mit deren Geschlecht zu tun hat. Susanne Hinsching zitierte eingangs ihrer Laudatio New Yorker Guerilla Girls die 1989 die provokante Frage stellten: „Müssen Frauen nackt sein, um ins Metropolitan Museum zu kommen?“ Anlass für diese Frage waren Recherchen, nach denen weniger als 5 Prozent der Künstler im New Yorker Museum of Modern Art Frauen waren, 85 Prozent aller ausgestellten Akte dagegen Frauen sind.

Was den Anteil von Frauen in Aktbildern betrifft, mag das kaum verwundern. Dass der Anteil an Künstlerinnen dagegen derart niedrig ist, mag erst dann auffallen, wenn dies thematisiert wird. Das aber schien dringend notwendig, um bewusst werden zu lassen, dass es Frauen in der Geschichte der gestaltenden Kunst (allerdings nicht nur dort) denkbar schwer hatten, Anerkennung zu finden.

Die Kunsthistorikerin Susanne Hinsching machte es mit ihrer Laudatio am 8. März gegenüber ihren Zuhörern ganz grundsätzlich deutlich und erläuterte es gestern in ihrem Vortrag sehr detailliert anhand einzelner Beispiele, indem sie einleitend darauf hinwies, dass man bei einem Rückblick in die Kunstgeschichte nur wenige Namen von Künstlerinnen findet. „Jeder kennt die großen Künstler der Renaissance Leonardo
da Vinci, Michelangelo, Tintoretto oder Carravaccio. Kaum oder gar nicht bekannt sind dagegen Sofonisba Anguissola (1531-1625), Marietta Robusti (1560-1590 und Artemisia Gentileschi (1593-1653). Alle 3 waren bedeutende Malerinnen des 16./17. Jahrhunderts“, führte Hinsching aus, um sie danach mit zahlreichen weiteren Künstlerinnen in den Focus ihres Vortrags zu rücken (ich werde darauf gelegentlich noch näher eingehen). Wobei sie deutlich machte, dass die Möglichkeiten für Frauen, als Künstlerinnen frei und unabhängig zu schaffen, seit der Renaissance meist eng verknüpft war mit dem allgemeinen Selbstverständnis des Künstlertums und der Gestaltung der Geschlechterrollen in der jeweiligen Gesellschaft. (Wie es ja Frauen ganz allgemein schwer hatten, über ihre elementare Bestimmung als Frau und Mutter
hinaus sich in der stets von Männern dominierten Gesellschaft mit ihren Talenten und Ansprüchen verwirklichen zu können.) Aber schon die Zugangsmöglichkeiten zu einer künstlerischen Ausbildung spielten eine wichtige Rolle. Diese Kriterien waren in den einzelnen kunstgeschichtlichen Epochen unterschiedlich und vielfach gegenüber den Möglichkeiten der Männer beträchtlich eingeschränkter und beschwerlicher. So konnten Frauen in Europa bis zum 19. Jahrhundert nur in einem kirchlichen oder höfischen Kontext bzw. der väterlichen Werkstatt eine künstlerische Berufsausbildung absolvieren. Von der akademischen Ausbildung, die ab dem 19. Jh. für die Künstler zunehmend wichtiger wurde, waren sie ausgegrenzt.

Noch um die Wende vom 19. zum 20 Jh. war auch in Deutschland eine Künstlerexistenz für eine Frau kaum realisierbar. Stärker als ihre männlichen Kollegen hatten die Künstlerinnen zu dieser Zeit mit dem Spannungsverhältnis zwischen beruflichem Selbstverständnis und bürgerlicher Gesellschaft zu kämpfen, insbesondere eben zu ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Rolle als Ehefrau und Mutter. Ihre Möglichkeiten der künstlerischen Ausbildung beschränkten sich vor allem auf eine musisch-ästhetische Erziehung, wie Zeichnen und Musizieren mit dem Ziel, als Ehefrau die Repräsentation der Familie nach außen übernehmen zu können.

Davon abgesehen bot Hinsching aber auch mit Berthe Morisot (1841-1885), Eva Gonzalès (1847-1883) und Mary Cassatt (1844-1926) mehrere Beispiele von Künstlerinnen, die von ihren männlichen Kollegen (Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir u.a.) durchaus anerkannt
wurden, damit auch zum engeren Kreis der Impressionistinnen gehörten und gemeinsam Ausstellungen gestalteten.

Mit weiteren Beispielen verdeutlichte die Kunsthistorikerin die weitere Entwicklung, gekennzeichnet stets von zeittypischen Schwierigkeiten, in denen Künstlerinnen wie Camille Claudel (1864-1943) oder Marianne von Werefkin (1860-1938) faszinierende Kunstwerke schufen.
Unter Berücksichtigung jener Schwierigkeiten schilderte Hinsching die Bildung von sogenannten Damenakademien, deren Ursprung ein Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen (1867 in Berlin und München) war. Dass die Gesellschaft dieser Entwicklung zumindest anfänglich die ernsthafte Anerkennung verweigerte, lässt sich aus der Betitelung der Künstlerinnen als „Malweiber“ entnehmen.

Immerhin aber erzielten diese „Malweiber“ doch schon dadurch Erfolg, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung „angekommen“ waren. Dann aber setzten in Europa, und vor allem in Deutschland und Österreich zu Beginn der 1930er Jahre die Nationalsozialisten nach ihrer Machtergreifung die Künstlerinnen unter Druck, die dem damaligen Kunstideal nicht entsprachen. Werke wie die von Paula Modersohn-Becker oder Elfriede Lohse-Wächter wurden als „entartet“ diffamiert. Im Zuge dessen wurden Künstlerinnen, die dem nationalsozialistischen Kunst- Diktat nicht entsprachen, auch aus den Künstlervereinigungen ausgeschlossen und erhielten Ausstellungsverbot. Elfriede Lohse-Wächter schließlich wurde gar als Behinderte stigmatisiert und in der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein getötet. Aber selbst nach Kriegsende war für Frauen die Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme der künstlerischen Tätigkeit ausgesprochen schwierig. Und erst seit den 1960er Jahren werden die eigentlich künstlerische Leistung von Frauen und deren gesellschaftliche Situation im geschichtlichen Zusammenhang erkannt, dargestellt und gewürdigt.

Susanne Hinsching belegte ihre Ausführungen weiter jeweils mit Einzelnamen und Beispielen von Künstlerinnen, zu deren bekanntesten sicher Niki de Saint Phalle (1930-2002) gehört, deren seit 1965 entstandenen sogenannten „Nanas“ - überdomensionale, ironisch-amüsante, farbintensive Plastiken – weltweit berühmt sind. Sie gehörte zur 1960 gegründeten Künstlergruppe der Nouveneaux Rèalistes, mit Daniel Spoerri, Jean Tinguely und anderen.
Künstlerinnen also hatten es im Geschichtsbild immer schwerer, mit ihren Leistungen Anerkennung zu finden. Zwar zeigt gegenwärtig ein Blick in Kunsthochschulen und -akademien (Burg Giebichenstein ist ein Beispiel) dass Frauen teilweise sogar die Mehrheit der Studierenden bilden. Trotzdem: in den großen Museen und bedeutenden Galerien sind sie weiter unterrepräsentiert. Eine Untersuchung zur
Frauenrepräsentanz in Düsseldorfer Kunstinstitutionen zeigte 1999 ein interessantes Ergebnis: die Düsseldorfer Kunsthalle präsentierte in den letzten 30 Jahren 167 Einzelausstellungen von Männern und nur 8 Einzelausstellungen von Frauen. Das Museum Frieder Burda nennt auf seiner Künstlerliste 77 Künstler und 7 Künstlerinnen. Und der deutsche Kulturrat stellte fest, dass in Deutschland im Zeitraum von 1995-200 bei staatlichen Ankäufen nur 1 von 3 Kunstwerken, die von den Bundesländern angekauft worden sind, von einer Frau geschaffen wurden. Und dass die Kunst von Männern durchschnittlich um etwa 10 Prozent teurer gehandelt wurde.

Susanne Hinsching referierte als Kunsthistorikerin und Leiterin des Kunsthauses Meyenburg. Kein Wunder deshalb, dass sie den Blick im lokalen Bereich schweifen ließ und dabei bei der Galerie der Kreissparkasse Nordhausen verweilte. Mit dem Ergebnis, dass diese in den
zwanzig Jahren ihres Bestehens ebenso vielen Künstlerinnen wie Künstlern Gelegenheit bot, ihre Bilder in Ausstellungen zu präsentieren. Und in der Reflexion auf ihr eigenes Kunsthaus mit der gegenwärtigen Ausstellung „Die Kunst ist weiblich“ ihrem Geschlecht die verdiente Reverenz erweist. Ihre Laudatio am 8. März und ihr gestriger Vortrag bei „Kunst und Kaffee“ tun ein übriges, um Künstlerinnen in ihrer gegenwärtigen Bedeutung zu würdigen. Und ich hole mit diesem Eintrag bisher Versäumtes nach, auf das ich aber noch einmal kommen werde. Ich schließe indessen diesen Eintrag, indem ich noch einmal Susanne Hinsching zitiere. Sie schloss ihre Laudatio zur Vernissage am 8. März wie folgt: „Ich hoffe sehr, dass es uns – ganz im Sinne von Ilsetraut Glock – mit dieser Ausstellung gelingt, einige Vorurteile gegenüber der Kunst von Frauen abzubauen und zu zeigen, dass Künstlerinnen in allen Bereichen, allen künstlerischen Techniken und künstlerischen Motiven gleichberechtigt tätig sind. Und dass man nicht zwischen der Kunst von Frauen und Männern unterscheiden sollte, sondern nur zwischen guter und schlechter Kunst! Dann kennt man im neuen Jahrhundert vielleicht auch ein paar Namen von Künstlerinnen mehr!!!“ Dem ist sicher vorbehaltlos zuzustimmen














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