Mittwoch, 11. Dezember 2013

Journalismus im Wandel?

N24 stellte neulich in einem Beitrag fest: „Marietta Slomkas Interview mit Sigmar Gabriel bleibt unvergessen.“ Es sollte deshalb nicht wundern, wenn auch ich es noch nicht vergessen habe. Obwohl ich es nur aus den Medienberichten kenne. Und da ist es mir eine gewisse Genugtuung, im „Kölner Stadtanzeiger“ ein Interview gefunden zu haben, in dem sich der Medientheoretiker Steffen Burkhardt über den Interviewstil der ZDF-Moderatorin „während des Eklats mit dem SPD-Chef...“äußert. Dem es nach seiner Meinung an Professionalität gemangelt habe. Burkhardt: „Frau Slomka hat den Zusammenhang zwischen SPD-Mitgliederbefragung, Koalitionsvertrag und Abgeordnetenvotum im Bundestag nicht plausibel erklären können. Herr Gabriel hat erläutert, dass es kein verfassungsmäßiges Problem darstellt, wenn er die Basis befragt. Marietta Slomka ist da nicht richtig drauf eingegangen. Sie hat ihre Fragen wiederholt und wurde wütender.“ (Ende des Auszugs). Und hier muss ja auch ich einräumen, dass ich in meinem Eintrag am 03.12. („Journalisten erfüllen Erwartungen nicht“) „nicht plausibel“ wiedergegeben habe, dass sich ja die Frage der Verfassungsmäßigkeit einzig auf die Mitgliederbefragung richtete, und nicht auf den Inhalt des Koalitionsvertrages. Ein solches Missverständnis entsteht also, wenn man sich zu unkritisch gegenüber Medienberichten verhält.

Hier ist aber auch noch die Antwort auf die Frage des Interviewers interessant: Hartnäckiges Nachfragen ist doch eine der Kernaufgaben eines Journalisten. Wieso richtet sich die Kritik hauptsächlich gegen Marietta Slomkas Art? Burkhardt: „Die Art und Weise, wie Frau Slomka das Interview geführt hat, hatte wenig Informationsgehalt. Das emotionale Nachbohren war unprofessionell. Man sollte den Zuschauer auch nicht unterschätzen, der hat ein viel größeres journalistisches Verständnis, als man annimmt. Insofern kann ich die Kritik an ihr durchaus nachvollziehen.“
Damit soll es dann wohl sein Bewenden haben. Und ich sehe mich wieder mit meiner Auffassung zu diesem Interview bestätigt. Dass Burkhardt der Meinung ist, dass der Zuschauer ein viel größeres journalistisches Verständnis hat als man annimmt, besagt immerhin, dass man den Zuschauer ernst nehmen sollte. Und von ihm eben Professionalität erwartet. Wenn das auch oft genug in den anonymen Kommentaren der Zuschauer oder Leser nicht wirklich zum Ausdruck kommt.
Mir fällt in diesem Zusammenhang ein, was zum Beispiel Sonja Seymour, Leiterin des ARD-Politmagazins „Monitor“ unlängst zur Frage äußerte, ob professioneller Journalismus noch gebraucht würde: „Seien wir doch ehrlich. Journalisten stehen nicht mehr obenauf der Hit-Liste geschätzter und vorbildhafter Zeitgenossen. Außerhalb des Medien-Biotops, nämlich in der Wirklichkeit, ist der Blick auf unseren Berufsstand eher unfreundlich und es wird nicht feinfühlig unterschieden zwischen den Genres. Wir alle sind „die Medien“. Betrüblich aber wahr: Die Mitmenschen unterstellen, wir seien allesamt nur noch getrieben von guten Quoten, Auflagen, Klickzahlen. Dass wir Fehler schönreden, gern hart austeilen, aber ein gläsernes Kinn haben, wenn es um Kritik an uns selbst geht. Dass wir Weltmeister im Ätzen und Besserwissen sind. Ob Print, Radio, Fernsehen oder Online: Viele Nutzer bekriteln – nicht grundlos – den Mangel an Tiefgang, an Persönlichkeiten, an Meinungsfreude. Sie erleben interlektuelles Versagen beim Deuten großer Zusammenhänge und geringe Lust am Einmischen. Und merken an, dass Feuerwehrleute, Lehrer, Briefträger oder Ärzte höhere Vertrauenwerte vorweisen können als „die“ Journalisten. Nebenbei: Jeder telegene Kleiderständer, jedes Model darf sich inzwischen Moderatorin nennen, jeder Handyschwenker Reporter. Das kann nicht gut sein für die Branche.“

Dem kann, nein, dem muss man einfach zustimmen. Wenn ich dann aber erlebe – um den letzten Satz dieser Selbsteinschätzung aufzugreifen - dass in einer Internet-Zeitung neben dem Herausgeber fast ausschließlich Handyschwenker als Reporter fungieren – aus welchen Gründen auch immer – kann das wirklich weder inhaltlich, noch insgesamt für die Zukunft der gesamten Journalisten-Branche gut sein. Und hier vermisse ich allerdings den Anspruch des Internet-Nutzers, der sich damit zufrieden gibt. Während ich mich frage, warum ich mich nicht damit abfinden kann, dass die Zeit des professionellen Journalisten damit zunehmend der Vergangenheit zugehört? Stattdessen nehme ich neuerdings zu meinen MVZ-Terminen das Buch Das verkannte Ressort“ zur Hand, in dem sich der Journalistik-Professor Horst Pöttker (TU Dortmund) und die freie Journalistin Anke Vehmeier mit Lokaljournalismus befassen. Auch um den würde es nicht gut stehen. Weil auch da die Ressourcen für „glaubwürdigen, um Unabhängigkeit bemühten sorgfältig recherchierten und gut verständlichen Lokaljournalismus“ merkbar knapper werden. Wohin also führt diese Entwicklung?

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