Während
bereits gestern in Nordhausen das Gedenken an die Pogromnacht des 9.
November von 1938 stattfand, gedenkt man heute Deutschlandweit an
diesem Tag jener entsetzlichen Ereignisse, die
sich an diesem 9. November 1938 ereigneten. Auch in Nordhausen: Vor
nunmehr 75 Jahren verwüsteten Nazianhänger und ein aufgehetzter Mob
Synagogen, jüdische Geschäfte, Wohnungen und Einrichtungen. Auch
und gerade auch in Nordhausen wurden jüdische Menschen Opfer
gezielter Angriffe. Es war ein erster Höhepunkt der systematischen
Diskriminierung und Verfolgung der Juden im nationalsozialistischen
Deutschland. Zugleich war sie schrecklicher Auftakt dessen, was in
den Jahren danach geschah, nachdem die systematische Ausrottung der
europäischen Juden beschlossen wurde und die Deportationszüge in
die Todeslager zu rollen begannen.
Es war eine würdige und aufschlussreiche Gedenkveranstaltung, die
in der Flohburg, dem Nordhausen-Museum, mit der Eröffnung einer
Sonderausstellung zum jüdischen Leben in Nordhausen begann. Zu der
viele Menschen im Versammlungsraum des Hauses Platz genommen hatten.
Eröffnet wurde sie durch einen musikalischen Vortrag des Ensembles
„Misrach“, das dann auch die gesamte Veranstaltung musikalisch
bereicherte. Dem musikalischen Auftakt schloss sich die Begrüßung
der Gäste durch Museumsleiterin Dr. Cornelia Klose an, die sich
besonders freute, Landrätin Birgit Keller, Oberbürgermeister Dr.
Klaus Zeh, Landesrabbiner Konstatin Pal und Ramona
Bräu (Uni Freiburg) begrüßen zu können. Letztere war
gekommen, das Impulsreferat zu halten.
Nach der Begrüßung und Einführung in das Thema der Ausstellung
erinnerte OB Klaus Zeh an das gedeihliche Leben und Wirken der Juden
in Nordhausen, das dann durch die Nationalsozialisten mit dieser
Pogromnacht ein jähes Ende fand. Er bekannte sich zur Schuld vieler
Nordhäuser, die dieses jähe Ende tätig herbeiführten. Und die
Vielen, die es miterlebten, aber wegschauten. Auch Landesrabbiner Pal
thematisierte in seiner Ansprache diese Tragik und beklagte
schließlich, dass auch in der Gegenwart Juden nicht frei von
Anfeindungen leben können.
Dann referierte Ramona Bräu und vermittelte zunächst eine
Vorstellung, wie es zu diesen Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung
im gesamten Deutschen Reich gerade am 9. November 1938 kam: Den
Vorwand nämlich lieferte der Tod des Gesandten Ernst von Rath, der
am 7. November 1938 vom polnischen Juden Herschel Grynszpan bei einem
Schussattentat in der Deutschen Botschaft in Paris schwer verletzt
wurde und am 9. November verstarb.
Diese Nacht wurde dann auch
wegen der vielen zerbrochenen Fensterscheiben zynisch als
„Reichskristallnacht“ bezeichnet. Überall fanden in der
„Pogromnacht“ die mitunter blutigsten Ausschreitungen im gesamten
Reich statt. Rollkommandos überfielen mit gezielten Aktionen -
Zivilkleidung wurde zur Tarnung empfohlen - Geschäfte,
Einrichtungen und Wohnungen von Juden. Und die Synagogen gingen in
Flammen auf. Bräu kam dann auf die Verfolgung der Juden in
Thüringen zu sprechen und empfahl dabei das Buch „. .
.ausgebrannt, ausgeplündert, ausgestoßen“ Die Progrome gegen die
jüdischen Bürger Thüringens im November 1938 hin, dessen
Mitautorin sie ist.
Nach ihrem Vortrag begaben sich die Teilnehmer der Veranstaltung
zur Kranzniederlegung zum Gedenkstein für die ehemalige Synagoge
am Pferdemarkt. Und dieser Akt des Gedenkens ist mir Anlass, einen
Umstand gerade auch im Zusammenhang mit der laufenden Seniorenwoche
zu bedenken zu geben: der dortige Ablauf zog sich mit dem Monolog des
Oberbürgermeisters und dem daran anschließenden Vorgängen noch vor
der eigentlichen Kranzniederlegung in einer Weise in die Länge, der
meines Erachtens älteren und behinderten Menschen, die dieses
Programm stehend miterleben wollten, nicht zumutbar war. Ich verließ
notgedrungen den Gedenkplatz schon während des Monologs und wie ich
später hörte, folgten dem nach und nach auch andere ältere
Teilnehmer . Es wird gerade in diesen Tagen viel von altengerechten
Leben in Nordhausen gesprochen und diskutiert. Wie sich das praktisch
darstellt, dafür lieferte dieser Akt der Kranzniederlegung ein
praktisches
Beispiel. Die sich daraus ergebende Einsicht kann dann
für mich nur sein: Wegbleiben. Das sollte nicht als Kritik
aufgefasst werden, sondern – wie bemerkt – Anstoß zu
entsprechenden Überlegungen sein. Alter und Behinderung sind mit
notwendig werdender Selbstbeschränkung verbunden, daran führt kein
Weg vorbei. Das ist die eine Seite. Die andere sollte das Verständnis
der Jüngeren, Gesunden und Organisatoren von Veranstaltungen sein.
Gesellschaftlicher Teilhabe wird sonst jedenfalls die Grundlage
entzogen. Und zur Sache: das Programm in der Flohburg hätte durchaus
genügt, um diesem Gedenken ausreichenden Inhalt zu geben. Auf die
Ausstellung werde ich noch gesondert eingehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen