Der
SPD-Mitgliederentscheid über eine große Koalition mit der Union
kommt in die entscheidende Phase. Nachdem das
Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, dass das Vorhaben nicht
gegen die Verfassung verstößt und inzwischen schon mehr als 200 000
Mitglieder ihre Stimmen abgaben, darf man auf das Ergebnis immerhin
gespannt sein, das ja wohl nur mehr statistische Bedeutung hat.
Damit gewinnt aber auch
das Interview zwischen Marietta Slomka und dem Vorsitzenden der
Bundes-SPD, Sigmar Gabriel, noch einmal aktuelle Bedeutung. In einer
Mitteilung bei Meedia wird berichtet, dass bei wiwo.de die
Kolumnistin Bettina Röhl „mit noch ordentlich Schaum vor dem Mund“
geschrieben hätte, dass die Fragen Marietta Slomkas ein
“Paradebeispiel
für den Missbrauch öffentlich-rechtlicher Medienmacht”
gewesen sei. Und das Interview in seiner Qualität als
„Krawall“-Interview bezeichnet. Dass Sigmar Gabriel dabei auch
noch als Obermufti bezeichnet wird, lässt erkennen, dass der Bericht
tendenziös ist. Und bestätigt einmal mehr, dass eine Einzelperson
als Gesprächspartner eines Journalisten zumindest dann keine Chance
hat, wenn sich die Medienleute zusammenfinden und gegen diese
Einzelperson Front machen. Das letzte Wort haben sie zumindest immer.
Nachdem nun dieses
Interview in und von den Medien entsprechend interpretiert,
analysiert und bewertet wurde und der Chef der SPD dabei natürlich
schlecht wegkam, wundert es mich, dass es jetzt bei Meedia als
„Krawall“-Interview bezeichnet wird. Was ja wohl den Schluss
zulässt, dass beide Gesprächspartner Krawall machten.(In der
„Süddeutschen Zeitung“ wurde es am 29.11. noch als „drolliges
Schauspiel“ bezeichnet.) Von einer erfahrenen Journalistin hätte
ich immerhin erwartet, dass sie die Fassung behält und den
Gesprächspartner zur Ruhe mahnt. Stattdessen las ich ebenso bei
Meedia am Dienstag u.a.: „Doch womit beschwor sie (Slomka)
eigentlich den Unmut des SPD-Politikers herauf? Eigentlich wies sie
lediglich auf die Binsenweisheit hin, dass auch in Deutschland die
meiste Macht nicht vom Volk, sondern von einer Handvoll
Parteifunktionäre ausgeht. Normalerweise ist es üblich, dass solche
Entscheidungen in stickigen Hinterzimmern und nicht von regulären
Parteimitgliedern gefällt werden. Wahrscheinlich hatte sich Herr
Gabriel ausgemalt, er würde bei so viel Basisdemokratie Lob und
Beifall ernten. Stattdessen musste er sich von der aufmüpfigen
Journalistin bohrende Fragen gefallen lassen.“(Ende des Auszugs).
Besänftigend wirkte Slomka also keinesfalls. Und was den Umstand
betrifft, dass in Deutschland die meiste Macht nicht vom Volk
ausgeht, dürften die Medien doch gerade in der Reaktion dieses
Volkes bei Twitter und Facebook auf dieses Interview erfahren haben,
wie eine solche Macht beschaffen sein würde!?
Nun also steht mit der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes fest, dass die
„aufmüpfigen“ Fragen der Interviewerin lediglich provozierend
waren. Und plötzlich heißt es (z.B. ebenso bei Meedia), Marietta
Slomka hätte den SPD-Chef Gabriel lediglich mit einer Aussage des
Staatsrechtlers Degenhart konfrontiert, die dieser im Handelsblatt
getätigt hatte. Nirgendwo war das bisher zu lesen. Und sogar ich
hatte mich ja in meiner „ganz unbeachtlichen“ Überlegung in
meinem Eintrag am Dienstag nach einer sachbezogenen
Verlautbarung der Universität Hohenheim gefragt, wonach der
Koalitionsvertrag unverständlicher als Doktorarbeiten sei, ob ihn
wenigstens Marietta Slomka so gut kennt, um aus eigenem Verständnis
qualifiziert verfassungsrechtliche Bedenken äußern zu können? Oder
sich nur der Meinung anderer bediente? Wollte ich jetzt populistisch
spekulieren, würde ich überlegen, ob der plötzliche Hinweis auf
den Staatsrechtler Degenhart auch erfolgt wäre, wenn das
Verfassungsgericht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre?
Wie
dem auch sei, die Kolumnistin Bettina Röhl liegt auch ohne
„ordentlich Schaum vor dem Mund“ nicht so verkehrt, wenn sie die
Fragen Marietta Slomkas als “Paradebeispiel
für den Missbrauch öffentlich-rechtlicher Medienmacht”
bezeichnete. Jedenfalls aber wird meines Erachtens einmal mehr das
Urteil der Leiterin der Akademie für Publizistik, Annette
Hillebrandt, bestätigt, wonach Journalisten in sie gesetzte
Erwartungen nicht erfüllen. Und appelliert: „Wir müssen die
Qualität unserer Arbeit verbessern“.
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