Donnerstag, 23. Juni 2016

Fußball-Europameisterschaft light

Die Vorrunde der Europameisterschaft in Frankreich liegt schon mal hinter Akteuren, Zuschauern und sonst allen am Ereignis Interessierten. Es wird – dessen ungeachtet – weiter spekuliert, moderiert, analysiert, kritisiert, aber doch auch gelegentlich jubiliert. Und während die Moderatoren im heutigen Morgenmagazin ob der zweitägigen Pause schon beginnende Entzugserscheinungen bei den Fans ausgemacht haben wollen, überlege ich als weniger Ambitionierter, was das ganze Geschehen noch mit „der schönsten Nebensache der Welt“ zu tun hat?

Ich denke da etwa an den Modus dieser Europameisterschaft, zu dem in „Spiegel-online“ am 22.06. ein Kommentar zu lesen war, ich denke an die Moderation einzelner Spiele durch die Moderatorin Claudia Neumann, ganz abgesehen von den gewalttätigen Vorgängen innerhalb und mehr noch außerhalb der Stadien, um nur einige Beispiele zu nennen. Und wenn ich in der Presse lese, was und wer sich bei Facebook zu den Vorgängen äußert (vor allem anonym natürlich , überlege ich schon, welchen Stellenwert Fußball in der und für die Gesellschaft hat!?

Mir hat ja zunächst Claudia Neumann, die Sportreporterin, nach dem ersten, von ihr moderierten Spiel leid getan angesichts des Shitstorms, der sich angeblich während, und mehr noch nach dem Spiel gegen sie auf Facebook erhob (die Medien berichteten ja umfänglich). Bis zu dem Zeitpunkt leid getan, zu dem das ganze zu einen gesellschaftskritischen, ja frauenfeindlichen Tort gemacht wurde. Wie sollte das gerade anlässlich dieser Fußball-Europameisterschaft getan worden sein, wenn die Moderatorin Neumann seit mehr als zwanzig Jahren über Fußball berichtet (laut SZ-online vom 19.06.) ohne dass bis dahin gegen sie als Frau opponiert wurde? Jedenfalls las ich nie etwas davon. Ich habe dieses Spiel gesehen und die eher erzählende Moderation der Claudia Neumann gehört, die ich emotionslos fand, wie man das sonst von Reportern gewöhnt ist. Ein Begriff allerdings fiel mir auf, den sie verwendete: „grenzwertig“ für Zweikämpfe auf dem Spielfeld, mit dem offenbar gemeint war, dass sie sich am Rande der Fairneß abspielten. (Ein Kollege von ihr übernahm den Begriff bei späteren Spielen.)

Die Journalistin war jedenfalls die erste Frau, die am 11. Juni im deutschen Fernsehen mit Wales gegen Slowakei ein Spiel einer Männer-EM kommentiert hat. Die Partie Italien gegen Schweden am Freitag in Toulouse war ihr zweiter Einsatz in Frankreich. Neumann hatte bereits vor dem Turnier gesagt: „Wenn jemand per se die Frauenstimme bei Fußball-Kommentaren ablehnt, ist eine neutrale Beurteilung kaum möglich.“ Und offenbar wurde und wird eine solche Stimme abgelehnt, was allerdings noch nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun hat, wie ich meine. (Ich kann mir ja auch schlecht eine Kommentatorin bei einer Box-Europa – oder gar Weltmeisterschaft pameisterschaft ohne im geringsten frauenfeindlich zu sein.)

Dass nun der Deutsche Journalistenverband (DJV)mit dem Agieren des ZDF in der Causa Neumann nicht zufrieden ist – der die Kritiken als „asozial“ bezeichnet hatte - und in einem offenen Brief die strafrechtliche Verfolgung von Nutzern fordert, die die EM-Kommentatorin Claudia Neumann angefeindet haben, lässt meines Erachtens den Fanatismus erkennen, mit dem die Kritiker dem Fußball huldigen. Vielleicht auch deren Mentalität und Charakter. Angesichts derer mehr Gelassenheit zu empfehlen, wäre sicher ganz unsinnig.

Angesichts dieser ganzen Problematik aber drängt sich mir eine Überlegung auf, die in eine ganz andere Richtung geht: Journalisten und Moderatoren sind längst zu einer eigenen Spezies geworden, die sich in Selbstgefälligkeit und -zufriedenheit gefällt, Die Auffassungen und Meinungen der Gesellschaft – die im geringen Ansehen ihren Niederschlag findet, den die Medien und ihre Macher in der Öffentlichkeit genießen – scheint sie wenig zu interessieren. Ob und welchen Einfluss dabei Facebook hat, weiß ich nicht, ich gehöre nicht zu dessen Nutzern. Und wundere mich lediglich, dass in nahezu allen Zeitungen unablässig zur Beteiligung bei Facebook angeregt wird.

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