Sonntag, 1. Dezember 2013

Ein Interview, das die Gemüter erregte

Es soll heute um 12 Uhr auf RTL noch einmal gesendet werden: Das Interview der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka mit Sigmar Gabriel, dem Vorsitzenden der SPD und Verhandlungsführer bei den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl im September. Über dessen Ergebnis die SPD-Mitglieder derzeit zur Abstimmung aufgerufen sind.

Ich habe dieses Interview (noch) nicht gesehen und müsste deshalb eigentlich abwarten, wie es auf mich wirkt, wenn ich es mir heute Mittag ansehe. Wenn sich da nicht durch die zahlreichen Berichte und Kommentare in den Medien grundlegende Überlegungen zum Verhältnis von Journalisten und deren Interviewpartnern – hier also einem Politiker – ergeben und sich mir einmal mehr aufdrängen würden. Die eigentlich durch dieses Interview „lediglich“ bestätigt werden.

Zunächst ergibt sich aus dem Echo, das dieses Interview in den Medien auslöste, dass der Interviewte schlechte Karten hat, wenn es danach zu Diskussionen kommt: er bekommt dann in der Regel das ganze Gewicht der schreibenden Zunft zu spüren – was ja nicht einmal unbedingt immer zu seinen Lasten geht – und er hat es gfls. mit der Solidarität der Mehrheit eines ganzen Berufsstandes zu tun, nämlich der der Journalisten. Und da hat ein Einzelner natürlich keine Chance wenn er sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, sich „ungebührlich“ - etwa aufmüpfig oder widerborstig - dem Interviewer gegenüber verhalten zu haben. Als markantes Beispiel gilt ja wohl noch immer das Interview des Sportreporters Waldemar Hartmann in 2003 mit Rudi Völler – damals Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft. Weil es eben selten genug vorkommt, dass sich der Interviewte aus der Rolle des Befragten (Verhörten) in die eines Partners „auf Augenhöhe“ begibt. Wenn nämlich der ausgeübte Fragedruck des Interviewers zu groß oder gar penetrant wird. Oder wirkt. Und Maritta Slomka wird ja bescheinigt, dass sie stets „hart zur Sache“ geht. In einem Bericht zu diesem Interview im “heute journal”hieß es immerhin, dass es hohe Wellen schlug. Weil es so ganz anders war, als das sonst übliche Phrasen-Geplänkel zwischen Journalisten und Politikern. Also wirklich mal ein „echtes“? Ich bin neugierig.


Nun äußerten sich zu diesem Disput u.a. zwei Autoren in der „Süddeutschen Zeitung“ (Nakissa Salavati und Michael König), bei dem eine andere Eigenheit journalistischer Übung offensichtlich wird: je nach Argumentationsbedarf interpretiert man die Aussagen eines Interviewten – hier also Sigmar Gabriels - nach dem eigentlichen und gewollten Sinn einer Aussage. Mitunter aber wird man sophistisch und bemüht dann schon mal das „altehrwürdige Deutsche Wörterbuch der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm“. Um etwa den Begriff „Quatsch“ exakt zu definieren. Es bedeute eine "breiartige quatschende masse, straszenkoth u. dgl.". Gabriel wirft diese Masse angeblich der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka entgegen, als die zu bedenken gibt, vergleichsweise wenige SPD-Mitglieder entschieden über eine Koalition für ganz Deutschland. Und weil Gabriel in einer bestimmten anderen Passage Slomkas von „Blödsinn“ sprach, wissen die Autoren, dass das ein „elitäres“ Wort sei, ein kumpelhaftes, volksnahes. Und darum wäre es dem SPD-Chef gegangen: volksnah zu sein. Obwohl im Duden nur von sinnlosen, törichten Reden oder Handeln die Rede ist, nicht aber von volksnah oder kumpelhaft. Ob nun sinngemäß oder wortklauberisch, einem Interviewten könnte man nur raten, auf der Hut zu sein. Er wird im Falle eines Falles in der journalistischen Nachbetrachtung kaum je eine reelle Chance haben. Im Falle dieses Interviews ist es ja schon ungewöhnlich und beachtlich, dass sich Politiker aus der SPD und anderer Parteien gegen die Art der „Befragung“ verwahrten. Nützen wird es ihnen nichts. Und nun bin ich neugierig, welchen Eindruck dieses Interview auf mich machen wird.  

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