Viel Zeit hatten hatte man am Sonntag
als Fahrgast des Kleinbusses von Nordhausen zu den Schlossfestspielen
in Sondershausen, um sich auf das Musical „Anatevka“
vorzubereiten. Selbst nach der Ankunft am Schloss blieb noch eine
gute Stunde Zeit, sich umzusehen,
einzustimmen oder auch zu
verköstigen. Es sind nun die letzten Schlossfestspiele, die unter
der Intendanz Lars Tietjes und einer ganzen Anzahl seiner
unmittelbaren MitarbeiterInnen stattfinden. Ich trauere ihnen nach,
allein schon angesichts der Verdienste, die sie sich um das Theater
Nordhausen, und damit auch um die Schlossfestspiele in Sondershausen
während der Jahre ihres Wirkens erwarben.
War dies zunächst Thema während der
Fahrt nach Sondershausen, richtete sich Erwartung
und beginnende
Spannung dann doch zunehmend auf „Anatevka“, von dem es in der
Vorschau des Theaters hieß, dass der
deutsche Name des Musicals auf den Schauplatz der Handlung verweist,
während sich der Originaltitel „Fiddler On The Roof“ auf
ein Gemälde Marc Chagalls bezieht . Der Geiger auf dem Dach soll
eine Metapher für den Überlebenswillen unter widrigsten Umständen
darstellen. Das Musical in seiner Mischung aus Humor und Tragik,
Hoffnung und Abschied und mit seiner zu Herzen gehenden Musik berührt
außerordentlich, die gleichermaßen von Klezmer, russischer Folklore und auch Broadwayklängen inspiriert ist. Ausgesprochen vielversprechend also, ist damit damit doch in diesem Sommer ein weltberühmtes Musical auf die Bühne im Schlosshof Sondershausen gekommen. Deren Produktion der Uraufführung am New Yorker Broadway im Jahr 1964 damals schon für längere Zeit alle Rekorde brach. Die Spannung, mit der man den Schlosshof betrat, war also vorprogrammiert. Wenn auch das spartanische Bühnenbild, das sich mir zunächst bot, und für das Wolfgang Kurima Rauschning verantwortlich ist, zunächst eher ernüchternd wirkte.
Dieser
erste Eindruck erhielt dann freilich mit Beginn der Handlung und dem
Auftreten des Milchhändlers Tevje (Thomas Bayer) Sinn, Bedeutung und
Leben. Der mit Golde, seiner Frau ( Anja Daniela Wagner) und seinen
Töchtern in einem russischen Dorf namens Anatevka lebt und sich als
tiefgläubiger Jude zu erkennen gibt, zunächst und fest der
Tradition von Heimat und Glauben verhaftet. Die Zeiten sind zwar
unsicher, aber noch scheint die Welt in Ordnung zu sein. Alles ist
so, wie es bisher immer war. Keiner ist reich, viele Wünsche sind
offen, der Sabbat ist heilig und die Traditionen lebendig. So lebt
auch Tevje der Milchmann, der seinen Karren selber ziehen muss, weil
sein Pferd ein Hufeisen verloren hat. Die Tradition aber ist auf
Dauer und durch Zutun seiner fünf Töchter nicht aufrecht zu
erhalten. In seine traditionellen Überlegungen schleichen sich
zunehmend Zweifel ein, die jeweils in ein geäußertes „andererseits“
münden. Und die traditionellen Überlegungen zunehmend – oft nur widerstrebend - ablösen. So entwickelt sich eine äußerst spannende Mischung aus Tradition und Neubeginn, Existenzkampf und Lebenslust, jiddischem Humor und anrührender Tragik. Bayer spielt absolut überzeugend und beeindruckt durch seine Selbstzweifel, dessen Zwiegespräch mit Gott „Wenn ich einmal reich wär...“ zu Szenenapplaus der Zuhörer führte. Und auf die Mahnung, den Mammon zu meiden, denn er sei der Fluch der Welt, betet der Milchmann mit weit ausgebreiteten Armen und nach oben gewandtem Blick: "So schlage mich mit deinem Fluch, o Herr, und laß mich nie davon genesen."
münden. Und die traditionellen Überlegungen zunehmend – oft nur widerstrebend - ablösen. So entwickelt sich eine äußerst spannende Mischung aus Tradition und Neubeginn, Existenzkampf und Lebenslust, jiddischem Humor und anrührender Tragik. Bayer spielt absolut überzeugend und beeindruckt durch seine Selbstzweifel, dessen Zwiegespräch mit Gott „Wenn ich einmal reich wär...“ zu Szenenapplaus der Zuhörer führte. Und auf die Mahnung, den Mammon zu meiden, denn er sei der Fluch der Welt, betet der Milchmann mit weit ausgebreiteten Armen und nach oben gewandtem Blick: "So schlage mich mit deinem Fluch, o Herr, und laß mich nie davon genesen."
Dazu
kann man, wenn man aufgeschlossen genug ist, viele poetische, ja fast
zärtliche Szenen genießen. Das Duett Tevje – Golde ("Ist es
Liebe?") etwa berührt in seiner fragenden Schlichtheit
besonders.
Nun
ist Tevje der Tradition zunächst doch noch insoweit verbunden, als
er Jente, eine Heiratsvermittlerin (Brigitte Roth) mit der Suche nach
geeigneten Ehemännern für seine Töchter beauftragt. Die aber von
Traditionen so gar nichts halten und ihre
Entscheidungen selbst schon getroffen haben: während Vater Tevje für Zeitel, der Ältesten( Natalia Voskoboynikov), dem Werben des Fleischers Lazar Wolf (Matthias Mitteldorf) bei einer Flasche Wodka nachgibt, hat die sich bereits mit dem Schneider Mottel Kamzoil (Leo Mastjugin)liiert. Und Hodel (Rebekka Reister) ist dem Studenten Perschik (Philipp Lang) zugeneigt. Und wieder gerät Tevje in Gewissensnöte: Soll er auf bewährten Traditionen beharren, oder dem Willen seiner Töchter nachgeben? Schließlich stimmt er dem Drängen beider Töchter zu, während er der Wahl der dritten Tochter Chava (Katrin Filip) die Zustimmung verweigert: die nämlich ist dem Christen Fedja (David Roßteutscher) zugetan. Das geht ihm dann doch zu weit und er verstößt sie. Während Vater Tevje noch mit sich und der Welt hadert und die zwischenmenschlichen Beziehungen der Töchter tranparenter werden, vollzieht sich das Schicksal der gesamten jiddischen Gemeinde: Es erscheint mit dem Wachtmeister (Thomas Kohl) die etwas farblos wirkende Staatsmacht und kündigt eine kleine Demonstration an. Die schließlich zum Pogrom mutiert. Und am Ende werden die Juden aus Anatevka vertrieben und ziehen einer Zukunft ins Ungewisse entgegen. Und das nach anfänglichen Zögern mit jiddischer Gelassenheit
Entscheidungen selbst schon getroffen haben: während Vater Tevje für Zeitel, der Ältesten( Natalia Voskoboynikov), dem Werben des Fleischers Lazar Wolf (Matthias Mitteldorf) bei einer Flasche Wodka nachgibt, hat die sich bereits mit dem Schneider Mottel Kamzoil (Leo Mastjugin)liiert. Und Hodel (Rebekka Reister) ist dem Studenten Perschik (Philipp Lang) zugeneigt. Und wieder gerät Tevje in Gewissensnöte: Soll er auf bewährten Traditionen beharren, oder dem Willen seiner Töchter nachgeben? Schließlich stimmt er dem Drängen beider Töchter zu, während er der Wahl der dritten Tochter Chava (Katrin Filip) die Zustimmung verweigert: die nämlich ist dem Christen Fedja (David Roßteutscher) zugetan. Das geht ihm dann doch zu weit und er verstößt sie. Während Vater Tevje noch mit sich und der Welt hadert und die zwischenmenschlichen Beziehungen der Töchter tranparenter werden, vollzieht sich das Schicksal der gesamten jiddischen Gemeinde: Es erscheint mit dem Wachtmeister (Thomas Kohl) die etwas farblos wirkende Staatsmacht und kündigt eine kleine Demonstration an. Die schließlich zum Pogrom mutiert. Und am Ende werden die Juden aus Anatevka vertrieben und ziehen einer Zukunft ins Ungewisse entgegen. Und das nach anfänglichen Zögern mit jiddischer Gelassenheit
Es ist – wie ich meine – eine ebenso eindrucksvolle, wie begeisternde Aufführung an der alle Akteure Anteil haben, die sich denn dann auch für den langanhaltenden Applaus des Publikums angemessen bedankten. Für die Busreisenden blieb danach nur noch, ihre Plätze wieder einzunehmen und diesmal ohne Verzug die Rückfahrt anzutreten. Dem Chauffeur sei für die sichere Hin-und Rückreise gedankt.
Inspiriert
war dieses Musical übrigens von Geschichten des jiddischen
Schriftstellers Scholem Alejchem, der 1906 nach New York kam, weil er
hoffte, dort für das jiddische Theater zu schreiben. Mit der kleinen
Verspätung von 58 Jahren wurde ihm dieser Wunsch postum im September
1964 erfüllt.
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