Gütersloh/Berlin, 13. Juni 2016. Mehr als die Hälfte der niedergelassenen Ärzte findet informierte Patienten mindestens problematisch. 45 Prozent der Ärzte stimmen außerdem der Aussage zu, die Selbstinformation der Patienten erzeuge vielfach unangemessene Erwartungen und Ansprüche, die die Arbeit der Ärzte belaste. Dies geht aus einer Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK hervor. Fast ein Drittel (30 Prozent) der Ärzte ist der Ansicht, dass die Selbstinformation die Patienten meist verwirre und das Vertrauen zum Arzt beeinträchtige. Knapp ein Viertel der Ärzte rät Patienten sogar aktiv von der eigenständigen Suche nach Informationen ab.
Patienten recherchieren zunehmend im Internet
Der Trend ist allerdings ein anderer: "Es ist eine unumkehrbare Entwicklung, dass immer mehr Patienten ihre Krankheitssymptome und die dazugehörigen Therapiemöglichkeiten im Internet recherchieren", sagt Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Daher sollten Ärzte die Selbstinformation ihrer Patienten als Chance betrachten und fördern. "Auch was das Thema Gesundheit angeht, sind die Menschen heutzutage viel anspruchsvoller und selbstbewusster. Ein gut informierter Patient, der auf Augenhöhe mit dem Arzt über Krankheit und Behandlungsoptionen diskutiert, sollte das Ziel aller an der Versorgung Beteiligten sein", so Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK.
Ärzte wenig selbstkritisch
Fast alle niedergelassenen Ärzte (98 Prozent) geben der Umfrage zufolge an, dass sich der Trend zur Selbstrecherche medizinischer Fragen in den vergangenen fünf Jahren verstärkt hat. Das wachsende Interesse von Laien an gesundheitsbezogenen Themen ist in der Ärzteschaft jedoch umstritten. Gut 40 Prozent der Ärzte freuen sich über das Interesse der Patienten. Knapp zehn Prozent ärgern sich allerdings, dass der Patient sich mit seiner Frage nicht zuerst an sie gewandt hat. Die Frage, ob es auch an ihnen selbst liegen könne, dass Patienten sich auf eigene Faust informieren und nicht direkt auf sie zukommen, stellen sich lediglich elf Prozent der Ärzte. Nur etwa zehn Prozent von ihnen fragen sich, ob der Patient sich zuvor mehr Beratung gewünscht hätte.
Ärzte kennen seriöse Informationen im Internet nicht
Nur etwas mehr als die Hälfte der Ärzte (56 Prozent) hat nach eigenen Angaben vertrauenswürdige Informationsmaterialien in ihrer Praxis ausliegen und gibt diese ihren Patienten mit. Knapp 50 Prozent weisen ihre Patienten auf gute Informationsquellen hin und ebenfalls knapp 50 Prozent der Ärzte suchen selbst nach geeigneten Informationen für ihre Patienten. Nur 15 Prozent der Ärzte kennen sich nach eigenen Angaben eher nicht so gut oder überhaupt nicht gut mit den für Patienten verfügbaren Informationsangeboten aus. Trotzdem kennen gerade einmal 21 Prozent der Ärzte die Internetseite patienten-information.de des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ), das immerhin das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung ist. Nur ein Drittel dieser Ärzte hält die Patienteninformationen dieser Internetseite für vertrauenswürdig, während das Vertrauen in Wikipedia mehr als doppelt so groß ist.
Zusatzinformationen
Die Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK wurde im November und Dezember 2015 durchgeführt. Befragt wurden ambulant tätige niedergelassene Ärzte aus den Fachbereichen Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Anästhesie, Allgemeinchirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie und Orthopädie, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Urologie, Augenheilkunde und HNO. Für die Datenanalyse liegen 804 Online-Fragebögen von Ärztinnen und Ärzten vor. Die Autorin der Studie ist Anja Bittner (Ärztin und Mitbegründerin der mehrfach ausgezeichneten Internetseite washabich.de)
Jochen Lange Pressestelle, Bertelsmann Stiftung
Mitteilung des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 13.06.2016
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