„Der Blick in die Vergangenheit soll eine Zukunft des Miteinanders
eröffnen“
Kardinal Marx zur Resolution des Deutschen Bundestages zum Völkermord
an den Armeniern
Der
Deutsche Bundestag hat am heutigen Tag eine Resolution beschlossen, die
sich mit den während des Ersten Weltkrieges an Armeniern, Aramäern,
Assyrern und Pontos-Griechen
begangenen Verbrechen auseinandersetzt. Dazu erklärt der Vorsitzende
der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx:
„Es
ist wichtig und verdienstvoll, dass sich der Deutsche Bundestag in
seiner Resolution mit den furchtbaren Ereignissen befasst, denen in der
Zeit der jungtürkischen
Regierung des Osmanischen Reiches Hunderttausende Menschen zum Opfer
gefallen sind. Besonders umstritten war und ist dabei die Qualifizierung
der an den Armeniern und anderen Gruppen begangenen Verbrechen als
‚Völkermord‘. Für die Nachfahren der Opfer ist
die Verwendung dieses Begriffs verständlicherweise ein großes Anliegen.
Tatsächlich gebietet es die Redlichkeit, keinen Zweifel daran zu
lassen, dass es sich bei dem ‚großen Verbrechen‘ (wie die Armenier
sagen) nicht um kriegsbedingte Exzesse handelte, sondern
um eine systematische Vernichtungsaktion, um einen Genozid.
Angesichts
ihrer Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eignen sich
die Deutschen am allerwenigsten als Lehrmeister anderer Völker. Wenn der
Bundestag
sich heute mit dem Unrecht befasst hat, das den Armeniern angetan
wurde, so geschieht dies daher vor allem auch deshalb, weil das Deutsche
Reich als Verbündeter der Osmanen im Weltkrieg genaue Kenntnisse von
den damaligen Ereignissen hatte und dennoch nichts
tat, um effektiv Einfluss auf die Regierung in Konstantinopel zu
nehmen. Diese kalte Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der
Armenier gibt uns Deutschen auch heute noch Anlass zur Scham.
Der
Blick in die Vergangenheit darf niemals dazu dienen, alte Rechnungen zu
begleichen und andere Völker anzuklagen. Vielmehr soll er – über die
Gräben der Schuld hinweg
– eine Zukunft des Miteinanders eröffnen. Es kommt deshalb jetzt darauf
an, Dialog, Zusammenarbeit und Versöhnung zwischen der Türkei und
Armenien zu fördern. Wenn Deutschland dazu einen Beitrag leisten kann,
sollte unser Land, in Freundschaft mit beiden Völkern,
zur Stelle sein.“
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