Samstag, 7. Dezember 2013

Clever oder eher verschlagen?

Der SPD-Mitgliederentscheid über eine große Koalition mit der Union kommt in die entscheidende Phase. Nachdem das Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, dass das Vorhaben nicht gegen die Verfassung verstößt und inzwischen schon mehr als 200 000 Mitglieder ihre Stimmen abgaben, darf man auf das Ergebnis immerhin gespannt sein, das ja wohl nur mehr statistische Bedeutung hat.

Damit gewinnt aber auch das Interview zwischen Marietta Slomka und dem Vorsitzenden der Bundes-SPD, Sigmar Gabriel, noch einmal aktuelle Bedeutung. In einer Mitteilung bei Meedia wird berichtet, dass bei wiwo.de die Kolumnistin Bettina Röhl „mit noch ordentlich Schaum vor dem Mund“ geschrieben hätte, dass die Fragen Marietta Slomkas ein “Paradebeispiel für den Missbrauch öffentlich-rechtlicher Medienmacht” gewesen sei. Und das Interview in seiner Qualität als „Krawall“-Interview bezeichnet. Dass Sigmar Gabriel dabei auch noch als Obermufti bezeichnet wird, lässt erkennen, dass der Bericht tendenziös ist. Und bestätigt einmal mehr, dass eine Einzelperson als Gesprächspartner eines Journalisten zumindest dann keine Chance hat, wenn sich die Medienleute zusammenfinden und gegen diese Einzelperson Front machen. Das letzte Wort haben sie zumindest immer.

Nachdem nun dieses Interview in und von den Medien entsprechend interpretiert, analysiert und bewertet wurde und der Chef der SPD dabei natürlich schlecht wegkam, wundert es mich, dass es jetzt bei Meedia als „Krawall“-Interview bezeichnet wird. Was ja wohl den Schluss zulässt, dass beide Gesprächspartner Krawall machten.(In der „Süddeutschen Zeitung“ wurde es am 29.11. noch als „drolliges Schauspiel“ bezeichnet.) Von einer erfahrenen Journalistin hätte ich immerhin erwartet, dass sie die Fassung behält und den Gesprächspartner zur Ruhe mahnt. Stattdessen las ich ebenso bei Meedia am Dienstag u.a.: „Doch womit beschwor sie (Slomka) eigentlich den Unmut des SPD-Politikers herauf? Eigentlich wies sie lediglich auf die Binsenweisheit hin, dass auch in Deutschland die meiste Macht nicht vom Volk, sondern von einer Handvoll Parteifunktionäre ausgeht. Normalerweise ist es üblich, dass solche Entscheidungen in stickigen Hinterzimmern und nicht von regulären Parteimitgliedern gefällt werden. Wahrscheinlich hatte sich Herr Gabriel ausgemalt, er würde bei so viel Basisdemokratie Lob und Beifall ernten. Stattdessen musste er sich von der aufmüpfigen Journalistin bohrende Fragen gefallen lassen.“(Ende des Auszugs). Besänftigend wirkte Slomka also keinesfalls. Und was den Umstand betrifft, dass in Deutschland die meiste Macht nicht vom Volk ausgeht, dürften die Medien doch gerade in der Reaktion dieses Volkes bei Twitter und Facebook auf dieses Interview erfahren haben, wie eine solche Macht beschaffen sein würde!?

Nun also steht mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes fest, dass die „aufmüpfigen“ Fragen der Interviewerin lediglich provozierend waren. Und plötzlich heißt es (z.B. ebenso bei Meedia), Marietta Slomka hätte den SPD-Chef Gabriel lediglich mit einer Aussage des Staatsrechtlers Degenhart konfrontiert, die dieser im Handelsblatt getätigt hatte. Nirgendwo war das bisher zu lesen. Und sogar ich hatte mich ja in meiner „ganz unbeachtlichen“ Überlegung in meinem Eintrag am Dienstag nach einer sachbezogenen Verlautbarung der Universität Hohenheim gefragt, wonach der Koalitionsvertrag unverständlicher als Doktorarbeiten sei, ob ihn wenigstens Marietta Slomka so gut kennt, um aus eigenem Verständnis qualifiziert verfassungsrechtliche Bedenken äußern zu können? Oder sich nur der Meinung anderer bediente? Wollte ich jetzt populistisch spekulieren, würde ich überlegen, ob der plötzliche Hinweis auf den Staatsrechtler Degenhart auch erfolgt wäre, wenn das Verfassungsgericht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre?


Wie dem auch sei, die Kolumnistin Bettina Röhl liegt auch ohne „ordentlich Schaum vor dem Mund“ nicht so verkehrt, wenn sie die Fragen Marietta Slomkas als “Paradebeispiel für den Missbrauch öffentlich-rechtlicher Medienmacht” bezeichnete. Jedenfalls aber wird meines Erachtens einmal mehr das Urteil der Leiterin der Akademie für Publizistik, Annette Hillebrandt, bestätigt, wonach Journalisten in sie gesetzte Erwartungen nicht erfüllen. Und appelliert: „Wir müssen die Qualität unserer Arbeit verbessern“. 

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