Freitag, 29. November 2013

Warum engagieren sich Bürger ehrenamtlich?

Angesichts einer gerade erhaltenen Studie zur Triebfeder für ehrenamtliches Engagement erinnerte ich mich an die diesjährige Festveranstaltung am Vorabend des Tages der deutschen Einheit, also am 02. Oktober im Theater Nordhausen. Dort war es vor allem die Ansprache von Landrätin Birgit Keller, die ich wirklich aufschlussreich fand. Und ich bedauerte damals – und wiederhole es heute – dass diese Ansprache nicht (analog der Rede des Oberbürgermeisters in der gleichen Veranstaltung durch das Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt) im Wortlaut veröffentlicht wurde.

Die Landrätin nämlich widmete ihre Ansprache der Tätigkeit und der Bedeutung der Ehrenämtler in ihren unendlich vielen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft. Und brachte dabei sehr deutlich zum Ausdruck, dass ohne diese Engagements das kommunale, gesellschaftliche und soziale Leben kaum funktionsfähig wäre. Wobei sie die enorme Wertschöpfung deutlich machte, die durch diese Tätigkeiten entsteht und erbracht wird. Dass sie schließlich auch ihre Genugtuung darüber ausdrückte, dass diese Würdigung der Ehrenämtler nunmehr gemeinsam von Landkreis und Stadt vorgenommen wird, sei in diesem Zusammenhang am Rande bemerkt.

In der eingangs erwähnten Studie also geht es um die Triebfeder für ehrenamtliches Engagement. Und da heißt es, wer sich ehrenamtlich engagiert, möchte mit seiner Arbeit vor allem einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leisten. Und etwas tun, was im Einklang mit seinen eigenen Werten steht. Sich also aktiv engagiert, statt passiv zu bleiben, aber die sozialen Defizite oder Ungerechtigkeiten zu beklagen.

Für das Projekt befragten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum einen über 2000 Versuchspersonen in Deutschland und der Schweiz. Darüber hinaus entstanden an der KU (Katholischen Universität) inzwischen 16 Abschlussarbeiten, in denen jeweils noch einmal mindestens 100 Personen befragt wurden. Bei diesen Arbeiten, die vor allem auf die Beantwortung umfänglicher Fragebogen beruhen, wurden die unterschiedlichsten Felder des freiwilligen Engagements beleuchtet (Politik, Umwelt, Sport, Bildung, Gesellschaft etc.).

Bereits jetzt wird viel Freiwilligenarbeit geleistet: im Bildungsbereich (an Volkshochschulen etwa), im Umweltschutz (in Vereinen), beim Gesundheitsschutz, im caritativen und Pflegebereich, bei der Rechtspflege oder im Sport. Warum aber engagieren sich einige Menschen auf diese Weise, während andere es nicht tun? Welche Unterschiede gibt es dabei, etwa im europäischen Vergleich? Und was kann man aus den Antworten lernen, um Menschen zu motivieren, sich ehrenamtlich zu engagieren, damit die Belastungen durch diese Engagements gerechter und auf mehr Schultern verteilt werden?

Über alle Felder hinweg zeigte sich einheitlich, dass viele Menschen zu einem freiwilligen Engagement bereit sind. Ob sich allerdings jemand tatsächlich engagiert oder nicht, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. „Diese sind in Deutschland und der Schweiz ähnlich und unterscheiden die Engagierten deutlich von den nicht-freiwillig Engagierten: In allen Studien erwies sich das Bestreben wichtig, durch die eigene unbezahlte Arbeit einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit zu leisten und etwas zu tun, was in Einklang mit den eigenen Werten steht.“ Dabei gehe es nicht nur um ein kühles Abwägen verschiedener Gerechtigkeitsargumente, sondern auch um erlebte Gefühle. „An erster Stelle steht dabei das Erleben von Empörung angesichts wahrgenommener Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft“, erklären die Forscher. Darüber hinaus gebe es eine ganze Reihe weiterer Beweggründe, die sehr vielfältig seien: neue Erfahrungen durch das eigene Engagement, Abwechslung, neue Kontakte oder auch Vorteile für die eigene Karriere. Doch diese Beweggründe seien nachgeordnet im Vergleich zum Bestreben, soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen und Gerechtigkeit im jeweiligen Bereich zu fördern. „Nachgeordnet sind dabei auch Unterschiede im deutsch-schweizerischen Ländervergleich und das, obwohl die Demokratieformen und die Verankerung freiwilliger Engagements im (politischen) Alltag zwischen den Ländern deutlich unterschiedlich sind.“
Die Gesellschaft sei zunehmend darauf angewiesen, dass Menschen sich über ihre bezahlte Arbeit hinaus ehrenamtlich engagieren und einen Beitrag zum Funktionieren der Demokratie und des menschlichen Zusammenlebens leisten. „Um Menschen zu gewinnen, sich freiwillig zu engagieren, sollte daher der Blick auf bestehende Ungerechtigkeiten gerichtet und ein Nachdenken darüber gefördert werden, welche Werte im eigenen Leben zählen“, resümieren die Psychologen. Darüber hinaus mache es Sinn, auch die anderen vielfältigen Vorteile zu betonen, die von freiwillig Engagierten als wichtige Beweggründe für ihr Engagement angesehen würden.

(Die Studie wurde erarbeitet vom Lehrstuhl für Sozial- und Organisationspsychologie (Prof. Dr. Elisabeth Kals und Isabel Strubel) an der Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) gemeinsam mit Wissenschaftlern der ETH Zürich (Prof. Dr. Theo Wehner und Dr. Patrick Jiranek). Und zugestellt vom Informationsdienst Wissenschaft idw)

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