Samstag, 9. November 2013

Wider das Vergessen

Während bereits gestern in Nordhausen das Gedenken an die Pogromnacht des 9. November von 1938 stattfand, gedenkt man heute Deutschlandweit an diesem Tag jener entsetzlichen Ereignisse, die sich an diesem 9. November 1938 ereigneten. Auch in Nordhausen: Vor nunmehr 75 Jahren verwüsteten Nazianhänger und ein aufgehetzter Mob Synagogen, jüdische Geschäfte, Wohnungen und Einrichtungen. Auch und gerade auch in Nordhausen wurden jüdische Menschen Opfer gezielter Angriffe. Es war ein erster Höhepunkt der systematischen Diskriminierung und Verfolgung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Zugleich war sie schrecklicher Auftakt dessen, was in den Jahren danach geschah, nachdem die systematische Ausrottung der europäischen Juden beschlossen wurde und die Deportationszüge in die Todeslager zu rollen begannen.
Es war eine würdige und aufschlussreiche Gedenkveranstaltung, die in der Flohburg, dem Nordhausen-Museum, mit der Eröffnung einer Sonderausstellung zum jüdischen Leben in Nordhausen begann. Zu der viele Menschen im Versammlungsraum des Hauses Platz genommen hatten. Eröffnet wurde sie durch einen musikalischen Vortrag des Ensembles „Misrach“, das dann auch die gesamte Veranstaltung musikalisch bereicherte. Dem musikalischen Auftakt schloss sich die Begrüßung der Gäste durch Museumsleiterin Dr. Cornelia Klose an, die sich besonders freute, Landrätin Birgit Keller, Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh, Landesrabbiner Konstatin Pal und Ramona Bräu (Uni Freiburg) begrüßen zu können. Letztere war gekommen, das Impulsreferat zu halten.
Nach der Begrüßung und Einführung in das Thema der Ausstellung erinnerte OB Klaus Zeh an das gedeihliche Leben und Wirken der Juden in Nordhausen, das dann durch die Nationalsozialisten mit dieser Pogromnacht ein jähes Ende fand. Er bekannte sich zur Schuld vieler Nordhäuser, die dieses jähe Ende tätig herbeiführten. Und die Vielen, die es miterlebten, aber wegschauten. Auch Landesrabbiner Pal thematisierte in seiner Ansprache diese Tragik und beklagte schließlich, dass auch in der Gegenwart Juden nicht frei von Anfeindungen leben können.
Dann referierte Ramona Bräu und vermittelte zunächst eine Vorstellung, wie es zu diesen Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung im gesamten Deutschen Reich gerade am 9. November 1938 kam: Den Vorwand nämlich lieferte der Tod des Gesandten Ernst von Rath, der am 7. November 1938 vom polnischen Juden Herschel Grynszpan bei einem Schussattentat in der Deutschen Botschaft in Paris schwer verletzt wurde und am 9. November verstarb.

Diese Nacht wurde dann auch wegen der vielen zerbrochenen Fensterscheiben zynisch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet. Überall fanden in der „Pogromnacht“ die mitunter blutigsten Ausschreitungen im gesamten Reich statt. Rollkommandos überfielen mit gezielten Aktionen - Zivilkleidung wurde zur Tarnung empfohlen - Geschäfte, Einrichtungen und Wohnungen von Juden. Und die Synagogen gingen in Flammen auf. Bräu kam dann auf die Verfolgung der Juden in Thüringen zu sprechen und empfahl dabei das Buch „. . .ausgebrannt, ausgeplündert, ausgestoßen“ Die Progrome gegen die jüdischen Bürger Thüringens im November 1938 hin, dessen Mitautorin sie ist.

Nach ihrem Vortrag begaben sich die Teilnehmer der Veranstaltung zur Kranzniederlegung zum Gedenkstein für die ehemalige Synagoge am Pferdemarkt. Und dieser Akt des Gedenkens ist mir Anlass, einen Umstand gerade auch im Zusammenhang mit der laufenden Seniorenwoche zu bedenken zu geben: der dortige Ablauf zog sich mit dem Monolog des Oberbürgermeisters und dem daran anschließenden Vorgängen noch vor der eigentlichen Kranzniederlegung in einer Weise in die Länge, der meines Erachtens älteren und behinderten Menschen, die dieses Programm stehend miterleben wollten, nicht zumutbar war. Ich verließ notgedrungen den Gedenkplatz schon während des Monologs und wie ich später hörte, folgten dem nach und nach auch andere ältere Teilnehmer . Es wird gerade in diesen Tagen viel von altengerechten Leben in Nordhausen gesprochen und diskutiert. Wie sich das praktisch darstellt, dafür lieferte dieser Akt der Kranzniederlegung ein praktisches
Beispiel. Die sich daraus ergebende Einsicht kann dann für mich nur sein: Wegbleiben. Das sollte nicht als Kritik aufgefasst werden, sondern – wie bemerkt – Anstoß zu entsprechenden Überlegungen sein. Alter und Behinderung sind mit notwendig werdender Selbstbeschränkung verbunden, daran führt kein Weg vorbei. Das ist die eine Seite. Die andere sollte das Verständnis der Jüngeren, Gesunden und Organisatoren von Veranstaltungen sein. Gesellschaftlicher Teilhabe wird sonst jedenfalls die Grundlage entzogen. Und zur Sache: das Programm in der Flohburg hätte durchaus genügt, um diesem Gedenken ausreichenden Inhalt zu geben. Auf die Ausstellung werde ich noch gesondert eingehen.

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