Mittwoch, 20. November 2013

Anmerkung nach meinem „Backhaus“-Eintrag

Obwohl mein Eintrag „Keine Rücksicht auf Behinderte“ erst einen Tag zurückliegt, erhielt ich prompt eine Mail-Antwort des Herausgebers der Online-Zeitung nnz, Peter-Stefan Greiner, dessen Kernsatz lautet: „Auch wenn Sie behindert sind, dreht sich das Universum (auch im Kunsthaus) nicht um Sie.“ Und weiter: „Beruhigend ist zu wissen, dass Sie vermutlich das alleinige Blickrecht wortreich verteidigen. Sei es gegen Grabe, Müller oder eben gegen Herrn Backhaus, den Sie beleidigend „Abfallreporter“ titulieren.“ Und gerade letzteres wundert mich einigermaßen, ist mir doch bekannt, dass die nnz unlängst sogar vom Presserat gerügt wurde. Ohne das geringste Zugeständnis. Deshalb halte ich den moralischen Zeigefinger für absolut unangebracht..

Ich könnte darauf einfach und leicht antworten, dass sich hier einmal mehr zeigt, dass Journalisten zwar gern austeilen, aber nicht einstecken können. Doch bin ich darüber hinaus der Meinung, dass es hier um Belange von grundsätzlicherer Bedeutung geht, die auch und gerade die Seriosität und Glaubwürdigkeit von Journalisten betreffen. Und das scheint mir doch wesentlich. Wobei mir erneut der Hinweis nötig scheint, dass es meine ganz persönlichen Überlegungen und Eindrücke sind, die ich hier einstelle. Und ich würde salopp bemerken, dass derjenige, der diese Einträge liest, selber schuld ist. (Ich weiß allerdings über die Verwaltung meines Blogs, wie viele Nutzer diese Schuld inzwischen „riskieren“.)

Zur Sache also: „Mobilität darf keine Frage des Alters sein. In jedem Lebensalter wollen sich Menschen möglichst frei, sicher und autark in ihrer Umgebung bewegen – auch wenn sie möglicherweise körperlich beeinträchtigt sind. Genauso wichtig wie der Zugang zu lebenswichtigen Einrichtungen sind Kontakt und Austausch mit den Mitmenschen. Mit neuen Lösungen für mehr Mobilität schafft die Bundesregierung dafür die Voraussetzungen.“

Das ist die jüngste Verlautbarung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Und die Medien interpretieren. In diesem Zusammenhang finden periodisch Seniorenwochen statt, um jeweils die Vorgaben des Bundesministeriums umzusetzen. Die jüngste dieser Seniorenwochen mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen in verschiedenen Senioreneinrichtungen und im Jugendclubhaus fand kürzlich in Nordhausen statt. Und die Zeitungen berichteten. Die „Nordhäuser Allgemeine“ sogar mit einer „kleinen Serie“ über Schwachpunkte im urbanen Leben der Senioren.

Und damit sollen sich offensichtlich betagte und körperlich beeinträchtigte Menschen zufrieden geben. Wer Ansprüche auf unmittelbarere Teilhabe beansprucht, dem wird mitgeteilt, „Auch wenn Sie behindert sind, dreht sich das Universum . . . nicht um Sie.“ Und spricht von einem Blickrecht. Dabei habe ich kein „Blickrecht“ reklamiert, wie behauptet wird. Weil es ein solches ebenso wenig gibt, wie ein Recht von Journalisten, Gästen einer Veranstaltung den Blick auf das unmittelbare Geschehen zu nehmen. Ich habe Rücksichtnahme und damit Fairness reklamiert. Und nicht einmal von einem Journalisten, sondern einem Mitarbeiter der Abfallwirtschaft des Landratsamtes, also einem normalen Gast der Veranstaltung. Als Journalist privilegiert ist er meines Wissens nicht. Seinen in der nnz erschienenen Bericht habe ich sogar als sehr gut bezeichnet. (Ist es also korrekter, ihn nach seinem derzeitigen Herkommen als „Reporter aus der Abfallwirtschaft“ zu bezeichnen?) Und schließlich habe ich mich sogar ausdrücklich bedankt bei (Bild-)Journalisten und dem Pressesprecher der Stadtverwaltung, für deren Rücksichtnahme. Wo also liegt das Problem?

Und wenn mir mitgeteilt wird, dass es beruhigend sei zu wissen, dass ich vermutlich das alleinige Blickrecht wortreich verteidige, dann will ich darauf gern entgegnen, dass man im lokalen öffentlichen Veranstaltungsbild kaum noch alte und behinderte Menschen sieht. Obwohl sie doch inzwischen fast die Mehrheit der Bevölkerung bilden würden. Sie scheinen längst resigniert und sich auf ihre Senioren- und Begegnungsstätten zurückgezogen zu haben. Mangels Verständnisses durch Organisatoren und Journalisten. (Womit die ganze Chose ein „G'schmäckle“ von Heuchelei erhält.) Und ich mich vielfach als ältester Teilnehmer bei Veranstaltungen finde. Obwohl ich mich ja auch davon weitgehend zurückgezogen habe. Der Leiterin des Kunsthauses bin ich jedenfalls dankbar, dass mir dabei wenigstens im Kunsthaus eine Sitzgelegenheit reserviert wird. „Und dann besitze ich die Frechheit, auch noch etwas Rücksicht von Journalisten und/oder anderen Teilnehmern zu reklamieren“.

Und wenn ich in dem Zusammenhang über den Tellerrand hinaussehe, stoße ich auf höchst aufschlussreiche und authentische Studien und Berichte, die übereinstimmend über jene Auskunft geben, bei denen ich etwas Rücksichtnahme reklamiere: Journalisten haben einen schlechten Ruf: Zu dreist, zu unmoralisch, zu wenig Distanz und zuviel PR in der Berichterstattung, hieß es zum Beispiel in einer Allensbach-Studio vor einiger Zeit. In Meinungsumfragen ist das Prestige von Presseleuten vergleichbar mit dem von Politikern und Gewerkschaftern: Am unteren Ende der Skala. Viele Befragte finden Journalisten genauso ehrlich wie Autoverkäufer und Makler, denn der Boulevard-Journalismus prägt das Berufs-Bild: Reporter, die übertreiben und verdrehen. Berichte dieses Tenors könnte ich beliebig ergänzen. Und behalte mir vor, es auch „wortreich“ zu tun. Das Internet bietet dafür ja genügend Platz

Und wenn über das schlechte Image von Journalisten gesprochen wird, fällt unweigerlich der Vorwurf der mangelnden Qualität, las ich unlängst bei Vocer (?). Ohne hier weiter auf diesen Mangel einzugehen, will ich auf einen Eintrag verweisen, den ich unlängst machte, in dem es um das Bild des Journalisten in „Tatort“ -Filmen ging, das dort ganz allgemein alles andere als seriös dargestellt und dadurch geradezu typisiert wird. Beispiele? "Provinzieller Schreiberling" ("Tatort: Im Netz der Lügen", SWR), "Zeitungsschnepfe" ("Tatort: Schlaf, Kindlein, schlaf", WDR) oder "Gierig wie die Schmeißfliegen" ("Tatort: Um jeden Preis", BR). Dass diese Erscheinungsbilder von Journalisten nicht nur in „Tatort“-Sendungen, sondern auch in vielen anderen TV-Krimis vermittelt und nicht selten geradezu suggeriert werden, sei am Rande bemerkt. Das Klischee des skrupellosen Schreiberlings und sensationsgierigen Fotografen ist weit verbreitet, hieß es zum Beispiel auch im Februar in einer TV-Dokumentation des NDR. Kein Wunder also, wenn der Ruf des Journalisten in der Öffentlichkeit durchweg negativ besetzt ist. Und ich beendete diesen Eintrag mit dem Bemerken: „Umso mehr aber hat es jeder von ihnen in der Hand, durch sein eigenes Verhalten zumindest in seinem unmittelbaren Wirkungsbereich einen anderen, individuellen Eindruck zu vermitteln. Das könnte ich heute nur bekräftigen. Ich reklamiere einfach Fairness. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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