Freitag, 8. November 2013

Der fatale „Tebartz-Effekt“

Es ist schon erstaunlich, was alles der Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst an Folgen zeitigt. Die ja offensichtlich bis auf die lokale Ebene durchschlagen. Auf der man sich nun sogar für das Vermögen der Kirchen im Südharz interessiert. Wobei der Bericht, auf den ich dazu in der Internetzeitung stieß, zwar durch die Titelzeile die Vorstellung vermittelt, man würde durch den folgenden Bericht tatsächlich entsprechende Aufschlüsse erhalten – etwa ähnlich dem doch recht aufschlussreichen Bericht über die Prostitution in Nordhausen. (Kleine Nebenbemerkung: Der Hinweis in der Einleitung zu diesen Prostituierten-Artikel auf eine angeblich geänderte (moralische) Einschätzung blanker Busen gegenüber der Zeiten Hildegard Knefs in „Die Sünderin“ erstaunt mich allerdings gerade in dieser Zeitung?!). Jedenfalls scheiterte der Versuch, eine wirkliche Vorstellung über das Vermögen der Kirchen im Südharz zu vermitteln, recht kläglich. In der allgemeinen Diskussion zur Problematik des Vermögens der Kirchen ist oder war es bisher auch nicht üblich, das Vermögen einzelner Kirchen- oder Pfarrgemeinden ergründen zu wollen.
Ohne weiter darauf einzugehen – und ich betone hier erneut, dass es sich bei meinen Einträgen um ganz persönliche Überlegungen, Vorstellungen und Eindrücke handelt - beschäftigen mich mehr die wirklich ernst zu nehmenden Folgen dieses Skandals auf Politik, Kirchen und die Öffentlichkeit. Und ich wundere mich, dass es angesichts dieser Folgen – über die seit Wochen in den Medien berichtet wird – Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst offenbar an jeder Einsicht über das fehlt, was er durch sein Verhalten insgesamt die Kirchen in Deutschland betreffend, ausgelöst hat. Er demgegenüber sogar bestrebt ist, als Bischof wieder nach Limburg zurück zu kehren. Denn unabhängig davon, ob und inwieweit die Berichte in Zeitungen und Fernsehen authentisch oder auf Spektakel angelegt sind, lässt Bischof van Elst damit jede Verantwortung für das vermissen, was er auslöste. Und jedes Gespür für die allgemeine Stimmung gegen ihn.

Und allein die Reaktionen der Mitglieder der Kirchen – es widerstrebt mir in diesem Zusammenhang, von Gläubigen zu schreiben – sind ja gravierend. Das „Handelsblatt“ etwa schreibt, dass die Kirchen in Deutschland zwar seit Jahren unter Mitgliederschwund leiden, sich dieser Trend aber durch die Finanzaffäre um Bischof Tebartz-van Elst deutlich und noch immer verstärkt. Zahlreiche andere Zeitungen sehen das genau so. Und belegen das mit Zahlen. N-tv zum Beispiel teilt mit, dass (Auszug): „. . . im eigentlich erzkatholischen Köln hat sich die Zahl der Kirchenaustritte nach Angaben des Amtsgerichts von September auf Oktober mehr als verdoppelt. 571 Katholiken verließen die Kirche. Der Sprecher des Amtsgerichts, Marcus Strunk, sagte: "Die Leute standen im Oktober morgens und abends Schlange." (Ende des Auszugs.) Auch in Osnabrück und Bremen erhöhte sich die Zahl der Kirchenaustritte im Oktober beträchtlich, ebenso in Bayern. In München gab es im Oktober 1250 Austritte, im Vergleich zu 602 im September. In Regensburg verdreifachte sich die Zahl nahezu. Insgesamt traten hier im vergangenen Monat 147 Menschen aus der Kirche aus, darunter 125 Katholiken. Ähnlich war die Entwicklung in Nürnberg und Passau. Übrigens stieg die Zahl der ausgetretenen evangelischen Kirchenmitglieder in Köln gar um 80 Prozent, nämlich auf 228.
Eine dramatische Entwicklung, wie ich meine, die – wie das „Handelsblatt“ feststellte – den seit Jahren zu beobachtenden Trend jäh verstärkten. Dieser bisherige Trend beschäftigte kürzlich auch die „Westfälische Wilhelms-Universität Münster“. Anlässlich einer Tagung äußerte sich Prof. Dr. Detlef Pollack in diesem Zusammenhang sogar skeptisch zu den Reformbemühungen von Papst Franziskus. Und hält den Mitgliederschwund der Kirchen für nahezu unaufhaltsam. Auch Neuerungen in den evangelischen Landeskirchen würden diesen Trend nicht aufhalten. „Schwerer als der Einfluss aller kirchlichen Bemühungen wiege die Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext der Kirchen“, meint der Professor und veranschaulicht: „Das Wohlstands- und Bildungsniveau ist so hoch und die soziale Absicherung so gut, dass immer weniger Menschen die seelsorglichen und sozialen Angebote der Kirchen nachfragen.“

Die Zahl der Kirchenmitglieder und Kirchgänger in Deutschland ginge bereits seit Jahrzehnten kontinuierlich zurück, wie Prof. Pollack erläuterte. Während es 1949 in Deutschland Ost und West fast nur Protestanten und Katholiken gab, sind heute etwa je ein Drittel der Bevölkerung Katholiken, Protestanten und Religionslose. Zehn Prozent gehören etwa Islam, Judentum und Orthodoxie an. Seit 1990 treten aus der evangelischen Kirche jährlich etwa 0,7 Prozent der Mitglieder aus, aus der katholischen Kirche im Schnitt 0,5 Prozent. Doch schon im Jahr des Missbrauchsskandals 2010 war ein Ausschlag von 0,73 Prozent festzustellen; andere kirchliche Ereignisse wie der Papstwechsel zeigten dagegen kaum Einfluss. „Diese Austrittszahlen summieren sich über die Jahre auf Millionen Menschen.“

Damit soll es hier sein Bewenden haben, ich habe allerdings in Münster nach dem Protokoll der Tagung nachgefragt und komme im Falle positiver Bescheidung darauf zurück.

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