Am vergangenen Sonntag (20.10.) hatte
ich einen längeren Eintrag zum Tagesgeschehen und meiner
(An-)Teilnahme gemacht. Und dabei einen Fernseh-Gottesdienst erwähnt,
der in Mosbach am Neckar gehalten wurde, aus der dortigen
Stiftskirche. Ich hatte bedauerte, den Gottesdienst am Bildschirm
nicht zumindest über die Predigt hinaus verfolgen zu können, weil
ich ja zum Hochamt in den Nordhäuser Dom wollte. Der Grund meines
Bedauerns beruhte auf dem Umstand, dass diese Mosbacher Stiftskirche
in der der Gottesdienst stattfand, eine Besonderheit aufweist: das
Gotteshaus ist durch eine Mauer im Innenraum zweigeteilt. Während in
einem der Räume katholischer Gottesdienst stattfindet, ist der
andere Raum dem evangelischen Glauben und deren Gottesdiensten
vorbehalten. Diese Teilung, die über Jahrzehnte – oder noch länger
- konsequent beachtet und „gelebt“ wurde, fand 2008 einen
buchstäblichen Durchbruch: die Mauer wurde im Zuge ökumenischer
Annäherung durchbrochen und eine Tür eingebaut.
Soweit die Einleitung, die ich noch
hören und sehen konnte. Der evangelische Pfarrer Dirk Keller, der zu
jener Zeit amtierte (ordinierte) und ursächlich mit diesem
Mauerdurchbruch zu tun hatte, würde die Predigt halten und dabei
erklären, wie es dazu kam. Und nachdem ich also diese Predigt nicht
mehr hören konnte, wandte ich mich per Mail an die Evang.
Stiftsgemeinde Mosbach mit der Bitte um ein Manuskript dieser
Predigt.
Nachdem es zunächst keine Reaktion gab
und meine Hoffnung bereits schwand, erhielt ich gestern tatsächlich
das Manuskript und bedanke mich ganz herzlich bei den Mitarbeitenden
im Pfarrbüro Mosbach. Und muss feststellen, dass mich diese Predigt
inhaltlich etwas an meinen eigenen Kontakt zur Ökumene erinnert, den
ich ja erst hier in Nordhausen erhielt und aufzunehmen vermochte. Und
seitdem pflege, soweit ich das vermag.
Nun aber ohne weitere Einleitung die
Predigt von Pfarrer Dirk Keller, die ich für außerordentlich
aufschlussreich halte:
Liebe Schwestern und Brüder,
wie viele hatten vor uns darauf
gewartet, dass der evangelische Mann mit seiner katholischen Ehefrau
zusammen Gottesdienst feiern kann. Dass man dazugehört, auch wenn
man ein bisschen anders glaubt.
Und so stehe ich im Jahre 2008 vor
dieser Mauer. Die Ökumene geht tatsächlich auf.
Pfarrer Bader und ich liegen uns in den
Armen und für einen Moment ist es so, als ob die letzten 300 Jahre
nichts gewesen wär. Ich habe „ökumenische Gänsehaut“.
Wenn meine Großmutter jetzt herschauen
könnte... sie wäre entsetzt. Vor mir als Enkel hat sie wenig
gefordert, außer dass ich nicht mit einer katholischen Frau nach
Hause komme.
Maria, Weihrauch, Fronleichnam,
Rosenkranz.....alles nichts für meine Großmutter. „Das ist doch
katholisch“ war keine Feststellung, sondern ein Urteil: Abgelehnt,
passt nicht zu uns.
An meiner Großmutter wird deutlich,
wie sich das Verhältnis unserer Kirchen in den letzten Jahrzehnten
verändert hat. Wie viele innere Türen so ganz allmählich
aufgegangen sind. Was uns heute selbstverständlich ist, haben
katholische und evangelische Christen in vielen Begegnungen
miteinander – manchmal gegen starke Widerstände in ihrer Gemeinde
– erkämpft und mit langem Atem eingeübt. Allein im Rückblick auf
meine eigene Erfahrungen staune ich immer wieder, was sich in der
Ökumene alles getan hat.
Zum ersten Mal in einer katholischen
Kirche war ich mit meiner Frau. Zunächst war mir vieles fremd.
Sitzen-Stehen-Knien … ein merkwürdiger Rhythmus im Gottesdienst.
Knien ging gar nicht für mich. Da sträubte sich alles in mir. So
protestantisch wie in diesem Moment hatte ich mich noch nie gefühlt.
Aber dann bin ich immer neugieriger geworden und wollte verstehen,
was mir so fremd war.
Einiges ist mir und vielen
evangelischen Christen mittlerweile lieb geworden. Die Osterkerze
erinnert an das erste Licht am Ostermorgen. „Christ unser Licht“
singen auch wir heute selbstverständlich in unseren evangelischen
Osternachtfeiern. Und wie viele evangelische Familien freuen sich
über Taufkerzen, -mittlerweile ein liebgewordenes Zeichen unseres
gemeinsamen Glaubens: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe … so wie es
schon im Epheserbrief heißt.
„Ihr tut gerade so, als ob ihr nur
von uns etwas gelernt hättet“, konnte ein katholischer Kollege
einmal zu mir sagen, „dabei sind auch wir froh, dass es euch gibt.
Von euch kann man lernen, frei zu beten, sich mit Gottes Wort
intensiv persönlich zu befassen und sich der Musik von Bach
hinzugeben“.
Liebe Schwestern und Brüder, dieser
Schulterschluss tut nicht nur uns gut, auch der Welt da draußen.
Ich meine: Sie braucht uns mehr denn
je, obwohl das Verhalten von Geistlichen in den letzten Jahren immer
wieder viele empört hat. Entweder weil sie selbst verletzt wurden
oder weil wir mit unserer Botschaft ungläubig geworden sind.
Auch mich erschüttert es, wenn unser
Glaube so in Verruf gebracht wird von unseren eigenen Leuten. Doch
bei aller berechtigten Empörung finde ich es wichtig, zu
unterscheiden! Denn diejenigen, die unseren Glauben in Verruf
gebracht haben, sind nicht alleine Kirche, auch wenn sie besondere
Verantwortung haben. Christen, Gottes Volk-Das sind wir alle! Und wir
versuchen, jeden Tag glaubwürdig zu leben und zu verkündigen, dass
Jesus Christus der Herr der Welt ist.
So haben wir uns etwa hier in unserer
Stadt dafür eingesetzt, dass auch die Leute, die in ihrem Leben
gescheitert sind, würdig beerdigt werden. . . Wie trostlos ihr Leben
auch immer gewesen sein mag, auch sie sind Kinder Gottes und werden
Gottes Herrlichkeit am Ende sehen!
Ich gestehe: Dies und manches andere in
der ökumenischen Zusammenarbeit geht mir auch heute noch unter die
Haut. Aber manchmal sträuben sich mir auch die Nackenhaare. Denn mit
der Ökumene ist es ein bisschen wie in einer Liebesbeziehung: je
mehr man sich aufeinander einlässt, umso empfindsamer wird man, wenn
schwierige Zeiten kommen.
So geht’s mir jedes Mal, wenn ich als
Gast im katholischen Gottesdienst predige. Eigentlich ist es immer
ein ganz besonderes Erlebnis. Wir beten miteinander und legen uns
gegenseitig die Bibel aus. So viel Einklang und blindes Verstehen.
Aber dann kommt immer wieder der Bruch.
Ein wenig verloren sitzen wir evangelischen Pfarrer hinter dem Altar
in der katholischen Kirche und müssen zuschauen, wie die katholische
Gemeinde das Abendmahl ohne uns feiert. Obwohl wir gemeinsam daran
glauben, dass unser gemeinsamer Herr jetzt mitten unter uns ist,
Sünden vergibt und die Gemeinschaft der Schwestern und Brüder im
Glauben an ihn stärkt. Das tut weh!
Da muss ich ganz, ganz viel Toleranz
aufbringen. Dulden und ertragen, was ich bei aller Liebe nicht
verstehe. Aus vielen offenen Gesprächen mit katholischen Priestern
und Gemeindegliedern weiß ich, dass sie unter dieser Trennung
genauso leiden wie wir.
Mit jedem neuen Papst hoffen sie, dass
er diese unsichtbare Mauer um den katholischen Altar niederreißt.
Wie gut, dass wir immer wieder miteinander darum beten können, was
Christus seinen Jüngern schon versprochen hat. Als er von ihnen
Abschied nimmt, verspricht er, dass einmal „alle eins sein werden“.
Wenn mir die Ökumene weh tut, gibt mir
dieser Satz Kraft und Geduld, weil er verspricht, dass unsere Einheit
aus der „himmlischen Welt“ kommen wird. Irgendwann einmal werden
wir alle gemeinsam am Tich des Herrn stehen und keiner wird zuschauen
müssen. Wenn's wir nicht erleben, dann unsere Kinder oder Enkel oder
Urenkel.
Dabei träumen wir in unseren Gemeinden
nicht von einer Einheitskirche. Die Vielfalt soll bleiben: Die
farbenfrohen Gewänder der Priester, die Ministranten am Altar und
die evangelischen Pfarrfamilien und die biblischen Losungen für
jeden Tag. Diese Vielfalt unserer Traditionen und unsere Gemeinsame
Mitte ist hier in Mosbach auf einen Blick zu sehen. Und so sind alle
berührt, die als Touristen durch die Mosbacher Ökumenetür gehen.
„Das ist ein starkes Zeichen“, können sie sagen, „das macht
uns Mut, auch daheim weiterzumachen und nicht locker zu lassen!“
„Das Gemeinsame ist stärker als
alles, was uns trennt“ - vielleicht gilt diese Erfahrung ja
generell. Auch zwischen Mann und Frau, Jung und Alt, Arm und Reich.
Denn Jesus Christus ist der Ursprung unseres gemeinsamen Glaubens.
Und er ist das eine Ziel, auf das wir zugehen. Darum lohnt es sich,
mit viel Geduld verschlossene Wände aufzubrechen, miteinander zu
beten und zu entdecken, wozu Christus uns berufen hat: Unsere
Einigkeit im Geist. Amen.
Bild: Blick durch die Ökumene-Tür
Foto: Kirchengemeinde Mosbach
Bild: Blick durch die Ökumene-Tür
Foto: Kirchengemeinde Mosbach
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen